Die Bundesregierung kann es nicht erwarten, das gescheiterte Leistungsschutzrecht für Zeitungsverleger erneut einzuführen. Christian Rath hat sich den Diskussionsentwurf der Justizministerin angeschaut.
Die Bundesregierung will das Leistungsschutzrecht für Presseverleger so schnell wie möglich neu einführen und damit die novellierte EU-Richtlinie zum Urheberrecht umsetzen. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat vorige Woche einen entsprechenden Diskussionsentwurf vorgelegt. Doch auch das neue Leistungsschutzrecht wird den Verlegern wohl nur minimale Einnahmen bringen.
Presseverleger beschweren sich schon lange, dass Google journalistische Online-Medien ausbeute, ohne dafür zu bezahlen. So würden in den Trefferlisten der Suchmaschine schon wichtige Teile des Inhalts als sogenanntes Snippet (Schnipsel) angezeigt, sodass die Nutzer nicht mehr auf den Link klicken müssen, der zur Seite des Online-Mediums führt. Die Verleger wollen, dass Google hierfür gewissermaßen als Ausgleich Lizenzgebühren bezahlt.
Auf Wunsch der Verleger führte Deutschland 2013 im Urheberrechtsgesetz ein gesetzliches Leistungsschutzrecht für Verleger ein, das aber völlig verpuffte. Google weigerte sich einfach, für Lizenzen zu bezahlen. Die Verleger gestatteten Google daher die Nutzung der Snippets ohne Gegenleistung, damit Google ihre Inhalte weiter in Trefferlisten aufnimmt und damit Verkehr auf ihre Seiten lenkt. 2019 kippte zudem der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urt. v. 12.9.2019, Az. C-299/17) das deutsche Gesetz aus formellen Gründen, weil es bei der EU-Kommission nicht angemeldet (notifiziert) worden war.
Google wird weiterhin am längeren Hebel sitzen
Lambrechts neuer Entwurf geht auf die 2019 novellierte EU-Urheberrechts-Richtlinie zurück (Richtlinie 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, "Digital Single Market"). Auf deutsche Initiative ist dort in Art. 15 jetzt ein EU-weites Leistungsschutzrecht für Verleger vorgesehen. Die Verleger glauben, dass sie sich besser gegen Google durchsetzen können, wenn sie EU-Weit gemeinsam verhandeln. Da Medienmärkte aber national sind, wird Google vermutlich weiter am längeren Hebel sitzen und keine Lizenzgebühren zahlen. Auf ein entsprechendes französisches Gesetz hat Google jüngst nur damit reagiert, dass es die Snippets so verkürzte, dass sie lizenzfrei sind.
Deutschland muss nun aber die EU-Richtlinie umsetzen, inklusive Leistungsschutzrecht. Betroffen sind davon auch kleinere Suchmaschinenbetreiber und andere "Dienste der Informationsgesellschaft", die sich nicht wie Google entziehen können. Die Bundesregierung findet das Leistungsschutzrecht sogar so wichtig, dass sie es vorab einführen will. Andere Teile der Richtlinie, insbesondere die umstrittenen Upload-Filter für Youtube und anderer Online-Plattformen (Art. 17 der EU-Richlinie), sollen erst in einem späteren Gesetzentwurf geregelt werden.
In Lambrechts Diskussionsentwurf ist das Leistungschutzrecht gem. § 87j UrhG-E auf zwei Jahre beschränkt. Die Verleger können es auch gem. § 87g Abs. 4 UrhG-E auf eine Verwertungsgesellschaft wie die VG Media übertragen. Journalisten und Fotografen sollen gem. § 87k UrhG-E einen "angemessenen" Anteil der Einnahmen erhalten. Was angemessen ist, lässt Lambrecht offen.
Lizenzfrei nutzbar sind gem. § 87g Abs. 2 UrhG-E weiterhin "einzelne Worte oder sehr kurze Auszüge" eines Beitrags. Wieviele Worte kostenfrei genutzt werden können, lässt der Entwurf offen. Er stellt aber in § 87g Abs. 3 UrhG-E klar, dass die Überschrift lizenfrei bleibt, ebenso Bild- und Tonsequenzen bis drei Sekunden sowie schlecht aufgelöste kleine Vorschaubilder mit maximal 128 mal 128 Pixel.
Längere Zitate bleiben gem. § 87i UrhG-E ebenfalls möglich, allerdings nur nach den üblichen Regeln. Das heißt: Es ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beitrag erforderlich. Journalisten können gem. § 87h Abs. 1 UrhG-E ihre eigenen Beiträge zudem auf ihren eigenen Webseiten auch mit längeren Snippets kostenlos bewerben.
Kommt die Verlegerbeteiligung an VG-Wort-Einnahmen zurück?
Ein zweiter großer Punkt des Diskussionsentwurfs betrifft die Verlegerbeteiligung an den VG-Wort-Einnahmen. Diese wurden bis 2016 zwischen Verlegern und Autoren geteilt. Doch der EuGH urteilte 2015 (Urt. v. 12.11.2015, Az. C-572-13), dies verstoße gegen EU-Recht. 2016 erklärte der Bundesgerichtshof die deutschen Regelungen für rechtswidrig (Urt. v. 21.04.2016, Az. I ZR 198-13). Seitdem können Autoren die Verlage nur noch gem. § 27a Verwertungsgesellschaftengesetz (VVG) freiwillig beteiligen. Eine von Deutschland angestoßene Änderung des EU-Urheberrechts in Art. 16 der Richtlinie ermöglicht die Wiedereinführung der verbindlichen Verlegerbeteiligung. Laut Diskussionsentwurf sollen gem. § 27 VVG aber mindestens Zwei Drittel der Einnahmen an die Autoren gehen.
Der Diskussionsentwurf des Justizministeriums ist noch nicht mit den anderen Ressorts abgestimmt. Bis zum 31. Januar könnnen Interessenten Stellung nehmen. Anschließend will sich die Bundesregierung auf einen Gesetzentwurf einigen, wobei Leistungsschutzrecht und Verlegerbeteiligung zwischen CDU/CSU und SPD bisher nicht umstritten sind. Anschließend beginnt das normale Gesetzgebungsverfahren mit Beteiligung des Bundesrats, der aber kein Vetorecht hat. Es wird angestrebt, das Leistungsschutzrecht deutlich vor der Frist zur Richtlinien-Umsetzung im Juni 2021 einzuführen.
Diskussionsentwurf zum Leistungsschutzrecht: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39857 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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