EU-Parlament beschließt Portabilitätsverordnung: Der Anfang vom Ende des Geo­b­lo­ckings?

von Dr. Philipp Roos

19.05.2017

2/2: "Vorübergehender Aufenthalt"

Bereits am Kommissionsvorschlag aus Dezember 2015 wurde kritisiert, dass dieser nicht eindeutig festzulegen vermochte, was unter einem "vorübergehenden Aufenthalt" zu verstehen ist. Trotz der Kritik wurde an dem Begriff festgehalten und lediglich klargestellt, dass der Aufenthalt nicht dauerhaft sein darf (Art. 2 lit. c, d). Klar ist nach Verabschiedung der Verordnung nur, dass sowohl Privat- und Geschäftsreisen als auch ein ERASMUS-Semester an einer europäischen Hochschule als "vorübergehender Aufenthalt" gelten sollen – diese Beispiele finden sich in den Erwägungsgründen.

Eine zeitliche Höchstgrenze benennt die Verordnung nicht. Anbieter von Onlinediensten stellt dies vor das Dilemma, dass sie sich im Falle einer unberechtigten Sperrung eines Abonnenten diesem gegenüber schadensersatzpflichtig machen können. Zugleich müssen sie aber ihre Pflichten gegenüber den Lizenzgebern erfüllen und gegen Missbrauch vorgehen. Hier empfehlen sich Vereinbarungen im Rahmen künftiger Lizenzverträge. Absehbar erscheint bereits, dass sich der EuGH mit der Konkretisierung des Begriffs wird befassen müssen.

Prüfpflichten für Anbieter

Um den Missbrauch der Rechte aus der Portabilitätsverordnung durch die Nutzer zu verhindern, kommen auf die Anbieter zukünftig Prüfpflichten zu. Nach Art. 3a Abs. 1 der Verordnung müssen sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und bei einer Vertragsverlängerung das Wohnsitzland des Nutzers kontrollieren. Die Verordnung nennt beispielhaft einige Kriterien wie den Personalausweis, die Bankverbindung oder eine Betriebskostenabrechnung, anhand derer die Prüfung erfolgen darf. Ebenfalls möglich sind die Nutzung der Postanschrift oder der IP-Adresse des Abonnenten. Die IP-Adresse darf aber nur dann erhoben werden, wenn die Postanschrift in keinem öffentlichen Register zu finden ist.

Im Gegensatz zu einer früheren Entwurfsfassung der Verordnung sind die Anbieter nunmehr darauf beschränkt, maximal zwei dieser Kriterien einzusetzen. Damit wurde datenschutzrechtlichen Bedenken Rechnung getragen und einer unbegrenzten Datenerhebung ein Riegel vorgeschoben.

Sofern berechtigte Zweifel am Wohnsitzland des Abonennten entstehen, kann die Überprüfung wiederholt werden (Art. 3a Abs. 2). Der Anbieter ist in diesem Fall berechtigt, zunächst erneut Informationen vom Abonnenten anzufordern und ihm im Falle der Nichtübermittlung die grenzüberschreitende Nutzbarkeit zu versagen.

Ab wann gilt die Verordnung?

Wirkung entfaltet die Verordnung neun Monate nach ihrem Inkrafttreten durch die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt. Daher kommen Abonnenten ab dem Frühjahr 2018 in den Genuss, ihre Onlinedienste über Landesgrenzen hinweg nutzen zu können. Aufgrund der Rechtsnatur als Verordnung bedarf es auch keiner weiteren Umsetzungsakte der Mitgliedstaaten, wie dies etwa bei EU-Richtlinien der Fall ist.

Die Verabschiedung der Portabilitätsverordnung ist aus Sicht der Nutzer erfreulich und begrüßenswert. Sie stellt einen ersten – kleinen – Schritt in Richtung eines europäischen, modernen Urheberrechts dar. Für die Anbieter entsprechender Plattformen enthält sie aufgrund des kurzen Umsetzungszeitraums den Auftrag, schnell rechtskonforme Lösungen in rechtlicher und technischer Sicht zu erarbeiten. Internationalen Lizenzgebern wie amerikanischen Filmstudios dürfte die Verordnung dagegen missfallen, da das für sie wirtschaftlich wichtige Territorialitätsprinzip zumindest berührt wird. Ob und welchen Einfluss dieser Umstand auf zukünftige Lizenzverhandlungen nehmen wird, bleibt dagegen abzuwarten.

Der Autor Dr. Philipp Roos ist Assessor. Er promovierte auf dem Gebiet des Urhebervertragsrechts.

Zitiervorschlag

Philipp Roos, EU-Parlament beschließt Portabilitätsverordnung: . In: Legal Tribune Online, 19.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22976 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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