Wenn Arbeitgeber Fridays for Future unterstützen: Erst Kli­ma­st­reik, dann Pegida-Demo?

Gastkommentar von Dr. Stephan Vielmeier und Prof. Dr. Volker Rieble

25.11.2019

Viele Unternehmen wollen Mitarbeitern freigeben, damit sie am Klimastreik teilnehmen können. Dabei droht Managern der Vorwurf der Untreue – und dem Arbeitgeber die Pflicht, auch die nächste Pegida-Demonstration unterstützen zu müssen.

Für den kommenden Freitag haben die Aktivisten von Fridays for Future erneut den "Globalen Klimastreik" ausgerufen. Arbeitskampfrechtlich ist klar: Arbeitnehmer haben kein Recht zur Arbeitsniederlegung, um ohne Zustimmung des Arbeitgebers an einer Demonstration teilzunehmen. Ein politischer Streik bzw. eine Demonstration ist vom Streikrecht nicht umfasst. Allerdings: Klimaschutz ist längst Mainstream und viele Unternehmen geben ihren Mitarbeitern freiwillig frei. Dazu gehören öffentliche Arbeitgeber ebenso wie private, die womöglich eine Gelegenheit zum Greenwashing sehen.

Arbeitsrechtlich ist das riskant, weil der Arbeitgeber das Privatleben der Arbeitnehmer beeinflussen will. Das Privatleben des Arbeitnehmers geht den Arbeitgeber nichts an. Gleichwohl versuchen Arbeitgeber seit jeher übergriffig zu werden und dem Arbeitnehmer ein genehmes Verhalten aufzuzwingen.

In der Vergangenheit interessierten sie sich für das Sexualverhalten der Angestellten und die Teilnahme am Nachtleben. Es gab bunte Blüten wie das Verbot, in der Freizeit Softpornos zu drehen oder einen Swingerclub im Nebenerwerb zu betreiben. Inzwischen interessieren sich Arbeitgeber für die Kommunikation in sozialen Medien, aber auch für einen nachhaltigen Lebenswandel des Arbeitnehmers.

Sonderurlaub für Fahrradfahrer, Demo während der Arbeitszeit

Auch die Methoden der Arbeitgeber ändern sich: Sollte eine Beeinflussung ursprünglich durch "Direktion", also Befehl und Zwang erfolgen, geht es nun um Incentivierung – genehmes Verhalten soll belohnt werden.

Insofern ist die Unterstützung politischer Streikteilnahme bei Fridays for Future kein Einzelfall. Diese Belohnung des – aus welchem Grunde immer – als löblich und förderungswürdig bewerteten Privatverhalten des Arbeitnehmers reiht sich in eine Reihe weiterer umstrittener Beispiele ein. So loben Firmen Sonderurlaub aus für Mitarbeiter, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, auf Flugreisen verzichten oder nicht rauchen. Vielfach ist das Privatverhalten nicht kontrollierbar – weswegen der Arbeitgeber an die Ehrlichkeit appelliert.

Weitere Beispiele sind nur eine Frage der Zeit: Längere Mittagspausen für Veganer? Firmenparkplätze nur noch für (italienische) Kleinwagen? Gehaltserhöhung bei Nachweis von Spenden an Tierheime?

Manager dürfen kein fremdes Geld verschenken

Die bezahlte "Streik"-Freistellung ist finanziell betrachtet ein Verlust. Der Eigentümer darf sich zwar finanziell selbst schädigen. Schon die Existenz eines weiteren Gesellschafters wirft für den anderen Gesellschaftergeschäftsführer aber die Frage nach dem Missbrauch auf; erst recht gilt das für Fremdgeschäftsführer und Vorstände von Kapitalgesellschaften.

Manager und Beamte haben das Vermögen der Eigentümer zu betreuen; sie dürfen kein fremdes Geld verschenken. Jede Aufwendung muss sich als unternehmensnützig erweisen. Die bezahlte Freistellung der Arbeitnehmer für gemeinnützige Zwecke – das gilt etwa auch für pro bono Einsätze angestellter Anwälte – ist nur zulässig, wenn dem Unternehmen daraus ein adäquater Vorteil erwächst. Ein Sonderfall ist die öffentliche Hand. Kommunale Beamte aber auch die Manager von Unternehmen in öffentlicher Eignerschaft sind besonders zur Sparsamkeit verpflichtet. Deswegen ermöglichen die meisten Städte  nur unbezahlte Freizeit.

Managern ist zur Vorsicht zu raten. Ihnen droht persönliche Haftung und in harten Fällen Strafverfolgung wegen Untreue.

Während der Arbeitszeit zur Pegida-Demo?

Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Der Arbeitgeber muss nach dem Arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Arbeitnehmer gleich behandeln, sofern es zur Unterscheidung keinen rechtlich anerkannten Sachgrund gibt.

Die Gleichbehandlungsdimension ist vielseitig: Gibt der Arbeitgeber streikenden Arbeitnehmern frei, muss er auch den anderen Arbeitnehmern während der Streikzeit freigeben. Da den Arbeitgeber das Freizeitverhalten und die politische Meinung seiner Arbeitgeber nichts angeht, darf er beim Verzicht auf die Arbeitsleistung nicht davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer diese im Interesse des Arbeitgebers verbringt. Wenn Verzicht auf die Arbeitsleistung am Freitag, dann für alle Arbeitnehmer.

Schwerer wiegt: Der Arbeitgeber muss dann künftig womöglich auch für andere Demonstrationen Arbeitnehmer freistellen. Das Arbeitgeberverhalten, das sich dem Gleichbehandlungsgrundsatz stellen muss, ist: Freistellung von Arbeitnehmern (bezahlt oder unbezahlt) zur Teilnahme an politischen Demonstrationen. Schon wegen der Meinungsfreiheit und der Parteienfreiheit (samt Verwerfungsmonopol des BVerfG) gibt es für den Arbeitgeber keinen Sachgrund, zwischen dem Inhalt einer erlaubten Demonstration zu unterscheiden, an dem der Arbeitnehmer teilnehmen will. Der Arbeitgeber ist weder Richter des guten Geschmacks noch darf er seine politischen Ansichten dem Arbeitnehmer aufzwingen. Der Einwand, dass der Klimastreik mit anderen Demonstrationen nicht vergleichbar sei (zum Beispiel, weil Art. 20a Grundgesetz, einen Schutzauftrag für natürliche Lebensgrundlagen enthält) ist zwar vertretbar, aber nicht überzeugend – denn Art. 8 Grundgesetz schützt ja bewusst jede Demonstration gleich.

Wohlmeinende klimaschützende Arbeitgeber müssten dann auch Pegida und andere Gruppen mittelbar unterstützen. Sie wären deshalb gut beraten, sich mit der Beeinflussung des Privatlebens ihrer Arbeitnehmer zurückzuhalten.

Im Übrigen sind Demonstrationen glaubwürdiger, wenn sie gegen die Mächtigen gerichtet sind und nicht in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Kräften als selbstvergewisserndes und therapeutisches Ritual stattfinden.

Der Autor Dr. Stephan Vielmeier ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Vielmeier Rieble in München. Er berät Arbeitgeber insbesondere im Kollektiven Arbeitsrecht. Professor Dr. Volker Rieble lehrt Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der LMU und ist Of Counsel der Kanzlei Vielmeier Rieble.

Zitiervorschlag

Wenn Arbeitgeber Fridays for Future unterstützen: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38863 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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