2/2: Generalanwalt: Luxusimage rechtfertigt Plattformverbot
Nach Ansicht von Nils Wahl kommt es auf diese umstrittene Frage, ob ein solches Plattformverbot eine Kernbeschränkung im Sinne der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen, also von einem Kartellverbot freigestellt wäre, eigentlich schon nicht mehr an. Ausweislich der Pressemitteilung des EuGH behandelt der Schwede sie trotzdem und erteilt auch insoweit einer strengen Auslegung eine Absage: Das Verbot des Vertriebs über eine nach außen als Drittplattform erkennbare Plattform stelle weder eine Beschränkung der Kundengruppe noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher dar.
Der Generalanwalt geht aber gar nicht erst von einem Kartellverbot aus. Er bestätigt zunächst, dass es ein bestimmtes Luxus- und Prestigeimage eines Produktes rechtfertigt, ein selektives Vertriebssystem einzurichten, in welchem die Auswahl der Wiederverkäufer von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig gemacht werden kann.
In einem zulässigen selektiven Vertriebssystem können den Wiederverkäufern auch Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise des Weiterverkaufs der Produkte gemacht werden. Zumeist betrifft dies Vorgaben an die Präsentation der Produkte und die Einrichtung der Verkaufsstellen, die dem Luxusimage der Marken angemessen sein sollen. Der Generalanwalt überträgt diese Grundsätze nun zu Recht auf den Verkauf der Produkte im Internet.
Ein Verbot ihres Vertriebs über nach außen erkennbare Drittplattformen sei geeignet, das Luxusimage der Produkte zu wahren. Es gewährleiste, dass die Vertriebsvorgaben an die Präsentation der Produkte und die Verkaufsumgebung auch online umgesetzt würden und verhindere zudem, dass sich Dritte das vom Hersteller und seinen zugelassenen Händlern aufgebaute Markenimage, das regelmäßig erhebliche Investitionen und Anstrengungen erfordert, als "Trittbrettfahrer" zu Nutze machen.
Zugleich weist der Generalanwalt darauf hin, dass es bei der Klausel von Coty nicht darum gehe, den Vertrieb über das Internet vollständig zu untersagen – selbst den Einsatz von Internetplattformen Dritter untersage die Vereinbarung nicht, solange dieser Dritte dem Kunden gegenüber nicht in Erscheinung trete. Die Ausführungen des Generalanwalts scheinen daher – soweit man dies der Pressemitteilung des EuGH entnehmen kann – in sich stimmig und ausgewogen.
Mehr Rechtssicherheit – aber wann ist Luxus Luxus?
Folgt der EuGH den Schlussanträgen, wäre die Frage der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Plattformverboten jedenfalls im Rahmen zulässiger selektiver Vertriebssysteme höchstrichterlich und europaweit geklärt, für die Unternehmen würde das insoweit Rechtssicherheit bedeuten.
Markenhersteller würden vermutlich dann noch stärker bestrebt sein, ihren Vertrieb nach Möglichkeit als selektives Vertriebssystem auszugestalten.
Das allerdings bereitet den Boden für künftige Streitigkeiten: Der Generalanwalt betont, dass die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems nur dann gerechtfertigt ist, wenn der selektive Vertrieb gerade aufgrund der Natur des fraglichen Erzeugnisses einschließlich des Prestigeimages zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs erforderlich ist. Fällt ein Luxusparfum hierunter? Wohl ja. Wie aber ist es mit Turnschuhen? Können Rucksäcke Luxus sein? Oder Bekleidung? Es bleibt spannend.
Der Autor Dr. Christoph Naendrup, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner bei CBH Rechtsan-wälte in Köln. Schwerpunkte seiner Beratung liegen im Kartell- sowie im Handels- und Ver-triebsrecht.
Generalanwalt billigt Plattformverbote im selektiven Vertrieb: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23637 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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