Seit Herbst 2020 wurde über den Einsatz von Antigen-Selbsttests im Kampf gegen SARS-CoV-2 diskutiert. Bislang blieb die Abgabe an Laien aber verboten. Die Änderung ist eine längst überfällige Entscheidung, meint Henning Lorenz.
Schon Ende September 2020 deutete sich die baldige Einführung eines neuen Instruments im Kampf gegen die Corona-Pandemie an. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte mitgeteilt: "Es wird - ich kann Ihnen nicht genau sagen wann, aber absehbar, weil die Unternehmen daran arbeiten - auch den Heimtest geben können." Er ließ offen, ob dies in vier, acht, zwölf oder 16 Wochen geschehe, aber er sei "sehr sicher, wir werden es sehen". Inzwischen sind vier Monate vergangen.
Am Dienstag wurde nun eine entsprechende Verordnung erlassen und verkündet. Sie tritt am Mittwoch in Kraft. Damit ist die Abgabe von Antigen-Selbsttests an Laien künftig möglich.
Im Nachbarland Österreich sollen Antigen-Selbsttests für Laien in Kürze einmal pro Woche bei Schülerinnen und Schülern zum Einsatz kommen und bald für jeden Bürger innerhalb eines Kontingents kostenlos in der Apotheke ausgegeben werden. Deutschland ist davon noch ein gutes Stück entfernt. Ein Grund dafür ist auch die lange Zeit nur zaghafte Anpassung einer ursprünglich sehr restriktiven Rechtslage, die Tests auf SARS-CoV-2 allein den Ärzten vorbehalten hat.
Der ursprüngliche Arztvorbehalt und das Abgabeverbot
Von März bis November 2020 wurde die Durchführung von Tests auf SARS-CoV-2 rechtlich im Wesentlichen so reglementiert, wie die auf andere besonders gefährliche Infektionen mit bestimmten Krankheitserregern wie z. B. das Ebolavirus. Der Arztvorbehalt in § 24 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sah vor, dass die Feststellung des Virus sowohl im Rahmen von konventioneller Labordiagnostik (v. a. durch PCR-Tests) als auch von Schnelltests mittels In-vitro-Diagnostika (vergleichbar Schwangerschaftstests) nur durch Ärzte stattfinden durfte.
Neben diesen Einschränkungen bei der Durchführung der Tests, war gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (MPAV) zusätzlich auch die Abgabe der Schnelltests im Grundsatz verboten und nur an Ärzte und bestimmte, vorrangig medizinische, Institutionen erlaubt wie z. B. ambulante und stationäre Einrichtungen im Gesundheitswesen. Die Restriktionen in Bezug auf Schnelltests waren also doppelter Natur: Abgabe und Anwendung waren nur in engen Grenzen möglich.
Die teilweise Lockerung bei Schnelltests auf SARS-CoV-2
Eine erste wichtige Lockerung fand im November des Vorjahres statt. Der Arztvorbehalt wurde durch die Erweiterung des Ausnahmetatbestandes in § 24 S. 2 IfSG für die Anwendung von In-vitro-Diagnostika, die für patientennahe Schnelltests bei Testung auf SARS-CoV-2 verwendet werden, ausgesetzt. Damit konnten fortan nicht nur Ärzte, sondern auch geschultes Personal für die Durchführung von Schnelltests eingesetzt werden. Zuvor waren hiervon nur die Erreger von einigen Geschlechtskrankheiten erfasst. Dazu zählt u. a. auch HIV. Seit dem Jahr 2018 dürfen hierfür Schnelltests an Laien abgegeben und von ihnen als Selbsttests verwendet werden. Spätestens mit der jüngsten Reform des § 24 S. 2 IfSG steht der Arztvorbehalt der Anwendung von Schnelltests auf SARS-CoV-2 durch Laien also nicht mehr Wege.
Die juristische Hürde für Schnelltests bestand nunmehr v. a. in dem Abgabeverbot des § 3 Abs. 4 S. 1 MPAV. Dieses wurde durch die Einführung eines Ausnahmetatbestands in Abs. 4a für bestimmte Einrichtungen, Unternehmen und Dienste (z. B. Schulen, Kitas oder ambulante Dienste der Eingliederungshilfe) gelockert. Dort könnten die Schnelltests, wenn gemäß § 4 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2, 3 MPBetreibV eine entsprechende Einweisung erfolgt ist, prinzipiell als Selbsttests eingesetzt werden.
