2/2: Deutscher war, wer sich dagegen entschieden hat
Offen bleibt, ob diejenigen, die sich aufgrund ihrer Optionspflicht bereits für einen Pass entschieden haben und eine ihrer Staatsangehörigkeiten verloren haben, diese nun wiedererlangen können. Wären sie nicht so entscheidungsfreudig gewesen und hätten bislang von ihrer Optionspflicht keinen Gebrauch gemacht, so könnten sie nach der neuen Rechtslage die doppelte Staatsangehörigkeit einfach behalten.
Wo doch normalerweise der frühe Vogel den Wurm fängt, wird er hier bestraft. Denn er wird vom Gesetzgeber ungleich derer behandelt, die ihre Entscheidung noch nicht getroffen haben. Das neue StAG unterscheidet nicht danach, wie sich die Betroffenen zuvor entschieden haben, sondern setzt zukunftsbezogen Konsequenzen, geknüpft an den Status Quo fest, der besteht, weil sie sich entschieden haben.
Für die Entscheidungsfreudigeren verbleibt mangels einer ausdrücklichen Regelung in der Gesetzesänderung nur eine Möglichkeit: Die zuständigen Behörden könnten ihr in §§ 8, 13 und 25 Abs. 2 StAG vorgesehenes Ermessen zu Gunsten der Betroffenen ausüben. Sie könnten so ihre verlorene Staatsangehörigkeit wieder zurückerlangen, ohne ihre jetzige zu verlieren. Ob das tatsächlich so geschehen wird, steht bedauerlicherweise noch in den Sternen.
Mehrstaatlichkeit bildet transkulturelle Identitäten ab
Bereits für die Rot-Grüne Koalition hätte 2000 schon gelten müssen: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn sich der deutsche Staat entscheidet, in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Eltern den deutschen Pass zu verleihen, dann bitte auch unterschiedslos zu den "Urdeutschen". Das neue Änderungsgesetz führt in dieser Hinsicht allemal zu einer deutlichen Verbesserung und trägt der Tatsache Rechnung, dass sich Deutschland zu einem echten Einwanderungsland hin entwickelt.
Es erspart vielen jungen Leuten das schmerzhafte Kopfzerbrechen über ihre Zugehörigkeit und die daraus resultierenden Identitäts- sowie Loyalitätskonflikte werden nicht mehr künstlich geschürt. Schließlich haben sich auch unter den Deutsch-Türken transkulturelle Identitäten gebildet, die sich nicht für die eine oder andere Nationalität entscheiden wollen, weil sie eben beides sind und beides leben. Die Mehrstaatlichkeit ist so gesehen das Abbild ihrer Identität.
Integrationspolitisch ist das neue Gesetz also allemal sinnvoll. Bleibt nur noch, die gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern und mehrstaatliche Identität unter anderem auch als positiven Ausdruck der Globalisierung zu begreifen. Sie sollte als Chance auf einen Ausweg aus dem engen nationalistischen Denken gesehen werden.
Eine Übergangsregelung für diejenigen, die sich "zu schnell" entschieden haben, wäre nicht nur wünschenswert, sondern aus juristischer und integrationspolitischer Sicht notwendig gewesen. Warum dies unterblieben ist, ist nicht nachvollziehbar. Manche Dinge bleiben ein Geheimnis der Politik.
Seyran Ateş ist Anwältin für Familien- und Strafrecht in Berlin. Anfang März erschien ihr Buch "Wahlheimat".
Gülay Bedir, LL.M. und Charlotte Steiling, LL.M. absolvieren derzeit als Rechtsreferendarinnen ihre Anwaltsstage in der Kanzlei Ateş.
Frau Bedir hat vor einigen Monaten, als sie feststellte, dass sie nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfes erfasst ist, die Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit beantragt und wartet momentan auf ihre deutsche Einbürgerungsurkunde.
Neues Staatsangehörigkeitsgesetz : . In: Legal Tribune Online, 19.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14177 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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