Eine Berliner Putzfrau hat in einer Online-Lotterie 90 Millionen Euro gewonnen. Auch wenn die Lottogesellschaft nicht in Deutschland lizensiert ist: Der Vorwurf der Geldwäsche ist abwegig, erklären Michael Kubiciel und Michael Tsambikakis.
Wie schnell ein Traum enden kann, dürfte jene Putzfrau aus Berlin erfahren haben, die laut Medienberichten den sog. Eurojackpot geknackt und 90 Millionen Euro gewonnen haben soll. Verkündete eine deutsche Boulevard-Zeitung eben noch, die Frau werde ihren Beruf “an den Nagel“ hängen und mit einem Wohnmobil durch die USA reisen, kann die Gewinnerin nun in der “Süddeutschen Zeitung“ nachlesen, dass die Auszahlung des Gewinns am deutschen Recht scheitern könnte – und zwar am Strafrecht, genauer: am Geldwäsche-Tatbestand.
Diese Vorschrift stellt, vergröbernd gesprochen, den Umgang mit illegalem Vermögen unter Strafe, um die Finanzströme der Organisierten Kriminalität und von verwandten Kriminalitätsformen zu unterbrechen. So macht sich nach § 261 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wer sich oder einem Dritten einen Gegenstand verschafft, der aus einer in Abs. 1 Satz 2 aufgeführten rechtswidrigen Tat herrührt. Dieser Isolierungstatbestand soll illegales Vermögen verkehrsunfähig machen und damit die Strafverfolgung sowie die Einziehung von rechtswidrigem Vermögen erleichtern.
Nicht wenige Leser dürften sich nun fragen, weshalb der Lottogewinn isoliert und eingezogen werden soll. Kann er wirklich aus einer Straftat herrühren, wenn rund 20 Millionen Deutsche wöchentlich Lotto spielen? So einfach ist es jedoch nicht. Das öffentliche Veranstalten von Glücksspielen ist nach § 284 StGB strafbar, falls der Veranstalter dafür keine behördliche Erlaubnis besitzt. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Glücksspiel (Lotterien, Casinospiele, Sport- und Pferdewetten) in Deutschland zulässig ist, regelt der Glücksspielstaatsvertrag. Nach dessen § 4 ist das Veranstalten von Glücksspielen im Internet grundsätzlich verboten, jedoch kann eine Erlaubnis erteilt werden.
Schutz des staatlichen Lotteriemonopols
Mit der Erlaubniserteilung gehen deutsche Behörden jedoch, vorsichtig formuliert, sehr “sparsam“ um. Diese Politik dient vordergründig dazu, das angeblich bestehende Suchtpotenzial von Lotterien einzuhegen. Ein zumindest höchst willkommener, wenn nicht sogar beabsichtigter Effekt besteht aber gewiss auch darin, das staatliche Lotteriemonopol und damit die Einnahmen des Staates zu schützen: Die 20 Millionen – gewiss nicht spielsüchtigen – Deutschen sollen ihr Geld staatlichen Lotterien zuführen, nicht privaten Anbietern.
Der Anbieter des “Eurojackpots“ soll dem Vernehmen nach zwar eine Konzession in Deutschland beantragt, diese aber (noch) nicht erhalten haben. Das könnte auch daran liegen, dass die einschlägige Vorschrift des Glücksspielstaatsvertrages Konzessionen nur für die Veranstaltung und Vermittlung von Lotterien vorsieht, der “Eurojackpot“ aber selbst keine Lotterie ist. Getippt wird vielmehr auf den Ausgang von Lotterien in anderen EU-Staaten. Ein solches Tippspiel ist ein Glücksspiel, das sich nicht substanziell von einer Lotterie unterscheidet. Dennoch scheinen der eng gefasste Glücksspielstaatsvertrag und die deutschen Behörden mit einem solchen Produkt überfordert.