Es herrscht diesbezüglich aktuell aber noch viel Unsicherheit bei den entsprechenden Stellen. In Sachsen-Anhalt wurde diese Möglichkeit jedoch bspw. bereits genutzt, um mehrere zehntausend Schnelltests zum Zwecke der Selbsttestung von Lehrern und anderem Schulpersonal an Schulen zu verteilen. Allerdings bestand jenseits dieser Ausnahmen das Abgabeverbot für Laien bislang unverändert fort. Während nämlich HIV-Selbsttests im Jahr 2018 über § 3 Abs. 4 S. 2 MPAV als (lange einzige) Ausnahmen in die Anlage 3 der Verordnung aufgenommen wurden, fehlte es an einer entsprechenden Regelung für SARS-CoV-2. Das hat sich nun geändert.
Die neue Abgabemöglichkeit von Selbsttests
Bereits vor eineinhalb Wochen hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen zunächst noch unveröffentlichten Referentenentwurf ausgearbeitet. Dieser sah u. a. eine entsprechende Erweiterung der Anlage 3 der MPAV vor. Danach sollte die Abgabe von In-vitro-Diagnostika für die Eigenanwendung, die für den direkten Nachweis einer SARS-CoV 2-Infektion bestimmt sind, erlaubt werden. Am Dienstag ist dieser Entwurf als Dritte Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite erlassen und verkündet worden (BAnz AT 02.02.2021 V1). Damit ist die Abgabe von Antigen-Selbsttests an Laien künftig möglich. Diese sollen, so der Entwurf, "eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung der Pandemie spielen."
Allerdings weisen die Verfasser aus dem Ministerium darauf hin, dass es derzeit keine CE-zertifizierten Tests zur Eigenanwendung auf dem Markt gibt. Das Durchlaufen eines Konformitätsbewertungsverfahrens bei Benannten Stellen (z. B. TÜV Rheinland), in dem die Sicherheit und Leistungsfähigkeit bei Anwendung durch Laien geprüft wird, ist aber Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Selbsttests nach dem Medizinproduktegesetz (MPG). Sie konstatieren, die bisherige Abgabebeschränkung sei von den Herstellern so verstanden worden, dass der Einsatz dieser Tests in Deutschland nicht gewollt sei. Mit der Aufhebung solle nunmehr ein Anreiz für diese geschaffen werden.
Ein wichtiger Baustein für den Weg aus der Pandemie?
Das wirft eine Frage auf: Hätte man diesen Anreiz nicht früher schaffen müssen, wenn der Gesundheitsminister bereits Ende September 2020 auf Selbsttests zur Bekämpfung der Pandemie setzen wollte? Natürlich wurde bereits zu diesem Zeitpunkt in der Fachwelt über das Für und Wider von Selbsttests als Mittel eines Public-Health-Ansatzes, also einer organisierten Anstrengung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, diskutiert. Doch offenbar ging man im BMG bereits damals davon aus, dass unter dem Strich die Vorteile die Risiken überwiegen. Die Tests würden kommen, erklärte der Bundesgesundheitsminister Spahn. Diese Bewertung überzeugt: Selbsttests bieten in Ergänzung zu bisherigen Testmöglichkeiten eine niedrigschwellige Option, mit der Infektionen frühzeitig erkannt, Folgeinfektionen verhindert und Infektionsketten unterbrochen werden können.
Inzwischen sind vier Monate vergangen, in denen die Pandemie in Deutschland zu einem zweiten Lockdown und einem gravierenden Anstieg von Infektions- und Todeszahlen geführt hat. Natürlich kann nur gemutmaßt werden, welche Auswirkungen der Einsatz von Selbsttests durch Laien auf diese Entwicklung gehabt hätte. In jedem Fall steht aber fest, dass die CE-Zertifizierung durch eine Benannte Stelle nach den nunmehr von Herstellern gestellten Anträgen einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Es bleibt zu hoffen, dass diese Verfahren, unter Wahrung der notwendigen Gründlichkeit, möglichst rasch durchgeführt werden. Auch die Möglichkeit von Sonderzulassungen sollte von den Unternehmen ins Auge gefasst werden. Dann können Antigen-Selbsttests für Laien vielleicht bald ein wichtiger Baustein sein, um in Deutschland einen Weg aus der Pandemie zu finden.
Der Autor Henning Lorenz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Autor in einem Kommentar zum Infektionsschutzgesetz (hrsg. v. Kießling, C. H. Beck, 2020 München). Zahlreiche Hintergrundinformationen gehen auf Diskussionen mit dem naturwissenschaftlichen Thinktank und der Initiative RapidTestsDE zurück, die der Autor bei ihrer Stellungnahme zur Dritten Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unterstützt hat.
Bund macht per Verordnung Weg frei: . In: Legal Tribune Online, 02.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44167 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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