Litigation-PR hat auch in Strafverfahren Konjunktur. Für Verteidiger bedeutet das, den Grat zwischen medialer Vertretung ihrer Mandantschaft und Wahrung prozessualer Interna zu beschreiten. Wie schmal dieser sein kann, zeigt aktuell der Fall von Gerhard Strate, dem Anwalt Gustl Mollaths, gegen den nun wegen des Verdachts der verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen ermittelt wird. Eine Analyse.
Die Rolle des Anwalts in großen Verfahren besteht längst nicht mehr nur aus der Verteidigung vor Gericht. Eindrücklich haben in jüngerer Vergangenheit etwa die Fälle Esser, Kachelmann und Tauss gezeigt, wie wichtig eine wirksame Vertretung gegenüber den Medien sein kann. Auch der Anwalt Gustl Mollaths, der renommierte Strafverteidiger Dr. h.c. Gerhard Strate, bemüht sich um eine solche. Dabei ist er nun mit den Behörden aneinandergeraten: Wie auf seiner Homepage zu lesen ist, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Anfangsverdachts der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlung ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.
Einmal mehr rückt damit der Straftatbestand des § 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) ins Rampenlicht. Abgeschlagen am Ende des StGB gelegen, ist die Norm immer wieder Gegenstand heftiger Debatten, die bis zur Forderung nach ihrer Abschaffung reichen. Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit der geltenden Fassung mit dem Grundgesetz im Jahr 1985 bejaht hat, ist die Kritik bis heute nicht verstummt.
Freilich gelangte der § 353d Nr. 3 StGB auch in der Zwischenzeit gelegentlich zur Anwendung. Der gegenüber Strate erhobene Vorwurf der verbotenen öffentlichen Mitteilung zählt aber sicherlich zu den aufsehenerregendsten Einsätzen der Strafvorschrift.
Verbotene Öffentlichkeitsarbeit auf der Kanzleihomepage?
Anlass zu Ermittlungen gibt aus Sicht der Staatsanwaltschaft Hamburg offenbar der Inhalt der Kanzlei-Homepage von Strate. Dort werden aktuell 32 Dokumente zur Verfügung gestellt, die mit dem "Fall Gustl Mollath" in Zusammenhang stehen. Das Missfallen der Staatsanwaltschaft Hamburg erregen anscheinend insbesondere der dort im vollen Wortlaut abrufbare Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 18.3.2013 und die ebenfalls verfügbare Ablichtung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 26.2.2013. Um zu verstehen, wieso deren Veröffentlichung problematisch sein könnte, muss man zunächst mit der Strafvorschrift des § 353 d Nr. 3 StGB vertraut sein.
Diese schützt nach überwiegender Auffassung die Verfahrensbeteiligten, namentlich Laienrichter und Zeugen, vor der abstrakten Gefahr der Beeinträchtigung ihrer Unbefangenheit. Denn Laienrichter haben gerade keine Kenntnis der Gerichtsakte und sollen ihre Eindrücke unvoreingenommen aus der Hauptverhandlung gewinnen; die Wahrnehmungen von Zeugen sollen nicht durch vorzeitig veröffentlichte amtliche Schriftstücke beeinträchtigt werden.
Daneben geht es der Vorschrift darum, den von dem jeweiligen Verfahren Betroffenen nicht durch die Veröffentlichung amtlicher Dokumente vor deren gerichtlicher Überprüfung an den Pranger zu stellen. Der Blick auf die Schutzgüter zeigt, dass ein Einverständnis des Betroffenen mit der Veröffentlichung der Dokumente die Strafbarkeit nicht ausschließen kann. Im konkreten Fall wäre eine Zustimmung von Gustl Mollath also unerheblich.
Eigene Schriftsätze dürfen publik gemacht werden
Im Hinblick auf den Schutzbereich gilt, so die wohl vorwiegende Einschätzung, dass allein solche Schriftstücke erfasst sind, die einen amtlichen Ursprung haben. Private Schriftstücke, auch solche, die zu einem späteren Zeitpunkt Teil der Gerichtsakte geworden sind, sollen gerade nicht zu den von § 353d Nr. 3 StGB geschützten Dokumenten zählen. Dieser Auffassung scheint auch die zuständige Staatsanwaltschaft anzuhängen, denn der gegenüber dem Beschuldigten erhobene Vorwurf bezieht sich, wie aus Strates Stellungnahme erkennbar, gerade nicht auf dessen zur Gerichtsakte gereichte Schriftsätze.
