EuGH zur Verteilung von Flüchtlingen: Unge­recht – aber für wen?

von Tanja Podolski

06.09.2017

Der EuGH hat die Klagen der Slowakei und Ungarns gegen die Regelung zur Verteilung von Flüchtlingen abgewiesen, die Mitgliedstaaten müssten in Notlagen reagieren können. Der slowakische Regierungschef sprach von einem "ungerechten" Urteil.

Der Beschluss der Europäischen Union (EU), wonach eine bestimmte Anzahl Asylbewerber innerhalb der EU verteilt werden soll, ist rechtmäßig. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (Urt. v. 06.09.2017, Az. C-643/15 u. C-647/15). Mit der Entscheidung folgt das Gericht den Schlussanträgen des Generalanwaltes Yves Bot vom Juli.

Die Slowakei und Ungarn hatten gegen einen Beschluss geklagt, den der Rat der EU im Sommer 2015 gefasst hatte. Dieser sieht vor, dass 120.000 Menschen, die unzweifelhaft internationalen Schutz benötigen, über einen Zeitraum von zwei Jahren aus Italien und Griechenland in die anderen Mitgliedstaaten der Union umgesiedelt werden. Mit dieser Regelung sollten die beiden Mittelmeer-Länder bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms unterstützt werden. Die Regelung ist zeitlich vom 25. September 2015 bis zum 26. September 2017 begrenzt. Bereits kurz zuvor hatte der Rat eine Regelung zur Umsiedelung von 40.000 Menschen beschlossen.

Drei gegen viele

Die Slowakei und Ungarn sowie die Tschechische Republik und Rumänien hatten gegen die Regelung gestimmt, Finnland hatte sich der Stimme enthalten, die anderen 23 Mitgliedstaaten hatten sich für dieses Vorgehen ausgesprochen.

Die Slowakei und Ungarn klagten daraufhin gegen den Beschluss. Er sei für nichtig zu erklären, da er verfahrensfehlerhaft sei, auf eine ungeeigneten Rechtsgrundlage beruhe und als Reaktion auf die Flüchtlingsströme weder geeignet noch erforderlich sei. Außerdem habe der Rat nach dem Erlass weitere wesentliche Änderungen an dem Beschluss vorgenommen, sodass erneut hätte abgestimmt

werden müssen.
Polen ist dem Rechtsstreit beigetreten, während Belgien, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und die Kommission als Streithelfer zur Unterstützung des Rates beitraten.

Regelung ist kein Gesetz

Der EuGH wies die Klage umfassend ab. Die Richter erklärten, in dieser Situation sei kein Gesetzgebungsverfahren notwendig gewesen. Entscheidend sei die Regelung aus Art. 78 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Danach könne der Rat auf Vorschlag der Kommission durchaus vorläufige Maßnahmen erlassen, um Mitgliedstaaten bei einem plötzlichen Zustrom von Drittstaatsangehörigen zu helfen.

Diese Regelung enthalte aber keinen Verweis auf ein Gesetzgebungsverfahren – und nur dann sei ein solches auch erforderlich. Der Beschluss habe daher schlichtweg keinen Gesetzescharakter. Es habe weder der Beteiligung der nationalen Parlamente noch der Einhaltung des Öffentlichkeitsgebots bedurft.

Die beschlossenen Maßnahmen dürften auch von Gesetzgebungsakten abweichen – hier der Regelung aus den Dublin-Verordnungen -, wenn sie hinsichtlich ihres sachlichen und zeitlichen Geltungsbereichs begrenzt sind und weder bezwecken noch bewirken, dass solche Rechtsakte dauerhaft ersetzt oder geändert werden. Letzteres sei durch die zeitliche Begrenzung zweifellos gegeben.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, EuGH zur Verteilung von Flüchtlingen: . In: Legal Tribune Online, 06.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24349 (abgerufen am: 02.11.2024 )

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