Der DAV hat den Gesetzentwurf zum Asylrecht umfassend gewürdigt. Trotz der teils entschärften Vorschriften erntet auch die aktuelle Fassung noch einige Kritik von den Anwälten. Vom Dublin-Verfahren solle Abstand genommen werden.
Als letzte Woche der Entwurf der Bundesregierung "zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, Asylbewerberleistungsgesetzes und weiterer Gesetze" öffentlich wurde, erntete die große Koalition heftige Kritik von verschiedenen Seiten. Der Verein Pro Asyl warf der Regierung sogar vor, die Flüchtlinge gleichsam aushungern zu wollen, um Deutschland möglichst unattraktiv für Asylbewerber zu machen. Damit das Asylpaket dennoch bis zum geplanten Inkrafttreten am 1. November verabschiedet werden kann, einigte man sich in Berlin Anfang der Woche auf einen neuen Entwurf.
Am Dublin-Verfahren, wonach derjenige EU-Mitgliedsstaat für das Asylverfahren und die etwaige Aufnahme zuständig, den der Schutzsuchende zuerst betritt, soll zwar weiterhin festgehalten werden - aber nicht mehr unter allen Umständen. So sah der Entwurf von letzter Woche vor, die über ein anderes EU-Land nach Deutschland gelangten Flüchtlinge mit bloßen "Reisebeihilfen" - also Proviant und Rückfahrkarte - auszustatten und in den entsprechenden EU-Mitgliedsstaat zurückzuführen.
Nach der aktuellen Fassung sollen die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge nicht umgehend zurückgeführt, sondern stattdessen mit dem für das "physische Existenzminimum" Notwendigen versorgt werden. Sie erhalten danach also immer noch weniger als die vorgesehen Leistungen aus dem Aslybewerberleistungsgesetz. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisierte im Rahmen eines Experten-Workshops, dass somit immer noch an einer Einschränkung der Leistungen festgehalten wird. Auch die aktuelle Notlage dürfe nicht zu einer weiteren Einschränkung der Leistungen für ein menschenwürdiges Existenzminimum sorgen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf den Barbetrag und den Verweis auf Sachleistungen.
Alternative: Ein Europa ohne Dublin-Verfahren?
Stattdessen macht der DAV den Vorschlag, das Dublin-Verfahren komplett auszusetzen und ein sogenanntes "Optionsmodell" zu etablieren. Das hieße konkret, dass die EU ihre Mitgliedsstaaten finanziell entlastet, und zwar jeweils entsprechend der Anzahl der Flüchtlinge, die sich für das Land entscheiden. Bis das Modell steht, könne eine Höchstfrist von 18 Monaten für das Rückführungsverfahren eingeführt werden. Ist der Asylbewerber bis dahin immer noch nicht in den EU-Mitgliedsstaat zurückgeschickt worden, den er zuerst betreten hat, soll für ihn die Rückführung ausgeschlossen werden.
Ebenso übt der DAV Kritik daran, dass Menschen aus als sicher eingestuften Herkunftsländern bis zu sechs Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben müssen. Dies sei in aller Regel nicht mit dem Wohl von mitgereisten Kindern vereinbar. Insbesondere stehe eine solche erweiterte Residenzpflicht dem Integrationsgedanken entgegen. Vielmehr solle die Residenzpflicht enden, sobald einstweiliger Rechtsschutz gewährt worden ist, wurde auf dem vom DAV organisierten Workshop gefordert.
Keinen Beifall fand dort auch die geplant Erweiterung der Liste (vermeintlich) sicherer Herkunftsländer, die auch im neuen Entwurf für Montenegro, Albanien und Kosovo vorgesehen ist. Das Argument der Bundesregierung, dass die Anträge der Menschen aus diesen Ländern zum ganz überwiegenden Teil schon jetzt abgelehnt würden und man die Bearbeitung der Anträge so beschleunigen könne, laufe ins Leere. Die Entscheidung über einen Asylantrag setze immer noch eine Prüfung des Einzelfalls voraus, gleichzeitig sei auch immer ein Eilantrag möglich. Die hohe Anzahl der Flüchtlinge aus diesen Ländern könne hingegen kein valides Argument dafür sein, diese Staaten mit auf die Liste der sicheren Herkunftsstaaten zu setzen.
Marcel Schneider, DAV-Workshop zum Asylpaket: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17002 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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