Googles Marktmacht: Gefährdet mehr als nur den ökonomischen Wettbewerb

von Prof. Dr. Boris P. Paal, M.Jur. (Oxford)

28.05.2014

Mit seiner Suchmaschine nimmt Google wesentlichen Einfluss darauf, welche Inhalte im Internet auffindbar sind. Die EU-Kommission prüft schon seit Jahren, nun wollen auch immer mehr deutsche Stimmen aus Wirtschaft und Politik die Marktmacht des Internetgiganten beschränken. Wie gut sich dafür das Kartellrecht eignet, nach dem nun alle rufen, prüft Boris P. Paal.

Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, rief bereits im Februar auf gegen die "Verdinglichung des Menschen durch den technologischen Totalitarismus". Spätestens der öffentlichkeitswirksame Schlagabtausch zwischen Eric Schmidt, Verwaltungsratschef von Google, Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, und EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia im Feuilleton haben Googles Marktmacht die verdiente Aufmerksamkeit gebracht. Den kartellrechtlichen Rahmen hat die hiermit verbundene öffentliche Diskussion längst gesprengt.

Das EU-Kartellverfahren ist zu einem Instrument in der generellen Auseinandersetzung mit dem Unternehmen Google geworden. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine "kartellrechtsähnliche Regulierung" ebenso ins Spiel gebracht wie eine "Entflechtung, wie sie bei Strom- und Gasnetzen durchgesetzt wurde".

Zutreffend haben Almunia und der Präsident des Bundeskartellamts Andreas Mundt zwar darauf hingewiesen, dass das Kartellrecht nur den Missbrauch marktmächtiger Stellungen, nicht dagegen die Marktmacht als solche sanktionieren kann.

Die Wettbewerbshüter sollten von den ihnen eröffneten Sanktionsmöglichkeiten aber auch konsequent Gebrauch machen, damit das Kartellrecht einen gewichtigen Beitrag erbringen kann. So gilt es, in Kartellverfahren den veränderten Rahmenbedingungen durch eine Aktualisierung der Normanwendungspraxis, insbesondere in Ansehung von mehrseitigen Plattformen mit ihren Netzwerkeffekten, angemessen Rechnung zu tragen.

Europäisches Kartellverfahren dauert an

Die EU-Kommission hat bereits 2010 ein Kartellverfahren in Bezug auf den möglichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Suchmaschinen- und Werbemarkt gegen Google eingeleitet. Das Verfahren dauert bis heute an, die Bedenken gegen die Praxis des Internetkonzerns sind vielfältig.

Die Kommission wirft dem Unternehmen vor, bezahlte und unbezahlte Suchergebnisse von konkurrierenden spezialisierten bzw. vertikalen Suchdiensten aktiv herabzustufen. Die Ergebnisse von Diensten, welche ihre Suche auf ein ausgewähltes Themengebiet beschränken, würden trotz sachlicher Relevanz zum Beispiel nicht auf der für die Nutzeraufmerksamkeit entscheidenden ersten Seite der Suchergebnisse angezeigt.

Außerdem bevorzuge Google eigene Dienstleistungen, zwinge Inhalteanbieter, das Kopieren ihrer Inhalte zu dulden, schließe Konkurrenten bei Verträgen mit Anzeigenkunden vertraglich aus und verbiete faktisch den Transfer von Anzeigen zu Konkurrenzsuchdiensten.

Googles Vorschläge - und was davon zu halten ist

Im April 2013 hat sich die Aktiengesellschaft mit Sitz in Mountain View im Wege erster Verpflichtungszusagen bereit erklärt, die Suchergebnisanzeige zu modifizieren. Google will vor allem die Verweise auf konkurrierende vertikale Suchmaschinen prominenter darstellen und eigene Angebote bzw. Werbung eindeutiger als solche kennzeichnen. Außerdem will es die Ausschließlichkeitsklauseln aus den Verträgen seiner Werbepartner tilgen.
Ende Januar 2014 legte das Unternehmen eine weitere Nachbesserung auf dem Gebiet der vertikalen Suche vor: So sollen in Zukunft neben eigenen vertikalen Suchdiensten drei konkurrierende Suchmaschinen auf vergleichbare Weise dargestellt werden. Ihre Auswahl soll im Wege von Auktionen erfolgen, deren Erlöse wiederum Google zufließen.

Die EU-Kommission hat insbesondere Konkurrenten, Verbände und Nutzer um Stellungnahmen zu den von Google vorgelegten Kompromissvorschlägen gebeten – der entsprechende Markttest läuft.

Die Umsetzung der aktuellen Vergleichsvorschläge dürfte Googles Position weiter verfestigen. Schließlich werden diskriminierende Ergebnismanipulationen gerade nicht untersagt. Zudem wird bei der Auktion für die Darstellung externer Suchergebnisse die Finanzkraft, nicht aber Leistung oder Verbrauchernutzen den Ausschlag geben. Das droht den Wettbewerb zusätzlich zu verzerren. Insgesamt bleiben die Vergleichsvorschläge hinter den Erwartungen zurück, das Sanktionspotenzial des Kartellrechts wird nicht hinreichend ausgeschöpft.

Zitiervorschlag

Googles Marktmacht: . In: Legal Tribune Online, 28.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12110 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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