Damit könnte man auf den ersten Blick meinen, dass der Eurojackpot ein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB darstellt. Der Geldwäscheparagraph erfasst auch das Glücksspielverbot. Daher könnten sich nicht nur diejenigen strafbar machen, die der Berliner Putzfrau den Gewinn verschaffen; ein Strafbarkeitsrisiko liefe auch die Gewinnerin selbst, wenn sie sich den Gewinn selbst verschafft. Da sie sich an der möglichen Vortat, d.h. dem unerlaubten Veranstalten oder Vermitteln des Glücksspiels nicht beteiligt hat, wäre die Anwendung des § 261 StGB auf sie nicht ausgeschlossen – und der Alptraum der “Gewinnerin“ perfekt. Sie würde also nicht nur keinen Gewinn erhalten, sondern auch noch dafür bestraft, dass die Hüter des deutschen Glücksspielrechts nicht willens und in der Lage sind, Spielformen zu genehmigen, die in anderen EU-Staaten erlaubt sind.
Unionsrecht sperrt deutsches Strafrecht
An dieser Stelle kommt, man ahnt es, das Unionsrecht ins Spiel. Denn der Veranstalter des Eurojackpots verfügt über eine Konzession eines EU-Staates. Daher greift Deutschland in die Dienstleitungsfreiheit nach Artikel 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein, indem es die Tätigkeit von Unternehmen verbietet oder sogar unter Strafe stellt, die für diese Tätigkeit eine Erlaubnis eines anderen Mitgliedsstaates vorweisen können. Zwar kann ein Mitgliedsstaat die Notwendigkeit eines solchen Eingriffs zu rechtfertigen versuchen. Die Erzielung staatlicher Einnahmen legitimiert aber kein Verbot grenzüberschreitender Dienstleistungen, wie der EuGH mehrfach im Zusammenhang mit dem Glücksspielrecht betont hat.
Daher bleibt Deutschland nur der Weg, das Verbot einzelner Glücksspielformen mit dem Schutz der Spieler zu begründen, namentlich vor einer Spielsucht. Tatsächlich tut Deutschland dies auch – jedenfalls bislang. Allerdings krankt diese Begründung daran, dass es keine empirischen Nachweise dafür gibt, dass Online-Tippspiele auf Lotterien größere Suchtgefahren hervorrufen als das gewöhnliche “Samstagslotto“, an dem sich gefahrlos Generationen von Deutschen erfreut haben. Mehr noch: Gerade beim elektronischen Spiel, das über Bank- oder Kreditkartenkonten abgewickelt wird, lässt sich prüfen, ob ein Spieler zu häufig tätig ist oder mit zu hohen Summen spielt. Eine vergleichbare Kontrolle bieten weder die Lottoannahmestelle noch andere Formen des “stationären“ Glücksspiels, etwa in Spielhallen.
Das deutsche Glücksspielrecht mit seinen partiellen, eher willkürlich gewählten Verboten ist daher widersprüchlich und im Hinblick auf den Spielerschutz unverhältnismäßig. Mit den – immer strenger werdenden - Anforderungen, die der EuGH an Eingriffe in die Dienstleitungsfreiheit stellt, ist es nicht mehr zu vereinbaren. Daher sperrt das Unionsrecht nicht nur die Anwendung des deutschen Glückspiel(straf)rechts. Es wäre auch völlig unverhältnismäßig, in der Auszahlung des Gewinns eine strafbare Geldwäsche zu sehen. Der Gewinn ist das Produkt des Zufalls, kein Ertrag der Organisierten Kriminalität.
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel lehrt Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität zu Köln und ist of counsel der Sozietät Tsambikakis und Partner. Prof. Dr. Michael Tsambikakis ist Partner dieser Sozietät und Honorarprofessor an der Universität Passau. Die Kanzlei vertritt u.a. den internationalen Anbieter von Sportwetten Tipico*.
Anm. d. Red.: Update eingefügt am 03.07.2018, 17:18 Uhr.
Geldwäsche und Online-Lotto: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29471 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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