Mit dem Aufruf zu einer Gegendemonstration und zur Verdunklung anliegender Gebäude hatte Düsseldorfs Oberbürgermeister auf eine geplante Kundgebung des Pegida-Ablegers "DÜGIDA" reagiert. Das OVG half den Demonstranten nicht: Die entscheidenden Fragen seien gerichtlich nicht geklärt, und die Zeit bis zur Veranstaltung zu knapp. Das grenzt an Rechtsschutzverweigerung, meint Sebastian Roßner.
Am 12. Januar dieses Jahres wollte der kleine Düsseldorfer Pegida-Ableger "DÜGIDA" erneut gegen eine befürchtete "Islamisierung des Abendlandes" protestieren. Ihren Kölner Mitstreitern war eine Woche zuvor von kirchlicher Seite das Licht abgedreht worden: Der berühmte Dom der Stadt blieb während einer Kundgebung der Demonstranten demonstrativ in Finsternis gehüllt.
Die weltliche Gewalt in der benachbarten nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt mochte da nicht zurückstehen, und forderte in Gestalt des neuen Düsseldorfer Oberbürgermeisters Geisel auf den Internetseiten der Stadt zur Teilnahme an der geplanten Gegenkundgebung auf. Auch sollten örtliche Unternehmen und Geschäftsleute ihre Beleuchtung anlässlich der DÜGIDA-Demonstration abstellen – für die städtischen Gebäude wollte Geisel dies selbst veranlassen.
Eine der Veranstalterinnen der geplanten "DÜGIDA" Demonstration hatte am 9. Januar beim VG Düsseldorf mit dem Antrag Erfolg, den OB im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Aufruf zur Gegenkundgebung von den Internetseiten zu löschen und die übliche Beleuchtung an den öffentlichen Gebäuden nicht abzuschalten (Beschl. v. 9.01.2015, Az. 1 L 54/15). Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legte das Stadtoberhaupt erfolgreich Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster ein (Beschl. v. 12.01.2015, Az. 15 B 45/15).
OVG: Lieber nicht festlegen
Bemerkenswerter als die Entscheidung selbst ist jedoch die Begründung, die das OVG wählt. Der erkennende 15. Senat stellt zunächst klar, dass es sich um einen Fall der Vorwegnahme der Hauptsache handele, und entfaltet dann den Maßstab der Prüfung. Es sei erstens zu prüfen, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren erfolgreich sein werde und zweitens, ob ein Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Es geht also einerseits um eine rechtliche Prognose, andererseits darum, die tatsächlichen Folgen einer Verweigerung des einstweiligen Rechtsschutzes im konkreten Fall abzuschätzen.
Den selbstgestellten Aufgaben wird der Beschluss des OVG nicht gerecht. Zu den Erfolgsaussichten in der Hauptsache verweist der Senat darauf, dass es verfassungs- und verwaltungsgerichtlich noch nicht hinreichend geklärt sei, welche Neutralitätspflichten für einen Bürgermeister bei Aufrufen zu Kundgebungen oder anderen politischen Aktionen gelten und folgert daraus, dass in der Kürze der Zeit eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Obsiegens nicht festgestellt werden könne.
Das OVG mag sich also nicht festlegen. Weder, ob die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren gering, noch ob sie hoch sind, erfahren wir aus der Entscheidung. Diese Entscheidungslosigkeit des Beschlusses wird auch nicht etwa damit begründet, dass der Vortrag der Antragstellerin in irgendeiner Weise unzureichend sei, dass es etwa Lücken im Sachverhalt oder Mängel in der Glaubhaftmachung gebe. Vielmehr reicht dem OVG der Mangel an einschlägigen Präjudizien in Kombination mit der Knappheit der Zeit aus.
Sebastian Roßner, Kein Rechtsschutz für DÜGIDA-Demonstranten: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14592 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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