Abgesagt, verschoben oder auf der Kippe: Das Coronavirus beeinträchtigt mehrere große juristische Fachveranstaltungen. Während einige Tagungen schon Wochen vorher abgeblasen werden, droht bei anderen die kurzfristige Absage.
Die Ausbreitung des Coronavirus wirbelt auch den Terminplan so mancher juristischen Verbände und Vereine durcheinander. Diverse Veranstaltungen und Tagungen wurden wegen drohender Ansteckungsgefahr bereits abgesagt, bei anderen behalten sich die Ausrichter eine Absage oder Verschiebung auch kurzfristig vor. Selbst bei den Events, die definitiv stattfinden, verzeichnen die Veranstalter auch virusbedingt rückläufige Anmeldezahlen bzw. Stornierungen.
Ob etwa der Deutsche Anwaltstag (DAT) wie geplant Mitte Juni in Wiesbaden stattfinden kann, steht aktuell noch in den Sternen. Genauso unklar ist, ob der 23. Deutsche Richter- und Staatsanwaltstag Anfang April in Weimar seine rund 1.000 angemeldeten Gäste empfangen wird. Dieser soll zwar nach Stand vom Freitag stattfinden. Planungssicherheit bedeutet das jedoch nicht: Laut Deutschem Richterbund (DRB) werde die Lage "täglich überprüft und neu bewertet".
Relativ kurzfristig will auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) hinsichtlich der Ausrichtung des DAT reagieren. Aus Sicht des DAV sind "zuverlässige Risikoprognosen nur maximal für die jeweils kommenden zwei Wochen möglich", erläutert der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DAV, Swen Walentowski gegenüber LTO. Für den DAT in Wiesbaden heißt das: "Wegen der Kurzfristigkeit der Risikoprognosen und des noch nicht sicher vorhersehbaren Verlaufs der Verbreitung gibt es jetzt hierfür noch keine Risikoprognose. Da er im Juni stattfindet, gehen wir davon aus, dass er durchgeführt wird", gibt sich Walentowski optimistisch.
Erbrechtstag abgesagt
Würde der DAT mit geschätzt 1.800 Gästen wegen der Corona-Epidemie abgesagt werden, wäre das für den Verein ein ziemlicher Gau. Der DAT gilt für die Anwaltschaft als Höhepunkt des Veranstaltungsjahres, die Planungen im DAV binden Ressourcen und viele Mitarbeiter bereits Monate im Vorhinein.
Wie schnell eine gut geplante Veranstaltung wegen des Coronavirus ins Wasser fallen kann, durften in dieser Woche bereits die Erbrechtler im DAV erleben. Ihr Jahreshöhepunkt, der Deutsche Erbrechtstag mit rund 400 Teilnehmern, musste abgesagt bzw. verschoben werden. "Da die Feststellung der Verbreitung zunimmt und sich die 'Nachrichtenlage' jeden Tag neu sortiert, hat sich die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht dazu entschlossen, ihren 15. Deutschen Erbrechtstag zu verschieben", heißt es auf LTO-Anfrage. Ein Nachfolgetermin steht dem Vernehmen nach noch nicht fest. Laut DAV-Geschäftsführer Walentowski erhielten die Teilnehmer die mehrere hundert Euro teure Teilnahmegebühr zurückerstattet.
Bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) mussten bislang noch keine Veranstaltungen abgesagt werden. Aber auch dort befindet man sich in Habachtstellung: "Dass sich dies – abhängig von der Entwicklung der Erkrankungszahlen und der Erkrankungsverläufe – ändern könnte, ist nicht auszuschließen", erklärte BRAK-Sprecherin Stephanie Beyrich.
"Wir wollen keinen Strafverteidigertag mit Gesichtsmasken und Fiebermessen"
Weniger kurzfristig als DAV oder DRB mit ihren Risikoprognosen reagieren unterdessen andere Veranstalter juristischer Tagungen. So sagte der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) bereits am Donnerstag seinen von langer Hand geplanten "Syndikus Convent" am 27./28. April in Köln ab. Bei diesem hatten Unternehmensjuristen darüber diskutieren wollen, worauf sich Unternehmen beim Unternehmenssanktionsrecht einstellen müssen oder welche Folgen das Geldwäschegesetz für Syndikusrechtsanwälte hat. Das muss nun warten.
