Wem ein Konto gehört, ist nicht leicht zu erfahren. Auch nicht, um den Hersteller eines Parfüm-Plagiats zu ermitteln. Der EuGH gab den nationalen Gerichten nun weniger Hilfestellung, als erhofft, sagen Thomas Weimann und Daniel Nagel.
Beschäftigt hat das Plagiat zunächst die Coty Germany GmbH. Auf eBay war ein Parfüm "Hot Water" angeboten worden, das allerdings nicht zu dem von ihr für Davidoff exklusiv vertriebenen Bestand gehörte. Problematisch war nur, wie so häufig bei nicht ganz regelkonformen Angeboten im Internet, dass niemand dafür verantwortlich sein wollte, insbesondere nicht die als Verkäuferin angegebene Person.
Geld verdienen wollte damit dann aber doch jemand – und hatte das bis zu diesem Zeitpunkt auch schon in einem nicht unbeachtlichen Umfang getan. Deshalb kam Coty Germany auf die Idee, bei der städtischen Sparkasse nachzufragen, wem das Konto, auf das die Überweisungen erfolgten, denn gehöre. Dort berief man sich auf das - in Zeiten des Ankaufs von Steuersünder-CDs etwas in Vergessenheit geratene - Bankgeheimnis und verweigerte die Auskunft.
Landgericht: Bankgeheimnis gilt nicht gegenüber Dritten
Die Coty Germany klagte daher auf Auskunft gemäß § 19 Markengesetz (MarkenG). Das Landgericht (LG) zeigte sich in Anbetracht der schlechten Fälschung humorlos und erklärte, die Sparkasse sei zur Herausgabe der Daten verpflichtet. Interessant war dabei insbesondere die Feststellung des LG, dass das Bankgeheimnis nur zwischen Bank und Kontoinhaber, nicht aber, so wörtlich, "gegenüber Dritten" wirke.
All diejenigen, die sich hiernach auf den endgültigen Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses gefreut hatten, belehrte das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) in der Berufungsinstanz eines Besseren. Nach § 19 Absatz 2 MarkenG muss keine Auskunft gegeben werden, wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 383 bis 385 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegt. Das OLG stellte fest, es handele sich beim Bankgeheimnis zwar um eine rein vertragliche Verpflichtung, die kein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht begründen könne; die Rechtsprechung zum Zeugnisverweigerungsrecht für Notare sei aber auch auf Banken übertragbar.
OLG: Keine Auskunft bei Vermögensvorteilen einzelner
Somit kam das OLG Naumburg zum Ergebnis, dass die Sparkasse die Auskunft verweigern durfte. Die richtlinienkonforme Auslegung § 19 MarkenG dient der Umsetzung der Enforcement Richtlinie (RiLi)2004/48/EG, insbesondere von Artikel 8 dieser RiLi – diese Erklärung lieferte das OLG gleich mit: Der Schutz vertraulicher Informationsquellen sei in der RiLi wiederholt abgebildet, weshalb "Unbeteiligte zum Vorteil von Vermögensinteressen einzelner" nicht "Opfer von staatlichem Zugriff" werden sollten.
Nachdem Coty Germany die europarechtliche Expertise des OLG anzweifelte, legte der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor (Rechtssache C-580/13, Coty Germany GmbH gegen Stadtsparkasse Magdeburg). Von Generalanwalt Cruz Villalón angeregt diskutierte der EuGH die Frage der Auslegung von Art. 8 der RiLi auf der Ebene der Vereinbarkeit verschiedener Grundrechte: auf der einen Seite stehe das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verbunden mit dem Recht des geistigen Eigentums und auf der anderen das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten. In diesem Lichte sei § 19 MarkenG isoliert betrachtet durch die unbegrenzt und bedingungslos gefasste Möglichkeit einer Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht nicht mit der RiLi vereinbar, da dem Recht auf geistiges Eigentum nicht ausreichend Rechnung getragen würde.
EuGH spielt Ball zurück an die nationalen Gerichte
Bei dieser Feststellung beließ es der EuGH dann aber auch schon und spielte den Ball an die nationalen Gerichte zurück. Es sei deren Aufgabe, festzustellen, ob nicht andere nationale Rechtsmittel bestünden, die im Einzelfall eine Auskunftserteilung bewirken könnten. Nun bleibt abzuwarten, ob der fehlende Rechtsschutz über eine Hilfskonstruktion – wie etwa § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – von den nationalen Gerichten wiederhergestellt wird. Die hätten sich sicherlich eine dahingehende Hilfestellung vom EuGH gewünscht, wie im Einzelfall die Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechten zu erfolgen hat.
Wann das Datenschutzrecht Auskunftsansprüche zu Fall bringen kann, hat deutsche Gerichte in der Vergangenheit schon mehrfach beschäftigt, zum Beispiel bei der Frage, inwieweit ein Gesellschafter einen Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft hinsichtlich Namen und Anschriften der anderen Gesellschafter geltend machen kann. Dieser Anspruch wurde vom BGH regelmäßig unter nur knapper Behandlung datenschutzrechtlicher Fragen bejaht (vgl. zuletzt etwa Urt. v. 16.12.2014, Az: II ZR 277/13). In der Regel verwies der BGH auf § 28 Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der eine Übermittlung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung des Betroffenen zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke erlaubt.
Wenn man die Frage des Bankgeheimnisses mit dem EuGH auf das Datenschutzrecht zurückführt, könnte eine ähnliche Abwägung erfolgen. Eine Auskunftserteilung an Coty Germany als eigene Geschäftszwecke der Bank zu fassen, wäre wohl etwas gewagt. Denkbar wäre aber eine Übermittlung für andere Zwecke nach § 28 Absatz 2 BDSG, der dann wiederum eine Abwägung mit den Interessen des Betroffenen erfordert. Ob sich bei dieser Abwägung das zweifelhafte Geschäftsmodell des Betroffenen gegen die Interessen des Inhabers von Markenrechten durchsetzt, kann bezweifelt werden.
Auszuschließen ist schließlich ebenfalls nicht, dass sich auch der Gesetzgeber veranlasst sieht, bei § 19 MarkenG klarstellend einzugreifen. Auch nach dieser grundsätzlichen, aber vorsichtigen Stärkung des Auskunftsanspruchs durch den EuGH bleibt es also weiterhin spannend.
Der Autor Dr. Thomas Weimann ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner in der Stuttgarter Kanzlei BRP Renaud und Partner mbB. Der Autor Daniel Nagel ist Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht und Rechtsanwalt bei BRP Renaud und Partner mbB am Standort Stuttgart. Beide beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit IT-Recht, Datenschutzrecht, AGB-Gestaltung und internationalem Recht und sind Verfasser diverser Veröffentlichungen auf diesen Gebieten.
Daniel Nagel und Thomas Weimann, EuGH zu Parfum-Plagiat: . In: Legal Tribune Online, 17.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16270 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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