Mal eben das Smartphone gezückt und kurzerhand ein 20-Sekunden-Video von der Stimmung in der Kneipe oder vom Fußballspiel im TV gemacht? Und dann auf Instagram geteilt? Das kann Ärger geben, zeigt Stefan Schreiber.
Wieso ist es eigentlich so heikel, kurze Videomitschnitte von Fußballspielen im Netz zu teilen? Zunächst geht es ums Geld: Laut ihrem Wirtschaftsreport 2019 erzielte die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) in der Saison 2017/2018 allein durch die mediale Verwertung der Bundesliga Erlöse von 1,25 Milliarden Euro, die sie auf die Erst- und Zweiligisten aufteilt.
Selbst kurze Auszüge von Bundesligaspielen auf Social-Media-Plattformen können damit für die DFL, die Clubs und die Pay-TV-Anbieter wie Sky, welche der Bundesliga diese Einnahmen bescheren, wirtschaftlich relevant werden. Geschützt werden ihre Belange vor allem durch das Urheberrecht.
Allerdings ist dabei nicht das Fußballspiel selbst urheberrechtlich geschützt. Laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) fehlt es Sportereignissen und insbesondere Fußballspielen an Raum für künstlerische Freiheit sowie am geistigen Gehalt, sodass kein Werk im Sinne des Urheberrechts vorliegt (EuGH, Urt. v. 4. 10. 2011 - C-403, 429/08 – FAPL/Murphy). Anders als etwa in Frankreich besteht in Deutschland auch ansonsten kein dem Urheberrecht ähnliches Recht an Sportveranstaltungen.
Die Lizenzkette: Los geht's mit dem Hausrecht des Vereins
Wenn man sich anschaut, wer genau welche Rechte hat, wird es kompliziert: Ausgangspunkt der Lizenzketten für die Übertragung von Fußballspielen bildet zunächst das Hausrecht des jeweiligen Heimvereins an seinem Stadion. Das erlaubt den Clubs unter anderem, ihre Einwilligung für das Anfertigen von Bild- und Tonaufnahmen an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen.
Diese Erlaubnis wird im Profi-Fußball regelmäßig nur einem einzelnen Produktionsdienstleister, auch als Host Broadcaster bezeichnet, erteilt, der ein Basissignal produziert und an weitere Abnehmer weiterleitet. So erfolgt die Produktion sämtlicher Bundesligaspiele im Auftrag der DFL durch die Sportcast GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der DFL. Die jeweiligen Medienpartner wie Sky erhalten somit eine seitens der Sportcast GmbH fertig geschnittene Aufnahme des Spiels in voller Länge einschließlich Zeitlupenaufnahmen, Wiederholungen und einem internationalen Ton (Stadionatmosphäre).
Weil es dabei auch um die Gestaltung mittels Bildregie und Kameraführung geht, wird es sich bei dieser Produktion regelmäßig um ein Filmwerk im Sinne des § 94 Urhebergesetz (UrhG), jedenfalls aber um ein Laufbild nach § 95 UrhG handeln. Da die DFL sowohl das wirtschaftliche Risiko als auch die organisatorische Verantwortung trägt, ist sie der Filmhersteller – und hat damit als einzige das Recht, den hergestellten Bild- und Tonträger zu verbreiten und zu nutzen. Die Grundlage der urheberrechtlichen Lizenzierung an Dritte ist damit geschaffen.
Dass das aktuelle Sportstudio erst um 23 Uhr kommt, hat seinen Grund
Die eigentliche Übertragung der Spiele an den Nutzer erfolgt seitens der Medienunternehmen wie Sky und DAZN oder den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF. Hierfür lizenziert die DFL die produzierten Bild- und Tonträger in Form verschiedener Pakete an die jeweiligen Sender.
Die Lizenzen gelten für bestimmte Spiele, eine bestimmte Reichweite und vor allem kommt es darauf an, wann sie gesendet werden. Die Übertragung der Partien vom Samstagnachmittag in deutsche Wohnzimmer zuerst via Sky (Liverecht), dann in der ARD in der Sportschau (Erstverwertungsrecht) und im ZDF im aktuellen Sportstudio (Zweitverwertungsrecht) sowie schließlich auf weiteren Sendern (Drittverwertungsrecht) ist also keine bloße Folge der Programmplanung seitens der Sender. Für 40 Freitags-, Sonntags- und Montagsspiele hat derzeit zudem Eurosport das Liverecht, welches an DAZN sublizenziert wird.
Bei der Übertragung der Spiele entsteht seitens des jeweiligen Senders ein weiteres absolutes Recht. Ein Sendeunternehmen darf die Sendung nach § 87 Abs. 1 UrhG gegen Bezahlung weitersenden, und öffentlich zugänglich machen.
