Generalanwalt sieht Schwerpunkt nicht in der App-Funktion: Uber kann sich nicht auf Dienst­leis­tungs­f­rei­heit berufen

von Prof. Dr. Urs Kramer

11.05.2017

2/2: Uber kontrolliert alle maßgeblichen Parameter

Der von Uber angebotene Dienst erfüllt der Bewertung des Generalanwaltes zu Folge keine dieser beiden Voraussetzungen. Die Fahrer, die im Rahmen der Uber-Plattform Beförderungen durchführten, übten keine eigenständige Tätigkeit aus, die unabhängig von der Plattform Bestand hätte. Diese Tätigkeit gebe es vielmehr nur dank der Plattform, ohne die sie bedeutungslos wäre. Uber kontrolliere auch die wirtschaftlich relevanten Faktoren der im Rahmen der Plattform angebotenen Beförderungsdienstleistung.

Denn Uber lege die Bedingungen für den Zugang der Fahrer zu der Tätigkeit und für deren Ausübung fest, belohne Fahrer, die eine große Zahl von Fahrten durchführten, finanziell und informiere sie über Orte und Tageszeiten, die ihnen voraussichtlich zahlreiche Fahrten oder vorteilhafte Tarife verschafften (was Uber in die Lage versetze, sein Angebot an die Nachfrageschwankungen anzupassen, ohne auf die Fahrer formell Druck auszuüben). Ferner kontrolliere das Unternehmen, wenn auch indirekt, die Qualität der von den Fahrern verrichteten Arbeit, was sogar zum Ausschluss der Fahrer von der Plattform führen könne, und lege schließlich de facto den Preis für den erbrachten Dienst fest. Diese Einschätzung hat in den vergangenen Jahren im Übrigen auch die deutschen Behörden und Gerichte bei ihrer personenbeförderungsrechtlichen Bewertung des Uber-Angebotes maßgeblich geleitet.

Kein bloßer Vermittler, sondern Anbieter der Verkehrsdienste

Alle diese Merkmale schlössen es aus – so der Generalanwalt weiter –, in Uber einen bloßen Vermittler zwischen Fahrern und Fahrgästen und damit einen „elektronischen Dienstleister“ zu sehen. Außerdem stelle im Rahmen des von der Plattform Uber angebotenen gemischten Dienstes die Beförderungsleistung – also der nicht auf elektronischem Weg erbrachte Beförderungsdienst – ohne jeden Zweifel die Hauptleistung dar, die dem Dienst seinen wirtschaftlichen Sinn verleihe. Nur sie werde von den Kunden nachgefragt und – eben elektronisch – bei Uber gebucht.

Die auf elektronischem Weg erbrachte, in der Herstellung des Kontaktes zwischen Fahrgast und Fahrer bestehende Leistung habe daher im Verhältnis zur Beförderungsleistung weder eigenständigen noch zentralen Charakter. Aus diesem Grund könne der von Uber angebotene Dienst nicht als "Dienst der Informationsgesellschaft" eingestuft werden. Es handele sich vielmehr um die Organisation und den Betrieb eines umfassenden Systems des Personennahverkehrs auf Abruf.

Zur Abgrenzung betont der Generalanwalt sodann noch, Uber biete auch keinen Mitfahrdienst an, denn der Zielort werde von den Fahrgästen bestimmt, und die Fahrer erhielten eine Bezahlung, die die bloße Erstattung der entstandenen Kosten bei Weitem übersteige.

Klares Ergebnis und seine Folgen

Aus den genannten Gründen schlägt der Generalanwalt dem EuGH vor, auf die Vorlagefrage des spanischen Handelsgerichts zu antworten, dass der von der Plattform Uber angebotene Dienst als "Verkehrsdienstleistung" zu qualifizieren ist.

Auch wenn der EuGH in seiner rechtlichen Bewertung nicht an die Schlussanträge des Generalanwaltes gebunden ist, folgt er ihnen in der Praxis sehr häufig, zumal im konkreten Fall kaum valide Gegenargumente ersichtlich sind. Das verdeutlicht schon die Perspektive des einzelnen Kunden, der eben eine "Uber-Fahrt" und keinen bloßen "Uber-Kontakt" bucht und nachher auch bezahlt, wobei der Preis zudem von der gefahrenen Strecke und nicht etwa der Dauer der Vermittlung etc. abhängt.

Sollte diese Auslegung daher auch vom Gerichtshof geteilt werden, folgte aus ihr, dass für Uber der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der "Dienste der Informationsgesellschaft" nicht gälte und dass der Dienst somit den Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaates unterläge, in dem er nicht ansässig ist (vgl. Art. 91 I lit. b AEUV). Das wäre im Ausgangsfall konkret das Erfordernis, die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen zu erwerben, und bedeutete für Deutschland die Anwendung der bislang schon für Uber herangezogenen Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes.

Mittelbar würde damit aber auch der im Unionsrecht fest verankerte Grundsatz der Subsidiarität gestärkt, und es obläge wieder eindeutig den Mitgliedstaaten – wie von diesen auch regelmäßig eingefordert –, über die Zulässigkeit von Verkehrsangeboten auf ihren Straßen selbst zu entscheiden. Gleichzeitig würde so auch die Bedeutung des nationalen Personenbeförderungsrechts selbst in Zeiten der Globalisierung unterstrichen.

Der Autor Prof. Dr. Urs Kramer ist Inhaber der Lehrprofessur für Öffentliches Recht und Sprecher des Institutes für Rechtsdidaktik der Universität Passau. Er ist Autor diverser Veröffentlichungen zum Transport- und Personenverkehrsrecht.

Zitiervorschlag

Urs Kramer, Generalanwalt sieht Schwerpunkt nicht in der App-Funktion: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22900 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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