Der EuGH stärkt Testanbietern den Rücken: Verbraucherfehlinformationen durch unautorisierte Nutzung einer Marke können diese verhindern, sofern ihre Marken bekannt genug sind. Carsten Menebröcker und Alexander Stief zum aktuellen Urteil.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich am Donnerstag in der Rechtssache C-690/17 zu den Vorlagefragen des OLG Düsseldorf geäußert (Urt. v. 11.04.2019). Dabei geht es im Wesentlichen darum, unter welchen Voraussetzungen Testanbieter wie der klagende Öko-Test-Verlag Warenherstellern die Nutzung ihrer Marke untersagen können.
Geklagt hatte der Verlag als Markeninhaberingegen die Dr. Rudolf Liebe Nachf. GmbH & Co. KG als Herstellerin einer Zahnpasta. Öko-Test gibt das gleichnamige Magazin heraus und führt dazu Waren- und Dienstleistungstests durch. Der Verlag ist Inhaberin eingetragener Marken an dem bekannten "Öko-Test"-Testsiegel. Diese Marken genießen unter anderem Schutz für "Verbraucherinformation und -beratung bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen, insbesondere unter Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen sowie mittels Qualitätsurteilen".
Keinen Schutz genießen die Marken aber für "Zahnpasta", was letztlich zu erheblichen Fragestellungen in diesem Rechtsstreit führte. Denn in einem 2005 veröffentlichten Warentest wurde eine Zahnpasta des Herstellers von Öko-Test mit "sehr gut" bewertet. Testet die Klägerin ein Produkt eines Unternehmens, erlaubt sie diesem in der Regel anschließend vertraglich die Werbung mit dem Testsiegel für eine bestimmte Zeit. Dieser Vertrag endete 2008. Dennoch warb der beklagte Zahnpastahersteller 2014 auf der Verpackung eines seiner Produkte mit dem Siegel der Öko-Test und dem Testurteil "sehr gut", ohne dass der Testanbieter dem zugestimmt hätte.
LG Düsseldorf: Verwechslungsgefahr mit Originalsiegel gegeben
Das Landgericht (LG) Düsseldorf war noch der Ansicht, dass der Zahnpastahersteller durch die Benutzung des Testsiegels ein im Vergleich zur Klagemarke hochgradig ähnliches Zeichen (es gab nur minimale Abweichungen im Design) zum Hinweis auf den Test der Klägerin benutzt habe. Dadurch habe der Zahnpastahersteller das Testsiegel zur Bewerbung von Testergebnissen und zur Verbraucherinformation – also nicht für Zahnpasta, was möglicherweise näher gelegen hätte – benutzt und somit in den Schutzbereich der Marke der Klägerin durch- Hervorrufen von Verwechslungsgefahr eingegriffen.
Daraufhin musste sich das OLG Düsseldorf mit dem Fall befassen. Dabei stellten die Richter fest, dass von Testsiegeln eine ähnliche Wirkung ausgehen könne wie von Qualitätssiegeln, auch wenn tatsächlich Unterschiede bestünden. Die Rechtsprechung ging bisher allerdings im Bereich der Verwendung von Qualitätssiegeln davon aus, dass diese für die gekennzeichnete Ware, auf der sie angebracht werden, benutzt würden – und eben nicht als Hinweis auf die Dienstleistung des das Qualitätssiegel verleihenden Unternehmens (vgl. bspw. EuGH, Urt.v. 8.6.2017, Az. C-689/15, Gözze/VBB).
Folgt man dieser Rechtsprechung, führt die Annahme, dass das Siegel nur für die gekennzeichnete Ware "Zahnpasta" benutzt würde, zur Aufhebung der Entscheidung des LG Düsseldorf und zur Abweisung der Klage, da Öko-Tests Marke für diese Ware keinen Schutz beansprucht (s. o). Anders wäre es nur dann, wenn Öko-Test sich auf den erweiterten Schutz bekannter Marken berufen könnte. Dieser Schutz setztvoraus, dass das Testsiegel als Markebekannt ist und nicht nur als Testsiegel.
OLG Düsseldorf zweifelt und legt dem EuGH vor
Die OLG-Richter vermochten vor dem Hintergrund der Gözze/VBB-Entscheidung des EuGHaber nun nicht zweifelsfrei entscheiden, ob sich die Nutzung des Öko-Test-Siegels durch den Zahnpastahersteller nun auf die Ware "Zahnpasta" oder die Dienstleistung des klagenden Verlags bezog.
