Vier Monate hat die Branche gespannt auf eine Entscheidung gewartet. Doch der BGH tut sich schwer mit dem Fall Oracle gegen usedSoft. Nun hat Karlsruhe überraschend Fragen zur Zulässigkeit des Handels mit gebrauchter Software dem EuGH vorgelegt. Bis endlich Klarheit besteht, wird damit noch einige Zeit ins Land gehen. Von Dr. Markus Ruttig.
Der Handel mit gebrauchter Software entzweit die Juristen seit langem, nicht erst seit dem Rechtsstreit Oracle gegen usedSoft (Az. I ZR 129/08). Gestritten wird zwischen den beiden Lagern vor allem um die Reichweite von § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG, wo der so genannte Erschöpfungsgrundsatz geregelt ist. Dieser bestimmt, jedenfalls für Software, die auf Datenträgern in den Verkehr gebracht wurde, dass die Weiterveräußerung dieser Vervielfältigungsstücke zulässig ist. Nach dem Inverkehrbringen eines solchen Vervielfältigungsstücks ist das Verbreitungsrecht des Veräußerers erschöpft.
Die Frage ist nun, ob dies entsprechend auch für Software gelten soll, die der Veräußerer mittels Download in den Verkehr gebracht hat. Insbesondere die Rechtsprechung verneinte diese bislang, neben dem Oberlandesgericht (OLG) München als Vorinstanz des aktuellen Falls vor dem Bundesgerichtshof (BGH) auch das OLG Frankfurt a.M. sowie das OLG Düsseldorf.
Der Fall Oracle versus usedSoft
Eine Klärung der Frage versprach die von Oracle im Jahr 2006 beim Landgericht München I angestrengte Klage gegen die Firma usedSoft. Dabei geht es um Computersoftware, die Oracle ganz überwiegend in der Weise vertreibt, dass die Kunden die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Computer herunterladen können.
Dabei bestimmt Oracle in seinen Lizenzverträgen mit den Kunden, dass das Recht zur Nutzung der Software nicht abtretbar ist. Dennoch bot UsedSoft bereits "benutzte" Lizenzen für Oracle-Programme an. Das Unternehmen berief sich dabei auf ein Notartestat. Darin wird auf eine Bestätigung des ursprünglichen Lizenznehmers verwiesen, wonach dieser rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen ist, diese nicht mehr benutzt und den Kaufpreis vollständig bezahlt hat.
UsedSoft-Kunden konnten nach Erwerb einer "gebrauchten" Lizenz die Software von Oracles Internetseite auf einen Datenträger herunterladen. Darin sieht Orcale einen Urheberrechtsverstoß, weil in das nach § 69c Nr. 1 UrhG ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung der Computerprogramme eingegriffen werde.
Bestimmungsgemäße Verwendung der Software oder Erschöpfung?
Den Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nimmt auch der BGH an. Hier liegt aber nicht das Problem des Falls. Problematisch ist vielmehr die Rechtfertigung des Eingriffs. Dabei lassen sich die Karlsruher Richter in ihrer heute veröffentlichten Presseerklärung nur ein wenig in die Karten schauen: Überraschend heißt es dort, dass sich die Kunden von usedSoft möglicherweise auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen können. Diese Norm setzt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht um und sei daher richtlinienkonform auszulegen.
Nach der zitierten Richtlinie bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms grundsätzlich nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Dem BGH stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine "gebrauchte" Softwarelizenz erworben hat, als "rechtmäßiger Erwerber" des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist.
In diesem Zusammenhang werfen die Richter noch die weitere Frage auf, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in den Verkehr gebracht worden ist.
Auf die konkreten Vorlagefragen des BGH an den EuGH darf man damit gespannt sein. Als sicher kann gelten, dass eben nicht nur das Problem der Erschöpfung sondern auch die Ausnahmeregelung des § 69d Abs. 1 UrhG thematisiert werden wird.
Eine Rolle dürfte dabei auch der erste Halbsatz der Bestimmung spielen. Demnach greift die Ausnahme nur ein, "soweit keine besonderen vertraglichen Bestimmungen vorliegen". Das ist jedenfalls im aktuellen Rechtsstreit nicht der Fall, da Oracle in seinen Lizenzverträgen mit den Kunden vereinbart hat, dass das Recht zur Nutzung der Software nicht abtretbar ist. Vielleicht muss der EuGH deshalb auch über die Zulässigkeit bzw. die Erheblichkeit solcher Klauseln entscheiden.
Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Neben dem Gewerblichen Rechtsschutz liegen seine Schwerpunkte unter anderem im Urheber- und Presserecht sowie im Medienrecht.
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Gebrauchtsoftware im Visier: Der BGH kurz vor der Erschöpfung
Markus Ruttig, Gebrauchtsoftware: . In: Legal Tribune Online, 03.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2472 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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