"Frag-Den-Staat" klagt gegen Bund: Das Urhe­ber­recht als Zen­sur­waffe?

von Dr. Markus Sehl

21.03.2019

Weil sie ein internes Glyphosat-Gutachten veröffentlichte, hat die Bundesregierung eine Online-Plattform abgemahnt – doch die wehrt sich. Ein ganz ähnlicher Fall beschäftigt auch den EuGH: Taugt das Urheberrecht auch zum Geheimnisschutz?

Das interne Dokument, um das es geht, ist gerade mal sechs Seiten lang. Die Plattform Frag-Den-Staat hatte im Herbst 2018 mit einem Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die "Stellungnahme des BfR zur IARC-Monographie über Glyphosat" herausverlangt. Dabei handelt es sich um eine Stellungnahme zu einer Arbeit der Internationalen Agentur für Krebsforschung (englisch IARC), die kurz zuvor zu dem Ergebnis gekommen war, dass das Pflanzenschutzmittel Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" sei.

In der sechsseitigen Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) geht es um die Untersuchung von Tumoren, die durch Glyphosat ausgelöst worden sein könnten. Das BfR ist in Deutschland zuständig für gesundheitlichen Verbraucherschutz und untersteht direkt dem Landwirtschaftsministerium. Ministerin Julia Klöckner hatte der Zulassung von Glyphosat-Produkten zugestimmt. Die Unabhängigkeit des BfR-Berichts ist umstritten. 

Ende 2018 gab das BfR dem IFG-Antrag statt und schickte das begehrte Dokument. Am Ende des BfR-Anschreibens, das auch auf der Homepage von Frag-Den-Staat veröffentlicht wurde, finden sich "Generelle Hinweise zum Urheberrecht". Die Übermittlung erfolge ausschließlich zum persönlichen Gebrauch, die Veröffentlichung bedürfe der vorherigen schriftlichen Zustimmung.

Abmahnung wegen Urheberrechtsverstoß

Die Plattformbetreiber aber waren überzeugt, dass für das Veröffentlichungsverbot keine Grundlage bestehe und stellten das Dokument im Anschluss auf der Webseite "fragdenstaat.de" online.

Das BfR hat über die Berliner Dependance der Kanzlei Gleiss Lutz am 7. März 2019 ein Abmahnschreiben an den Verein Open Knowledge Foundation, die Betreiberin von Frag-Den-Staat, geschickt – welches die Plattform teilgeschwärzt ebenfalls veröffentlichte. Das Anwaltsschreiben sieht in der Veröffentlichung der Stellungnahme einen Verstoß gegen das Urheberrecht. Das Dokument sei intern von Beamten bzw. Tarifbeschäftigen erstellt worden und das Bundesinstitut als Dienstherrin gem. §§ 42, 31 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG) Inhaber der Nutzungsrechte geworden. Diese erstreckten sich insbesondere auf die Vervielfältigung nach § 16 UrhG und die öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG.

Parallelen zu aktuellem EuGH-Fall

Zur Zeit beschäftigt sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der Frage, ob der Staat das Urheberrecht als Argument nutzen darf, um die Veröffentlichung von Dokumenten durch Journalisten zu unterbinden. Im konkreten Fall geht es um die sog. "Afghanistan Papiere" zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Der Generalanwalt machte in seinen Schlussanträgen im Oktober 2018 deutlich, dass die Bundesregierung mit ihrer Unterlassungsklage gar kein Ziel des Urheberrechts verfolge, sondern es ihr in erster Linie um den Schutz von vertraulichen Dokumenten gehe. Das Urheberrecht werde für Ziele instrumentalisiert, die ihm völlig fremd seien, so der Generalanwalt.

Weiter schreibt er, eine der wichtigsten Funktionen der freien Meinungsäußerung und der Freiheit der Medien bestehe in der Kontrolle der Staatsgewalt durch die Bürger, die für jede demokratische Gesellschaft unerlässlich sei. Diese Kontrolle könne u. a. durch die Verbreitung bestimmter Informationen oder Dokumente ausgeübt werden, deren Inhalt oder Existenz die Staatsgewalt verschleiern wolle. Natürlich gebe es auch Informationen, die geheim bleiben müssten – aber die müssten dann entsprechend streng mit Geheimhaltungshinweisen klassifiziert sein.

Anders als im Fall vor dem EuGH geht es bei dem aktuellen Fall von Frag-den-Staat nicht um geleakte, also auf inoffiziellem Wege zugespielte Dokumente. Das Glyphosat-Gutachten hatte Frag-Den-Staat schließlich durch eine erfolgreiche IFG-Anfrage erhalten.

Unter dem Schutz des IWG?

Nach Einschätzung des Berliner Anwalts der Plattform, Raphael Thomas, liegt der Fall damit sogar noch einfacher, wie aus einem veröffentlichten Schriftwechsel hervorgeht. Denn für die nach dem IFG erlangten Dokumente gelte das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG). Das Bereitstellen im Internet falle unter die Weiterverwendung nach § 2 Nr. 3 IWG. Ausschlussgründe, wie etwa Urheberrechte Dritter, sieht der Anwalt auch nicht. Schließlich habe das Abmahnschreiben betont, dass das intern erarbeitete Dokument unter das ausschließliche Nutzungsrecht des staatlichen Instituts fallen soll.

Bereits 2014 hatten die Betreiber von Frag-Den-Staat in einem ähnlichen Fall gegen das Bundesinnenministerium geklagt, damals hatten sie einen Teilerfolg erzielt. Zu einem Prozess sollte es zwar nicht mehr kommen, doch das Landgericht und auch das Kammergericht Berlin hatten schon für die einstweilige Verfügung festgestellt, dass es bei dem konkreten Papier bereits an der urheberrechtlichen "Schöpfungshöhe" fehlte.

Die Plattformbetreiber gehen nun mit ihrem Anwalt ebenfalls in die Offensive und klagen gegen das BfR auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, das Gutachten für sich zu behalten. Möglicherweise könnte es dieses Mal zu einem Grundsatzurteil kommen.

Zitiervorschlag

"Frag-Den-Staat" klagt gegen Bund: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34497 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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