Im Konflikt der Peshmerga mit dem Islamischen Staat sollen deutsche Waffen beruhigen. In der Ukraine hingegen würden sie eher als "Brandbeschleuniger" wirken, meint Ursula von der Leyen. Völkerrechtlich gesehen hängt das nicht zuletzt von der Rolle Russlands bei der Unterstützung der Separatisten ab. Ob deutsche Waffenlieferungen überhaupt möglich oder gar zwingend wären, erklärt Robert Frau.
Wie eine Löschdecke sollen deutsche Waffen den Konflikt im Irak mit dem Islamischen Staat beruhigen und zum Erliegen bringen. Die Bundesregierung hält es für sinnvoll, entgegen völker- und verfassungsrechtlichen Bedenken Ausbildungstruppen und Waffen an die Peshmerga im Nordirak zu liefern.
Deutsche Waffen in der Ukraine hingegen? Das würde bedeuten, Öl ins Feuer zu gießen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnte auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „Eine Konzentration auf Waffen allein könnte ein Brandbeschleuniger sein und uns von einer gewünschten Lösung eher entfernen.“ Aus den Äußerungen der CDU-Politikerin geht klar hervor, dass sie das auf die russische Unterstützung der Separatisten zurückführt.
Das völkerrechtliche Gewaltverbot
Waffenlieferungen an die Ukraine wären unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich. Anders als die Waffenlieferungen an die Peshmerga würden die an die Ukraine unmittelbar den offiziellen Streitkräften des Landes ausgehändigt.
Damit sind die gewichtigsten völkerrechtlichen Bedenken schon ausgeräumt. Während beispielsweise eine Waffenlieferung an Rebellen gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot aus Art. 2 Nr. 4 UN-Charta verstößt, liegt, wenn wie im Fall der Ukraine die Regierung um die Waffenlieferungen bittet, ein Konsens des betroffenen Staates vor. Ein Verstoß gegen das Gewaltverbot scheidet damit aus.
Hilfe in einem bewaffneten Konflikt?
Entscheidend für die völkerrechtliche Bewertung möglicher Waffenlieferungen ist aber nicht allein das Gewaltverbot, sondern auch die Frage, was für ein Konflikt in der Ukraine eigentlich vorliegt.
Legt man zugrunde, dass dort die Kiewer Zentralregierung gegen Separatisten kämpft, dann gilt die gewaltsame Auseinandersetzung als nicht-international bewaffneter Konflikt. Unterstützt Deutschland in diesem die Ukraine, also eine staatliche Konfliktpartei, bleibt es bei der Einordnung der Waffenlieferungen als rechtmäßig.
Nimmt man jedoch an, die Separatisten kämpfen nicht alleine, sondern Russland hat ein solches Ausmaß an Kontrolle über sie, dass es als Konfliktpartei gilt, dann muss man den Konflikt als international bewaffneten qualifizieren. Für Deutschland gilt dann das Neutralitätsrecht.
Neutraler Staat oder Konfliktpartei?
Dieses Neutralitätsrecht bedeutet nicht, dass Deutschland eine größere Schweiz ist und sich zu allen Konflikten unparteilich verhalten muss. Vielmehr ist es neutral, weil es schlicht keine Partei in dem konkreten international bewaffneten Konflikt ist.
Zu den Pflichten, die sich aus dem internationalen Neutralitätsrecht ergeben, gehört es auch, Handlungen zu unterlassen, die eine Partei bevorteilen. Das verbietet zuvorderst Waffenlieferungen zu Gunsten einer kriegführenden Partei und gilt unabhängig davon, ob der Kampf der Ukraine als Selbstverteidigungsmaßnahme gegen Russland anzusehen ist. Denn der Normalzustand des Völkerrechts ist der Frieden. Der Krieg ist ein Ausnahmezustand, der nicht aufrechterhalten werden soll.
Selbst wenn die die Bundesregierung sich für die Lieferung von Waffen an die Ukraine entscheiden sollte, würde Deutschland dennoch nicht automatisch Konfliktpartei. Dafür bräuchte es vielmehr ein aktiveres Eingreifen der Bundesrepublik in den Konflikt, diese müsste also an Feindseligkeiten teilnehmen.
Keine Pflicht zur Unterstützung
Eine Pflicht zur Unterstützung der Ukraine mit Waffen kann es daher nicht geben. Auch wenn man die osteuropäische Republik in der Pflicht sieht, nichtstaatliche Gewaltakteure auf ihrem Territorium zu bekämpfen, gäbe es ein kein „Recht auf Waffen“, wie von Dominic Johnson in der taz gefordert. Noch weniger gibt es eine Pflicht anderer Staaten, die Ukraine in ihrem Kampf zu unterstützen.
Im Gegenteil verlangt das Völkerrecht, wenn es sich um einen staatlichen und nicht um einen nichtstaatlichen Gewaltakteur handelt, sogar Zurückhaltung – oder die Bereitschaft, als Konfliktpartei aufzutreten.
Hat die Verteidigungsministerin aus völkerrechtlicher Perspektive Recht? Ja, wenn sie bereit ist, die Kämpfe als international bewaffneten Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zu qualifizieren. Dann wären Waffenlieferungen nach Kiew ein Verstoß gegen das Neutralitätsrecht.
Nein, wenn von der Leyen meint, dass die Ukraine bloß einen nichtstaatlichen Gewaltakteur bekämpft. den Russland in dem Konflikt unterstützt, aber - noch – nicht Partei ist. In beiden Fällen wird eine deutliche Positionierung Deutschlands wohl tatsächlich Öl ins Feuer gießen. Es scheint, als bräuchte die Regierung noch Zeit, um Mut zu einer Entscheidung zu fassen. Solange gibt es weder deutsche Löschdecken noch deutsche Brandbeschleuniger.
Dr. Robert Frau ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht, insb. Völkerrecht, Europarecht und ausländisches Verfassungsrecht der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).
Robert Frau, Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14666 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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