Gesetzentwurf zu Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen: Klar ist vor allem: Es bleibt unklar

von Dr. Thomas Leister

19.11.2015

2/2: Kriterien für die Abgrenzung von Arbeitsverträgen zu Werk- und Dienstverträgen

Ein Hauptziel des Entwurfs ist die Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen und Dienstverträgen. Zu diesem Zweck wird die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung abhängiger von selbstständiger Tätigkeit erstmals gesetzlich niedergelegt. Hierzu soll ein Katalog von acht Kriterien dienen, nach dem eine abhängige Beschäftigung insbesondere vorliegt,
wenn jemand

  • nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,
  • die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,
  • zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,
  • die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,
  • ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,
  • keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,
  • Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,
  • für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.

Diese Kriterien sind nicht abschließend und es soll auf eine "wertende Gesamtbetrachtung" ankommen – was nach bisheriger Praxis der Behörden und der Rechtsprechung bereits der Fall gewesen ist. Insoweit werden diese Kriterien keine Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bringen oder auch nur erhöhen. Klar ist vielmehr, dass bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit nach wie vor eine erhebliche Rechtsunsicherheit bleiben wird. Denn es kommt nicht darauf an, die Abgrenzungskriterien im Gesetz zu benennen, sondern sie im konkreten Fall richtig anzuwenden. Für noch mehr Rechtsunsicherheit wird jedoch sorgen, dass nach diesen Kriterien bislang unstreitige Werkverträge in Frage gestellt würden, z.B. wenn ein Kunde ein IT-Dienstleistungsunternehmen beauftragt, Software zu programmieren und im System des Kunden zu installieren.

Bislang konnte der vermeintliche Werkunternehmer eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorhalten und sich auf diese berufen, wenn eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung festgestellt wurde. Mit der Neuregelung soll diese sog. vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unzulässig sein. Damit sollen künftig Vertragskonstruktionen verhindert werden, die von den Parteien zwar als Werkvertrag bezeichnet, tatsächlich aber als Arbeitsverträge oder Arbeitnehmerüberlassungsverträge "gelebt" werden.

Gesetzlich geregelt werden soll zudem, dass Zeitarbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen und für die Unternehmensmitbestimmung geltenden Schwellenwerten auch beim Entleiher grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Damit wird die neuere Rechtsprechung kodifiziert.

Dr. Thomas Leister, MBA, ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner im Münchener Büro von Osborne Clarke.

Zitiervorschlag

Gesetzentwurf zu Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17593 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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