Sogar die Ausrichtung des erst für den 19. Mai in Düsseldorf geplanten "Arbeitsrecht Convent", bei dem mit mehr als einhundert Teilnehmern gerechnet worden war, ist dem BUJ noch zu riskant: "Wir möchten dazu beitragen, das aktuell vorhandene Risiko einer weiteren Verbreitung des Virus einzudämmen; die Gesundheit, Sicherheit und das Wohlergehen der BUJ-Mitglieder haben insoweit für uns eine höhere Priorität", begründete der Verband die Absage beider Veranstaltungen in einer Rundmail. Nachgeholt werden sollen die Convents nun in der zweiten Jahreshälfte.
In diesen Zeitraum – genauer: vom 23. bis 25.Oktober - wird nun auch der ursprünglich für den 20. bis 22. März in Berlin geplante 44. Strafverteidigertag stattfinden. Die bei Strafverteidigern in ganz Deutschland äußerst beliebte Tagung, deren Veranstalter mit mehr als 1.000 Teilnehmern rechnete, wurde am Freitag verschoben.
In einer Mail an alle Teilnehmer begründeten die Organisatoren die Verschiebung unter anderem mit drohenden Auflagen seitens der Behörden: "Ein Strafverteidigertag unter Corona-Auflagen wäre kein Strafverteidigertag. Schließlich wollen wir keinen Strafverteidigertag mit Gesichtsmasken und Teilnehmer-Screening (Fiebermessen) am Eingang. Wir wären verpflichtet, Teilnehmer mit respiratorischen Vorerkrankungen (Asthma), krankheits- oder altersbedingter Immunschwäche und ältere Personen insgesamt aufzufordern, der Tagung fern zu bleiben."
Zudem dürften bei den Strafrechtlern zusätzliche Risikofaktoren eine Rolle spielen: Viele von Ihnen haben regelmäßig Termine mit Mandanten in Haftanstalten. Eine Ausbreitung des Coronavirus im Strafvollzug wäre fatal.
Veranstalter müssen Auflagen einhalten
Grundsätzlich müssen Tagungsveranstalter die Sicherheit ihrer Teilnehmer lückenlos gewährleisten. Während das üblicherweise vor allem Brandschutz und Unfallschutz betrifft, kommt in diesen Tagen eben auch das Risiko einer Ansteckung durch den Coronavirus hinzu. Die Ausrichter müssen sich gegebenenfalls mit dem lokalen Gesundheitsamt abstimmen und Auflagen einhalten. Orientiert wird sich dabei vor allem an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Dieses hat Handlungsempfehlungen für Ausrichter veröffentlicht, "um das Risiko einer Übertragung und großer bzw. schwerer Folgeausbrüche zu verringern". Als mögliche Alternative oder Vorstufe zur Verschiebung oder Absage einer Veranstaltung empfiehlt das RKI unter Umständen unter anderem, die Teilnehmerzahl zu begrenzen bzw. reduzieren und auf enge Interaktion der Teilnehmenden zu verzichten. Je mehr Platz im Raum und je weniger Teilnehmer, desto besser, lautet die Quintessenz der RKI-Ratschläge.
Diesen Bedingungen werden in diesen Tagen so manche Ausrichter juristischer Fachveranstaltungen gerecht – wenn auch nicht immer freiwillig. So findet zwar beispielsweise der 6. Nordrhein-westfälische Baurechtstag am 13. März in Düsseldorf statt. Laut Organisator Markus Schilling von der Luther Lawfirm hat es aber eine Reihe von Absagen gegeben – und zwar "auch Corona-bedingt", so Schilling. Statt wie im vergangenen Jahr mit mehr als hundert Teilnehmern werden diesmal nur etwa 60 Baurechtler erwartet.
Der ursprünglich gebuchte größere Veranstaltungssaal bleibt trotzdem angemietet: "Die Teilnehmer sitzen dann nicht so eng beieinander", versucht Schilling der Situation etwas Positives abzuringen.
Juristische Tagungen fallen aus: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40683 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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