Zur Erinnerung: Der EuGH ging in jener Entscheidung davon aus, dass eine Benutzung des Qualitätssiegels allein für die Ware, auf dem es aufgebracht sei, vorliege. Demnach hätte der Zahnpastahersteller das Testsiegel allenfalls für die getesteten Waren benutzt, auf denen es von Dritten mit deren Zustimmung angebracht worden ist, aber eben nicht für die Dienstleistungen wie zum Beispiel Verbraucherinformation, für die die Öko-Test-Marke Schutz beansprucht. Bekanntheit als Marke für eben diese Dienstleistungen würde das Siegel daher nicht erlangt haben.
Vor diesem Hintergrund legte das OLG dem EuGH – etwas verkürzt dargestellt – zwei Fragen zur Entscheidung vor (Beschl. v. 30.11.2017, Az. I-20 U 152/16):
1. Liegt eine rechtsverletzende Benutzung einer Marke vor, wenn (1) die Marke auf einer Ware angebracht ist, (2) als Testsiegel verstanden und mit Note dargestellt wird und (3) für Dienstleistungen rund um Verbraucherinformation eingetragen ist?
2. Stellt es eine rechtsverletzende Benutzung nach dem Bekanntheitsschutz dar, wenn (1) die Individualmarke nur als Testsiegel bekannt ist und (2) die Individualmarke vom Dritten als Testsiegel verwendet wird?
EuGH-Generalanwalt: Künstliche Unterscheidung zwischen Bekanntheit als Marke respektive Siegel
Der Generalanwalt am EuGH ging in seinen Schlussanträgen zum Fall davon aus, dass der Zahnpastahersteller die Marke zum einen zur Steigerung der Attraktivität der eigenen Zahnpasta mittels Testsiegels und zum anderen als Hinweis auf die von Öko-Test angebotenen Dienstleistungen benutzte.
Er schlug daher vor, auf die erste Vorlagefrage mit "Ja, es ist eine Verletzung" zu antworten. Sollte der EuGH die erste Frage indes mit "Nein" beantworten, schlug der Generalanwalt vor, wenigstens die zweite Frage – im Wesentlichen – mit "Ja" zu beantworten. Er führte nämlich aus, dass er die vom OLG vermuteten Probleme zu der Bekanntheit der Marke nicht sehe, da eine Benutzung des Testsiegels als Hinweis auf die von Öko-Test angebotenen Dienstleistungen gegeben sei. Die Unterscheidung zwischen der Bekanntheit als Marke oder als Testsiegel war seiner Ansicht nach künstlich.
EuGH: Bekanntheit der Marke ist beim Testsiegel essenziell
Der EuGH hat die Vorlagefragen am Donnerstag wie folgt beantwortet:
Auf die erste Vorlagefrage antwortete der EuGH, dass keine Rechtsverletzung vorliege. Nach seiner Auffassung liegt in der Benutzung des Testsiegels eine Benutzung für Zahnpasta und nicht für die Dienstleistungen, für die die Marke Schutz genießt, vor. Damit schreibt der EuGH seine durch die Gözze/VBB-Entscheidung angelegte Rechtsprechung konsequent fort und erteiltder Ansicht des LG eine Absage, das sich noch für eine Benutzung des Testsiegels für die Dienstleistungen von Öko-Test ausgesprochen hatte.
Mit der Antwort auf die zweite Frage stärkte der EuGH die Position der Markeninhaber, deren Testsiegel Bekanntheit erlangt haben. Die Stärkung der Position liegt insbesondere darin, dass es ausreichen soll, dass ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums das Zeichen – also das Siegel – kennt. Dagegen muss dem Publikum nicht bekannt sein, dass das Siegel als Marke eingetragen ist.
Mit diesem Urteil hat der EuGH den Grenzen und Möglichkeiten der markenrechtlichen Ansprüche aus Testsiegeln einen festeren Rahmen gegeben. Für Unternehmen, die Zeichen als Test- beziehungsweise Qualitätssiegel lizenzieren wollen, ist es ratsam, entsprechende Gewährleistungsmarken anzumelden.
Dr. Carsten Menebröcker ist Partner, Dr. Alexander Stief ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Sie sind auf die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung von Schutzrechten inklusive deren gemeinschaftsrechtlicher ("cross-border-litigation") Bezüge insbesondere im Marken- und Wettbewerbsrecht sowie Designrechten spezialisiert und arbeiten am Kölner Standort der Kanzlei.
EuGH zum Markenrecht für Öko-Test & Co.: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34887 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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