Diskussion um Kulturflatrate: Eine Pauschale für legales Kopieren

von Dr. Marc Maisch

29.07.2011

Urheber kämpfen verzweifelt gegen Raubkopien ihrer Werke im Internet. Mit der "Kulturflatrate" wird nun ein Verwertungsmodell diskutiert, das die Nutzung geschützter Inhalte im Internet durch ein pauschales Entgelt des Nutzers vereinfachen soll. Das Modell steht allerdings in Konflikt mit den Eigentumsrechten der Künstler, meinen Michael Marc Maisch und Martin Wintermeier.

Wer früher ein Ton- oder Bildwerk vervielfältigen wollte, bediente sich eines Kassettenrecorders. Im digitalen Internetzeitalter sind analoge Kopier- und Abspielgeräte nahezu ausgestorben. Heute liefern sich so genannte Sharehoster, YouTube und soziale Netzwerke einen Wettlauf um die schnellste und einfachste Vervielfältigung von Inhalten.

Am häufigsten werden Musik- oder Filmwerke "getauscht", die eigentlich über das Urhebergesetz (UrhG) geschützt sind. Dennoch werden sie oft massenhaft vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht. Sowohl die zivil- und strafrechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet als auch die Erstellung eines präventiven technischen Kopierschutzes erwiesen sich bisher als sehr aufwändig.

Mit der so genannten Kulturflatrate wird nun seit einger Zeit ein Modell diskutiert, das diesen Interessenkonflikt zwischen Internetnutzern und Urhebern auflösen soll. Dabei geht es um die Legalisierung der privaten Weitergabe und Vervielfältigung von digitalen, urheberrechtlich geschützten Werken im Internet. Zum Ausgleich erhalten die Urheber einen Pauschalbetrag.

Alleiniges Bestimmungsrecht des Urhebers oder freie Nutzung durch alle?

So reizvoll das zunächst für den Rechteinhaber klingen mag, das Modell greift in ihre Grundrechte ein. Urheberrechte sind verfassungsrechtlich von der Eigentumsfreiheit geschützt. Der Gesetzgeber kann dieses Grundrecht jedoch durch so genannte Inhalts- und Schrankenbestimmungen beschneiden. Das Eigentum wird dann durch Gesetz mit Rechten und Pflichten für den Rechteinhaber belegt. Theoretisch möglich wäre gar eine Enteignung des einzelnen Urhebers, wenn dies dem Allgemeinwohl dient. Dem vormaligen Eigentümer stünde in einem solchen Fall allerdings eine interessengerechte Entschädigung zu.

Da mit der Einführung einer gesetzlich verankerten Kulturflatrate der Rechteinhaber daran gehindert wird, die Verwertung und den Preis seiner Werke selbst zu bestimmen, würde es sich um eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung handeln. Der Gesetzgeber muss aber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.

Zumindest in der Rechtswissenschaft wird die Kulturflatrate zum großen Teil als legitim bewertet, da sie Urhebern einen finanziellen Ausgleich verschaffen würde, der aktuell praktisch nicht realisiert werden kann. Die Kulturflatrate legalisiert dabei auch Filesharing, das nach geltendem Recht rechtswidrig wäre. Internetnutzer könnten Inhalte tauschen, ohne Angst vor Abmahnungen. Geeignet ist die Kulturflatrate, wenn sie tauglich ist, den verfolgten Zweck zu erreichen. Dafür spricht, dass private Kopien im Internet legalisiert und die Internetnutzer vor rechtlicher Verfolgung geschützt wären.

Die Gegner der Flatrate wenden demgegenüber ein, jeder Künstler würde in unsachlicher Weise gleich behandelt, jeder Urheber mit dem gleichen Betrag vergütet werden. Wie oft ein Werk kopiert oder heruntergeladen wird bzw. die Ermittlung der konkreten Kopiervorgänge könnte sich ebenso schwierig gestalten wie die Datenerfassung und Einnahmenverteilung bei der GEMA.

Am Beispiel von Youtube kann auch gezeigt werden, dass technische und rechtliche Schutzmechanismen im Internet greifen können. Urheberrechtlich geschützte Inhalte werden dort entweder zu Werbezwecken gezielt eingestellt oder von der Plattform entfernt. Die Gegner halten daher eine Kulturflatrate nicht für erforderlich.

Letztlich muss diskutiert werden, ob die Abschaffung des alleinigen Bestimmungsrechts des Urhebers über sein Werk mit der freien, vormals illegalen Nutzung der Werke durch die Allgemeinheit im Verhältnis steht.  

Die Verbände lehnen die Flatrate ab

Nach Ansicht der Interessenverbände der Künstler jedenfalls ist dieses Verhältnis nicht gegeben, sie halten wenig von der Kulturflatrate. So hat der Bundesverband für Musikindustrie (BVMI) Anfang des Jahres ein Positionspapier gegen die Kulturflatrate veröffentlicht. Der BVMI beschreibt die Flatrate darin als "unfair", da Verbraucher pauschal für Leistungen bezahlen müssten, die sie nicht nutzen, wenn sie zum Beispiel nur ein einzelnes Musikstück kaufen wollten.

Ferner entziehe die Kulturflatrate neuen digitalen Geschäftsmodellen die wirtschaftliche Basis, so der BVMI. Sie schaffe auch eine trügerische Sicherheit, wenn sie die Weiterentwicklung technisch-organisatorische Schutzmaßnahmen verhindert, wie etwa Filtersoftware für Plattformen wie Youtube, bei der die Nutzer den Inhalt bestimmen. Der Verband befürchtet ferner den Aufbau einer Verwertungsgesellschaft mit hohem bürokratischen Aufwand.

Der Streit um die Kulturflatrate und die hilflose Verfolgung von Bagatellverstößen im Internet zeigt jedenfalls, dass der Gesetzgeber zum Schutz der Urheber eine zeitgemäße Lösung herbeiführen muss. Dabei sollten auch Kompromisslösungen, wie jene des Chaos Computer Clubs e.V. (CCC), berücksichtigt werden: Der Club hatte mit der so genannten Kulturwertmark ein Modell für ein "zeitgemäßes Vergütungsmodell für Kreative" skizziert, das schöpferische Tätigkeiten entlohnen und Werke gleichzeitig allgemein zugänglich halten soll. Im Unterschied zur Kulturflatrate kann der Nutzer hier das eingezahlte Geld einem bestimmten Künstler zuweisen, wodurch die Gleichbehandlung entfallen würde.

Vor dem Hintergrund der internationalen Dimension des Urheberrechts und Internets würde eine rein deutsche Lösung indes zu kurz greifen. Vielmehr sollte in dieser Frage ein europäischer Vorstoß gewagt werden, der sowohl die Interessen der Urheber und als auch der Verbraucher berücksichtigt.

Michael Marc Maisch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht (Prof. Dr. Dirk Heckmann) an der Universität Passau.

Martin Wintermeier ist studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Wirtschaftsrecht und Geistiges Eigentum (Prof. Dr. Christoph Ann, LL.M.), Technische Universität München und bei der Kanzlei Reidel & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

 

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Zitiervorschlag

Marc Maisch, Diskussion um Kulturflatrate: . In: Legal Tribune Online, 29.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3888 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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