Reform der Tötungsdelikte: Mord soll Mord bleiben

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

29.06.2015

2/2: Lebenslang wird nicht abgeschafft…

Täter eines Mordes sollen auch künftig zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt werden. Die Ersetzung der Lebenszeitstrafe durch eine zeitige Freiheitsstrafe wäre auch ein zu kühner Schritt gewesen, der zu der Zurückhaltung, mit der die Kommission die Mordmerkmale angefasst hat, schlecht gepasst hätte.  Erfreuliche Einhelligkeit herrschte dahingehend, dass der "Exklusivitäts-Absolutheits-Zusammenhang" zwischen Mordmerkmalserfüllung und lebenslanger Freiheitsstrafe aufgehoben werden soll.

Zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit sollen die Gerichte jedoch die Möglichkeit haben, von der lebenslangen Freiheitsstrafe abzuweichen und eine zeitlich begrenzte Strafe zu verhängen. Wie diese Idee gesetzgeberisch umgesetzt werden soll, ist ein Thema, dem die Kommission mit einiger Ratlosigkeit begegnete, wie die zahlreichen Enthaltungen bei den  Abstimmungen zu den Einzelvorschlägen belegen.  Abgelehnt wurde die alternative zeitige Freiheitsstrafe neben der lebenslangen Freiheitsstrafe ebenso wie die Einführung einer Milderungsvorschrift für minder schwere Fälle.

Lediglich in Fällen erheblich verminderten Unrechts oder erheblich verminderter Schuld soll dem Gericht die Verhängung einer zeitigen statt der lebenslangen Freiheitsstrafe gestattet sein. § 213 StGB, der "minder schwere Fall des Totschlags", soll zwar beibehalten, aber  weiterhin nicht auf Fälle des § 211 StGB angewendet werden. Die Begründung eines minder schweren Falles des Totschlags soll im Gegenteil schwieriger werden, weil aus § 213 StGB der "unbenannte" minder schwere Fall entfernt werden soll.

… aber wohl seltener verhängt werden

Stattdessen soll ein neuer spezieller Milderungsgrund der Tötung aus "Verzweiflung oder Ausweglosigkeit" eingeführt werden.  Erhöht werden soll die Mindeststrafe des minder schweren Falles von einem Jahr auf zwei Jahre. Im Themenbereich der Strafvollstreckung war die Schuldschwereklausel des § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB Gegenstand einer intensiven und kontroversen Diskussion. Nur eine knappe Mehrheit (8 Ja- gegen 7 Nein-Stimmen) votierte für ihre Beibehaltung. Allgemein wurde eine Konkretisierung der Klausel durch exemplarische Aufführung konturierter Schulderschwerungsgründe befürwortet.

Eine faire Bewertung der Leistung, die in dem fast 1.000 Seiten umfassenden Abschlussbericht dokumentiert ist, kann natürlich erst nach gründlichem Studium desselben unternommen werden. Eine spannende Diskussion wird dieser Text gewiss befeuern.  Schon jetzt kann  lobend vermerkt werden, dass die Kommission für die Lösung der drängendsten Probleme konstruktive Anstöße gegeben hat. Ein Mordstrafrecht mit einem starren Lebenslang-Automatismus wird es nach diesem Bericht mit Sicherheit nicht mehr geben.

Damit ist ein großer Schritt in Richtung zu mehr Einzelfallgerechtigkeit getan, und das Hauptärgernis der jetzigen Regelung zu Grabe getragen. Vernünftig ist gewiss auch das Festhalten an der systematischen Grundkonzeption mit einem merkmalsarmen Grundtatbestand Totschlag und einem darauf aufbauenden kasuistisch geprägten Qualifikationstatbestand. Allerdings hätte man sich hinsichtlich der Ausgestaltung des Mordtatbestandes durch Mordmerkmale mehr Einfallsreichtum und auch mehr Mut zur Beseitigung notorischer Problemfälle gewünscht.  Aber der kann ja auf der Basis des Berichts vielleicht im Bundesjustizministerium zur Entfaltung gebracht werden. Auf den Gesetzentwurf aus dem Hause Maas darf man jedenfalls gespannt sein.

Prof. Dr. Wolfgang Mitsch ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht mit Jugendstrafrecht und Kriminologie an der Universität Potsdam. Er hat sich mit zahlreichen Veröffentlichungen zu Fragen der Tötungsdelikte geäußert. Auch in die aktuelle Reformdebatte hat er sich mit einigen Aufsätzen eingeschaltet.





Zitiervorschlag

Reform der Tötungsdelikte: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16024 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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