Ob die angesprochenen Dokumente den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 353d Nr. 3 StGB tragen, lässt sich von den nicht verfahrensbeteiligten Autoren naturgemäß nicht abschließend beantworten. Strate selbst argumentiert, dass der Schutzbereich der Vorschrift in zeitlicher Hinsicht nicht tangiert sei. Er skizziert hierzu einen Zeitstrahl, welcher mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens beginnt und mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens endet – ein Antrag auf Wiederaufnahme falle gerade nicht in diesen Zeitraum.
Allerdings bleibt festzuhalten, dass auch das Wiederaufnahmeverfahren – mit seinen drei Stadien Aditionsverfahren, Probationsverfahren und neues Sachentscheidungsverfahren – ein Strafverfahren im Sinne der Vorschrift ist. Es als Ganzes zu erfassen, erscheint im Hinblick auf den Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten sinnvoll. Denn ein möglicherweise in der erneuerten Hauptverhandlung beteiligter Laienrichter oder Zeuge wird kaum die in einem früheren Verfahrensstadium zur Kenntnis genommenen Schriftstücke (vollständig) vergessen oder ausblenden können.
Verteidigung im Gerichtssaal oder Hingabe zum Sirenengesang der Medien?
Der Strafverteidiger muss somit den oft schwer zu findenden Mittelweg beschreiten zwischen einer nicht mehr zeitgemäßen Vogel-Strauß-Strategie gegenüber der medialen Welt und einem unangemessenen Sich-Sonnen im Scheine selbiger. Die Erfahrungen aus der Verteidigung in Wirtschaftsstrafverfahren zeigen, dass (Straf-)Vorschriften zum Schutze der Unvoreingenommenheit und Privatsphäre der Verfahrensbeteiligten durchaus ihre Berechtigung haben. Denn der allzu offene Umgang mit den Medien vor Beginn der Hauptverhandlung schadet nicht allein der Atmosphäre des Verfahrens – immerhin besteht die Möglichkeit, dass es gar nicht zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt –, sondern auch dem Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten, sofern dieser nicht mit der Veröffentlichung einverstanden ist.
Im Grundsatz ist – bei Weitem nicht nur für Strafverteidiger! – ein zurückhaltender Umgang mit sämtlichen Medien geboten. Denn die zerstörte Unbefangenheit ist nicht zu reparieren und was einmal in der Welt, zumal in der online verfügbaren ist, lässt sich so leicht nicht wieder aus ihr entfernen. Ob es dazu tatsächlich der Schulung durch den Medientrainer einer PR-Agentur bedarf, ist nach den jeweiligen Umständen zu beurteilen. Wie in der Tagespresse zu lesen war, erwogen jüngst die Staatsanwaltschaft Hannover und die Generalstaatsanwaltschaft Celle anlässlich der medial äußerst präsenten Ermittlungen gegen den Bundespräsidenten a.D., Christian Wulff, offenbar ein solches Vorgehen.
Im Zweifelsfall sollten öffentliche Mitteilungen über ein Strafverfahren vor Beginn der Hauptverhandlung daher unterbleiben, um die genannten Rechtsgüter nicht zu verletzen. Nachholen kann man die Veröffentlichung – wenn auch mit möglicherweise anderer Wirkung – auch noch zu einem späteren Zeitpunkt.
Die Autoren Dr. Hohmann und Dr. Petermann sind Rechtsanwälte und Partner bei Eisenmann Wahle Birk & Weidner am Standort Stuttgart. Beide sind überwiegend auf dem Gebiet des Wirtschaftsstrafrechts tätig und sind Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zu Themen des Straf- und Strafverfahrensrechts. Der Autor Dr. Hohmann ist zudem Autor und Mitherausgeber eines Kommentars zur Strafprozessordnung.
Stefan Petermann, Die strafrechtlichen Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9055 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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