Bisher wurden staatliche Rüstungsaufträge und sicherheitsrelevante Aufträge mit Vorliebe an einheimische Hersteller vergeben. Die EU will für mehr Wettbewerb sorgen und verlangt eine europaweite Ausschreibung der Aufträge. Auch Deutschland setzt die Richtlinie nun weitgehend – wenn auch verspätet - um. Ob sich der Rüstungsmarkt durch die Vorgaben aus Brüssel liberalisieren lässt, weiß Valeska Pfarr.
Beschaffungen mit Sicherheitsrelevanz oder zu militärischen Zwecken galten bislang oft als so sensibel, dass öffentliche Aufträge nicht förmlich europaweit ausgeschrieben wurden. Mit einer Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV), die unmittelbar bevorsteht, soll sich das ändern.
Hintergrund sind europäische Vorgaben zum Schutz des Binnenmarktwettbewerbs. Die EU will die Konkurrenzfähigkeit europäischer Produkte im internationalen Wettbewerb sichern. Dazu will sie Wettbewerbsbeschränkungen auf dem europäischen Markt abbauen, der bislang von einem Protektionismus der Mitgliedstaaten geprägt ist. Strenge Vergaberegeln erleichtern es der öffentlichen Hand nämlich, europaweite Vergabeverfahren zu vermeiden. Dazu musste sie sich nur auf schützenswerte Sicherheitsinteressen berufen.
Pauschal begründete Ausnahmen sollen zukünftig aber der Vergangenheit angehören. Die EU-Richtlinie 2009/81/EG enthält deshalb besondere Verfahrensregeln, die Sicherheitsinteressen mit flexiblem Wettbewerb in Einklang bringen sollen. Deutschland hat die Umsetzungsfrist am 21. August 2011 allerdings zunächst ergebnislos verstreichen lassen.
Zögerliche Umsetzung in Deutschland
Erst am 14. Dezember 2011 wurde das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geändert. Der Gesetzgeber setzte damit immerhin einen Teil der Vorgaben aus Brüssel um. Das GWB legt nun fest, wann die Vergabe von öffentlichen Aufträgen die Bereiche Verteidigung und Sicherheit berührt und deswegen bei der Vergabe grundsätzlich besondere Verfahrensvorschriften zu befolgen sind.
Die Änderung der VgV markiert einen weiteren Meilenstein. Sie setzt die neue Fassung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in Kraft.
Auf nicht absehbare Zeit offen ist hingegen, wann die Bestimmungen zur Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen im Bereich der Waren- und Dienstleistungen umgesetzt werden. Dort bleibt es bis auf weiteres bei einer "Hybridlösung": Einer Mischung aus deutschem Recht und unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Richtlinie.
Trotz der zögerlichen Umsetzung gilt: Das EU-Vergaberecht erfasst seit August letzten Jahres grundsätzlich auch alle Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge, die eine bestimmte Relevanz für Sicherheit und Verteidigung haben, wenn also die Leistungen militärischen Zwecken dienen oder im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags beschafft werden sollen. Grundsätzlich kann sich ein Mitgliedstaat natürlich nach wie vor auf den Schutz seiner Sicherheitsinteressen berufen und eine öffentliche Ausschreibung verhindern. Die öffentliche Hand muss nun aber sehr viel detaillierter darlegen, dass und warum selbst die speziellen Vergaberechtsbestimmungen für Verteidigung und Sicherheit nicht ausreichen, um dieses Sicherheitsinteresse zu schützen.
Verbesserte Geheimhaltung für mehr Wettbewerb
Das überarbeitete Vergaberecht soll nämlich auch die Belange der Informationssicherheit und der Versorgungssicherheit besser schützen, als dies in "regulären" Vergabeverfahren der Fall ist. Die Neuregelung sieht nicht das "Offene Verfahren" - also die formstrengste Verfahrensart - vor, sondern das "Nicht Offene Verfahren" und das "Verhandlungsverfahren" sowie den "Wettbewerblichen Dialog".
Außerdem werden die Anforderungen an die Prüfung der Bietereignung und die Angebotswertung reformiert. Auch das Vergabenachprüfungsverfahren trägt Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen besonders Rechnung, wie etwa bei der Besetzung der Vergabekammern oder der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung eines Nachprüfungsantrags verlängert wird.
Insgesamt zielen die Verfahrensregelungen darauf ab, spezifische Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen des Auftraggebers auch im Vergabewettbewerb zu schüt-zen, um so die Akzeptanz für Vergabeverfahren zu erhöhen.
Zukünftig dürfte es bei der Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen deshalb schwerer werden, auf das förmliche europaweite Vergabeverfahren zu verzichten. Ob sich dadurch der Markt für Beschaffungen im Bereich der verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Leistungen dadurch liberalisieren lässt, hängt nicht zuletzt aber auch davon ab, in welchem Umfang die betroffenen Unternehmen ihre Rechte einfordern.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE ist Rechtsanwältin für öffentliches Wirtschaftsrecht in Stuttgart. Im Schwerpunkt berät sie die öffentliche Hand und private Unternehmen auf dem Gebiet des Vergaberechts.
Valeska Pfarr, Vergabe von Rüstungsaufträgen: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5819 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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