Daher müssen sowohl private Kunden als auch Gastronomiebetreiber entsprechende kostenpflichtige Abonnements beim Pay-TV-Sender abschließen. Die Eckkneipe, in der man eine Live-Übertragung des Bundesligaspiels von Union Berlin anschauen kann, ist deshalb auch Sky-Abonnent.
Jubel in der Kneipe und im Hintergrund sieht man den Torschuss
Weder die DFL noch die Sendeunternehmen werden sich dagegen wehren können, dass der Fußballfan einen Auszug aus einem Bundesligaspiel zu rein privaten Zwecken etwa im Rahmen des Besuchs einer Fußballkneipe mit seinem Smartphone aufnimmt. Es handelt sich hierbei um eine nach § 53 Abs. 1 UrhG zulässige Privatkopie.
Problematisch wird es jedoch, wenn der Mitschnitt auf Social-Media-Plattformen wie Facebook. Instagram oder Twitter gepostet wird und damit eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit erreicht werden kann.
Der Upload stellt eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG dar, die grundsätzlich dem Sendeunternehmen bzw. Filmhersteller vorbehalten ist – es sei denn, es gibt eine gesetzliche Erlaubnis. So ist nach § 57 UrhG neben der Vervielfältigung auch die öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand anzusehen sind.
Von einem unwesentlichen Beiwerk ist hierbei auszugehen, „wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne, dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird“ (BGH, Urt. v. 17.11.2014 – I ZR 177/13 – Möbelkatalog). Diese Voraussetzung mag dann erfüllt sein, wenn das konkrete Fußballspiel unkenntlich bleibt. Ist das Spiel demgegenüber erkennbar, wird es an der geforderten Nebensächlichkeit fehlen. Auch wenn das Spiel nur im Hintergrund des Handyvideos erkennbar ist, stellt dies kein unwesentliches Beiwerk mehr dar.
Es kommt auch darauf an, wie viele Freunde man hat
Ob in sozialen Netzwerken eine "öffentliche Zugänglichmachung" vorliegt, richtet sich maßgeblich danach, ob eine "persönlichen Beziehung" zu den Adressaten des Posts vorliegt. Bei persönlicher Verbundenheit liegt jedenfalls keine Öffentlichkeit vor. Dies mag bei kleinen, geschlossenen Facebook-Gruppen von Familienmitgliedern und wirklichen Freunden noch der Fall sein. In sozialen Netzwerken wird der Begriff der Freundschaft jedoch inflationär benutzt, so dass nicht jede angenommene Freundschaftsanfrage auch eine persönliche Verbundenheit bedeuten muss.
Hinzu kommt der Umstand, dass in einem sozialen Netzwerk nicht nur derjenige den Mitschnitt öffentlich zugänglich macht, der ihn postet, sondern auch "sein Freund", der das Werk teilt, re-postet oder re-tweetet. Aufgrund der zahlreichen Vernetzung der Mitglieder des sozialen Netzwerkes wird das Video früher oder später öffentlich zugänglich. Bei frei zugänglichen Accounts ist der Post ohnehin öffentlich.
Das im Stadion erstellte Handyvideo verletzt demgegenüber kein Urheberrecht, da die Sportveranstaltung selbst keinen Leistungsschutz genießt. Dort wird kein Filmwerk oder Laufbild "mitgeschnitten".
Wird nur der Post gesperrt oder folgt gleich eine Abmahnung?
Liegt eine Verletzung der Urheber- und Senderechte vor, könnten Abmahnungen mit der Geltendmachung von Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen folgen.
Nun sind unbedarfte Fans, die einmal ein privates Handyvideo auf Instagram posten, nicht mit Kanälen gleichzusetzen, die widerrechtlich Live-Übertragungen ohne entsprechende Lizenz kommerziell anbieten. Gegen derartige kommerzielle Verletzer gehen die Rechteinhaber – zu Recht – hart vor. Bei niedrigschwelligen, privaten Fan-Videos dürfte es ausreichend sein, eine Sperrung des Posts direkt beim Social-Media-Plattformbetreiber über eine Meldung bzw. ein "Notice-and-take-down-Verfahren" zu erreichen. Dies wird auch regelmäßig der Fall in der Praxis sein.
Wenn der Fan jedoch Videos in regelmäßiger Häufigkeit hochlädt und sich auch bei Meldungen renitent verhält, könnten dann doch Unterlassungsansprüche im Wege der Abmahnung geltend gemacht werden, was zudem Rechtsverfolgungskosten (z.B. in vierstelliger Höhe) nach sich ziehen könnte. Dann das Geld lieber in die nächste Dauerkarte investieren…
Stefan Schreiber ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz am Leipziger Standort der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er ist forensisch und gutachterlich im Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht tätig und auf sportrechtliche Themen, insbesondere Fußball, spezialisiert.
Videoschnipsel von Fußballspielen im Netz: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38857 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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