Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Und er kostet deutsche Gesellschaften viel Geld. Viele Unternehmen suchen schon lange nicht mehr nur national nach geeigneten Bewerbern. Die Politik diskutiert über erleichterte Zuwanderungsregelungen für Hochqualifizierte aus dem nichteuropäischen Ausland. Bevor der ausländische Bewerber in Deutschland arbeiten darf, ist aber einiges zu beachten.
Frau M ist eine gut ausgebildete Verfahrenstechnikerin aus Ungarn. Sie hat ihren Wunscharbeitsplatz gefunden und will nun mit einem deutschen Maschinenbauer einen Arbeitsvertrag schließen, der sie an ihren neuen Arbeitsplatz bei Stuttgart führen wird. Bevor sie ihre neue Tätigkeit aufnehmen darf, muss Frau M jedoch ein Arbeitsvisum für Deutschland beantragen.
Eine Arbeitserlaubnis für Deutschland benötigt grundsätzlich jeder, der nicht aus einem der EU- oder EFTA-Staaten oder einem der privilegierten Staaten kommt. Zu dieser Kategorie gehören derzeit Australien, Israel, Japan, Kanada, die Republik Korea, Neuseeland und die USA. Bürger dieser Länder sind aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen grundsätzlich berechtigt, ohne Visum nach Deutschland einzureisen. Sie können anschließend ihren Aufenthaltstitel zu Beschäftigungszwecken im Bundesgebiet direkt bei der zuständigen Ausländerbehörde einholen.
Staatsangehörige der übrigen Staaten wie Frau M müssen sich vor ihrer Einreise an die deutsche Auslandsvertretung in ihrem Heimatland wenden und dort ein Arbeitsvisum beantragen. Das Visum berechtigt nicht nur zur Einreise in das Bundesgebiet, sondern auch zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Die deutschen Behörden stellen ein solches Arbeitsvisum nur dann aus, wenn der ausländische Bewerber bereits ein konkretes Arbeitsplatzangebot durch Vorlage eines Vertrags oder einer Verpflichtungserklärung des künftigen deutschen Arbeitgebers nachweisen kann.
Arbeitsvisum des Heimatlandes
Frau M muss im Rahmen des Antragsverfahrens für ihr Arbeitsvisum neben dem Antragsformular mit ihrem Reisepass und den Passfotos dann ihren Arbeitsvertrag und ihren Lebenslauf mit den entsprechenden Qualifikationsnachweisen vorlegen. Sämtliche Unterlagen werden von der deutschen Botschaft in Ungarn, die den Antrag bearbeitet, an die in Deutschland zuständige Ausländerbehörde und Agentur für Arbeit übermittelt. Die Ausländerbehörde muss dem Visumsantrag zustimmen.
Ob auch die Agentur für Arbeit zustimmen muss, entscheidet sich nach der Art der Beschäftigung. Einem Ausländer kann die Aufnahme seiner Tätigkeit in der Regel auch ohne vorherige Zustimmung der Agentur für Arbeit gestattet werden, wenn er zu der Gruppe der Hochqualifizierten oder der Führungskräfte gezählt werden kann.
Hochqualifizierte sind Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung und einem Gehalt in Höhe von mindestens der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung, derzeit 66.000 Euro. Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion über die Erleichterung der Zuwanderungsregelungen für Hochqualifizierte wird überlegt, diese Einkommensgrenze zu senken.
Zustimmung der Agentur für Arbeit für Nicht-Hochqualifizierte
Frau M bringt als Ingenieurin zwar eine sehr gute Qualifikation mit, ihr Einstiegsgehalt soll jedoch nicht mehr als 55.000 Euro betragen. Ihre beabsichtigte Erwerbstätigkeit ist daher grundsätzlich zustimmungspflichtig.
Die Agentur für Arbeit wird ihre Zustimmung in der Regel nur erteilen, wenn die Beschäftigung in eine der vorgegebenen Kategorien der Beschäftigungsverordnung fällt. Sie darf sich außerdem nicht nachteilig auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken und es dürfen keine bevorrechtigten Arbeitnehmer zur Verfügung stehen.
Der ausländische Bewerber darf auch nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden. Diese umfassende Prüfung dauert in der Regel mindestens vier Wochen.
Das Ende der Beschränkungen für die osteuropäischen Beitrittstaaten
Ob der Gesetzgeber tatsächlich die Zuwanderungsregelungen für Hochqualifizierte und Fachkräfte lockern wird, bleibt abzuwarten. Ab Mai 2011 fallen die derzeit noch geltenden Beschränkungen für die Beschäftigung von Staatsangehörigen der osteuropäischen Beitrittsstaaten von 2004 gänzlich weg. Das betrifft Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakische Republik, Tschechische Republik und Ungarn.
Danach wird die Politik vermutlich abwarten, welche Auswirkungen dieser dann geltende freie Arbeitsmarktzugang für Deutschland mit sich bringt, bevor sie Änderungen an den derzeitigen Zuwanderungsregelungen beschließt.
Frau M steht als Ungarin nun vor der Frage, ob sie jetzt in Ungarn ihren Antrag stellt oder Mai 2011 abwartet. Das wird sie mit ihrem künftigen Arbeitgeber absprechen, als spezialisierte Ingenieurin hat sie aber jetzt schon gute Erfolgschancen. Auch für alle anderen Arbeitgeber und Bewerber gilt, dass sie sich möglichst früh umfassend über die spezifischen Voraussetzungen der Erteilung eines Arbeitsvisums informieren und das Antragsverfahren rechtzeitig starten sollten.
Der Autor Dr. Gregor Dornbusch ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Baker & McKenzie in Frankfurt am Main). Die Autorin Lara Link ist Rechtsanwältin bei Baker & McKenzie ebendort.
Gregor Dornbusch und Lara Link, Fachkräftemangel: . In: Legal Tribune Online, 02.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1832 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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