2/2: Neutrale Kleiderordnung als mittelbare Diskriminierung
Dabei hatte unlängst die deutsche Kollegin von Sharpston, Generalanwältin Juliane Kokott, just diese Frage nach der Zulässigkeit neutraler Kleiderordnung bereits kommentiert. In jenem Schlussantrag erachtete Kokott ein Kopftuchverbot ausdrücklich als zulässig. Jedenfalls dann, wenn die Kleiderordnung wie in dem belgischen Unternehmen auf eine allgemeine Betriebsregelung stützt. Die Mitarbeiterin sei dann nicht "aufgrund ihrer Religion" diskriminiert, wenn das Unternehmen insgesamt religiöse Neutralität herstellen will.
Auch in Deutschland haben sich die Gerichte bereits vielfach mit dem Kopftuchverbot am Arbeitsplatz auseinandergesetzt. Erst vor wenigen Wochen hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit einer Entscheidung für Schlagzeilen gesorgt: Die Richter gaben einer muslimischen Rechtsreferendarin Recht, die sich gegen die Anordnung des Freistaats Bayerns zur Wehr gesetzt hat, während ihrer juristischen Ausbildung, etwa beim Sitzungsdienst für die Staatsanwaltschaft, das Kopftuch abzunehmen.
Während das Bundesverfassungsgericht 2015 ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte als Verletzung der Religionsfreiheit gewertet hat, hatte das Arbeitsgericht Berlin erst im April 2016 ein Kopftuchverbot für Berliner Lehrerinnen abgesegnet.
Zwei EuGH-Urteile zu Kopftuchverbot in Privatwirtschaft erwartet
Die Rechtsstreitigkeiten in Deutschland spielten sich im öffentlichen Dienst ab. Hier ist der Staat selbst Dienstherr - und der ist im besonderen Maße zur religiösen Neutralität verpflichtet. Die Fälle aus Frankreich und Belgien betreffen jeweils eine Kleiderordnung in privaten Unternehmen.
Die beiden Generalanwältinnen zielen dabei in ihren Schlussanträgen in verschiedene Richtungen. Der EuGH hat die Tendenz, den Schlussanträgen zu folgen. Im Herbst könnten also durchaus zwei differenzierte Entscheidungen zum Thema Kopftuch aus Luxemburg zu erwarten sein.
Die Autorin Dr. Sabrina Fasholz ist Anwältin in der Kanzlei für Arbeitsrecht vangard in Hamburg.