2/2: Sicherheit und Vertrauen in der Digitalgesellschaft
Auch zur Rolle des digitalen Wandels in der Gesellschaft äußert sich die Digitale Agenda. So versprechen de Maizière, Dobrindt und Gabriel Diskussionen über die digitale Lebenswirklichkeit.
Kinder und Jugendliche sollen über den richtigen Umgang mit Internet, sozialen Medien und sonstigen Kanälen aufgeklärt und vor Gefahren geschützt werden. Potenziale erkennt die Agenda in den Bereichen Bürgerbeteiligung und soziales Engagement. Dies äußert sich etwa in dem angekündigten Start eines Projekts mit dem Titel "Freiwilliges Soziales Jahr Digital".
Die Bundesregierung betont die große Bedeutung digitaler Angebote für die Sektoren Bildung, Wissenschaft und Forschung. Daher soll ein separater Plan zur Integration digitaler Angebote in Informationsinfrastrukturen wie Bibliotheken oder Archiven erarbeitet werden. Auch das Vorhaben, digitale Lernangebote weiter auszubauen und zu fördern, stellt sie heraus. Die Digitalisierung soll schließlich dabei helfen, Kulturgüter wie Filme für die Zukunft zu konservieren.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt die Digitale Agenda rund um den Themenkomplex Sicherheit und Vertrauen in der digitalen Welt. Dafür möchte die Bundesregierung die Entwicklung sicherer Technik fördern und von der Wirtschaft einfordern. Zugleich verlangt sie aber auch von den Bürgern, dass diese sich der Gefahren aus dem Cyberraum bewusster werden.
Geschäftsmodelle, die auf Anonymisierungs- und Pseudonymisierungsverfahren basieren, sollen geschaffen werden, sodass sich die Bundesrepublik zum "Verschlüsselungsstandort Nr. 1 auf der Welt" entwickeln könne. Die Skepsis der Bevölkerung gegenüber digitalen Angeboten will die Bundesregierung durch eine Anpassung des Datenschutzes an das Informationszeitalter bekämpfen.
Meldepflichten und Mindeststandards für kritische Infrastrukturen
Besonders für die Wirtschaft sind Pläne zur Verabschiedung eines IT-Sicherheitsgesetzes relevant, über welches bereits am Ende der vergangenen Legislaturperiode intensiv diskutiert wurde.
Adressaten sind die Betreiber sogenannter kritischer Infrastrukturen, also Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das Allgemeinwesen, deren Ausfall oder Beeinträchtigung negative oder sogar dramatische Folgen für die Gesellschaft mit sich bringen würden. Das umfasst Unternehmen aus den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung sowie Finanz- und Versicherungswesen.
Diese will die Bundesregierung trotz Kritik an ihren Plänen weiterhin verpflichten, IT-Sicherheitsvorfälle zu melden und Mindeststandards einzuhalten. Es ist vorgesehen, die entsprechenden, bereits bestehenden Pflichten von Telekommunikationsunternehmen zu erweitern. Von der Erhöhung des Sicherheitsniveaus sollen auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren.
Mehr Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden
Die endgültige Verabschiedung einer Cybersecurity-Richtlinie auf EU-Ebene scheint die Bundesregierung damit nicht weiter abwarten zu wollen. Daher hatte de Maizière einen konkreten Entwurf für ein solches Gesetz bereits am gestrigen Dienstag vorgestellt.
Staatliche Institutionen wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sowie das Nationale Cyber-Abwehrzentrum will die Koalition ausbauen und die Kompetenzen von Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz auf digitale Belange ausdehnen. Man braucht kein Prophet zu sein, um schon jetzt einen mahnenden Hinweis auf datenschutzrechtliche Belange zu geben.
Die Ankündigung, auch das Strafrecht an digitale Bedrohungen anzupassen, ist der Pflicht der Bundesregierung geschuldet, eine EU-Richtlinie zum Schutz vor Angriffen auf Informationssysteme umzusetzen. Die Anpassungen werden insbesondere Kriminalitätsformen wie Datenhehlerei oder die Nutzung von Botnetzen betreffen.
Auf internationalem Parkett möchte man deutsche Interessen zukünftig von einem deutschen Internetbotschafter vertreten wissen.
Großer Wurf oder kleine Nummer?
Die Bundesregierung zeigt in Form der Digitalen Agenda, dass sie sich zumindest der wesentlichen Aspekte des digitalen Wandels bewusst ist, die jetzt und in naher Zukunft von Bedeutung sein werden.
Allerdings bleiben die Pläne in vielen Punkten äußerst vage. Wann welche Maßnahmen konkret ergriffen werden sollen, definiert die Agenda nicht. Stattdessen wird auf separate Initiativen verwiesen.
Ob die Ministerien ihre Vorhaben mit Nachdruck umsetzen, dürfte letztlich auch maßgeblich von den finanziellen Mitteln abhängen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. Zunächst sollen sie allerdings keine weiteren Gelder erhalten, was die Ernsthaftigkeit der Initiative per se in Frage stellt.
Einzig der für den Breitbandausbau zuständige Minister Dobrindt darf auf die Beteiligung an Erlösen aus der Vergabe und Versteigerung freiwerdender Frequenzen hoffen. Wichtig dürfte nicht zuletzt werden, dass sich die drei "Internetminister" untereinander nicht blockieren und es zu einem Gerangel um Kompetenzen kommt.
Auf die Umsetzung konkreter Maßnahmen – ein erstes verabschiedetes Gesetz könnte das IT-Sicherheitsgesetz werden – darf man also mit Spannung warten. Immerhin formuliert die Agenda ein "Hausaufgabenheft" für die Bundesregierung, an dem diese sich am Ende der Legislaturperiode wird messen lassen müssen.
Der Autor Philipp Roos ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Zivilrechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und publiziert zu medienrechtlichen Themen.
Philipp Roos, Digitale Agenda: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12949 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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