2/2: Konsequenzen für Deutschland
Was bedeutet dies nun für die Rechtslage in Deutschland? Zunächst bedeutet es, dass Deutschland nicht mehr gegen seine Umsetzungspflichten verstößt, wie es seit dem Urteil des BVerfG von 2010 der Fall gewesen ist. Dieser flagrante Verstoß gegen Unionsrecht war durchaus geeignet die Erosion des Rechtsbewusstseins innerhalb der Europäischen Union zu befördern. Das allein zuständige Organ hat dies nun beendet.
Was die weitere innenpolitische Diskussion betrifft, ist den Befürwortern einer zügigen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ein wesentliches Argument aus der Hand geschlagen worden. Es besteht insoweit keine rechtliche Verpflichtung mehr, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen.
Darauf wies auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in seiner ersten Reaktion auf das Urteil zutreffend hin: Es sei eine neue Situation eingetreten und die Grundlage für die Vereinbarung im Koalitionsvertrag entfallen. Es bestehe kein Grund mehr, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das weitere Verfahren und die Konsequenzen sollen nach Ansicht des Ministers ergebnisoffen besprochen werden. Demgegenüber erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), die Bundesregierung halte an einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung fest.
Beitrag zur Demokratisierung der EU
Die Ankündigung des Bundesjustizministers, die Entscheidung des EuGH zum Anlass zu nehmen, in eine Grundsatzdebatte über die Vorratsdatenspeicherung einzutreten, erscheint nachvollziehbar und konsequent. Auch wenn der EuGH die Vorratsdatenspeicherung zumindest im Grundsatz für vereinbar mit den europäischen Grundrechten hält, sollten Schaden und Nutzen einer umfassenden anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten auch in Ansehung des NSA-Skandals und des ewigen Grundkonflikts zwischen Freiheit und Sicherheit nochmals grundsätzlich abgewogen werden.
Denn nicht von allem, was technisch möglich ist und rechtlich (gerade noch) zulässig sein mag, sollte auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden.
Entscheidend ist letztlich der politische Wille, ob man auf eine derart weitreichende Maßnahme zugunsten einer vermeintlich damit erreichbaren Sicherheit zurückgreifen oder im Interesse der Freiheit lieber darauf verzichten möchte. Wenn es insoweit zu einem offenen Meinungsbildungsprozess innerhalb der Mitgliedstaaten unter Einbeziehung der noch im Entstehen begriffenen europäischen Zivilgesellschaft käme, wäre dies zudem ein Beitrag zur Demokratisierung der Europäischen Union.
Der Autor Sören Rößner, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mitgründer der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin, die unter anderem auf das Telekommunikationsrecht, das Medienrecht und das Urheberrecht spezialisiert ist. Zudem fungiert er als Justiziar des Fachverbandes für Rundfunk- und BreitbandKommunikation (FRK).
Sören Rößner, Sensation bei der Vorratsdatenspeicherung: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11599 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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