Geschlossene Geschäfte in der Coronakrise: Müssen Laden­be­t­reiber weiter Miete zahlen?

Gastbeitrag von Marc Alexander Häger, LL.M. und Marvin Rochner

20.03.2020

Weil alle nicht systemrelevanten Einrichtungen eingeschränkt werden, brechen Gaststätten und Hotels die Einnahmen weg. Marc Häger und Marvin Rochner zu den rechtlichen Möglichkeiten, die gewerbliche Mieter in der Coronakrise haben.

Die Bundesregierung und Vertreter der Bundesländer haben am 16. März Leitlinien zum Kampf gegen die Corona-Epidemie vereinbart. Die Leitlinien sehen einschneidende Beschränkungen des öffentlichen Lebens und Schließungen nicht systemrelevanter Einrichtungen vor. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesländer und zuständigen kommunalen Behörden diese Leitlinien kurzfristig umsetzen, sofern dies nicht schon geschehen ist.

Die Maßnahmen stellen sowohl Mieter als auch Vermieter betroffener Einrichtungen vor erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen, insbesondere solche von Ladenlokalen, Gastronomiebetrieben oder Hotels. Unter anderem stellt sich die Frage, ob Miet- oder Pachtzahlungspflichten in gewerblichen Mietverhältnissen angesichts der Coronakrise fortbestehen. Da die Vertragsparteien wohl nur in den seltsensten Fällen vertragliche Regelungen für solch eine Situation bestimmt haben, ist die Rechtslage nicht eindeutig und einzelfallabhängig.

Öffentlich-rechtliche Beschränkung des Betriebs kein Mietmangel

Die Behörden setzen die Corona-Maßnahmen durch betriebs- bzw. branchenbezogene Allgemeinverfügungen und Verordnungen um. Dabei sind nicht das vermietete Gebäude an sich Gegenstand oder der Eigentümer Adressat der Anordnungen, sondern der Mieter als Betreiber.

Das Problem: Nahezu ausschließlich weisen gewerbliche Mietverträge betriebsbezogene Risiken und Einschränkungen dem Mieter zu. Dem Vermieter obliegt im Gegenzug nur die Sicherstellung der baurechtlichen Zulässigkeit des vermieteten Objekts. Entsprechend geht die Rechtsprechung bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen des Betriebs davon aus, dass diese grundsätzlich das Verwendungsrisiko des Mieters betreffen und nicht zu einem Mietmangel führen. Eine behördlich angeordneten Einschränkung (oder gar Schließung) des Betriebs ist daher regelmäßig kein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache . Das gilt nach Auffassung der Gerichte auch dann, wenn durch eine betriebsbezogene Beschränkung der Betrieb des Mieters vorübergehend unmöglich wird.

Auch ein sogenannter Umfeldmangel dürfte aus diesen Gründen in der aktuellen Corona-Situation nicht liegen. Eine Mietminderung infolge von Umfeldmängeln kommt nämlich nur in Betracht, wenn der Umfeldmangel bei Mietvertragsschluss für den Vermieter vorhersehbar war. Mit der Coronakrise dürfte niemand ernstlich gerechnet haben.

Risikoverteilung unklar: Mieter dürfen hoffen

Ein Lichtblick für Mieter könnte sich aber dennoch ergeben, denn die meisten gewerblichen Mietverträge sehen nicht allein die Vermietung der (leeren) Flächen vor, sondern regeln meist sehr detailliert den beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck. Der Mietzweck verpflichtet einerseits den Mieter, die Mietsache nicht über den vereinbarten Zweck hinaus zu nutzen. Andererseits verpflichtet er aber auch den Vermieter, dem Mieter ein Mietobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.

Kann der Mietzweck, beispielsweise die Nutzung als Einzelhandelsgeschäft, infolge einer behördlichen Anordnung nicht mehr erreicht werden, könnte hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vermieterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Zweck zu sehen sein. Gesetzliche Folge wäre zunächst, dass der Mieter von der Gegenleistung befreit wäre, also von der Zahlung Miete – und zwar für die gesamte Zeit der Unmöglichkeit.

Nun könnte man dagegen argumentieren, dass dem Vermieter in diesem beispielhaften Fall eine Vermietung als Einzelhandelsgeschäft weiter möglich wäre (nur eben begrenzt auf wenige systemrelevante Branchen wie etwa den Lebensmitteleinzelhandel) und dass der Mieter entsprechend weiter zu zahlen habe. Dieses Argument taugt aber nicht, wenn der Mietvertrag einen besonderen und damit konkreten Mietzweck vorsieht, etwa die Vermietung eines Bekleidungsgeschäfts oder die Verpachtung einer Gaststätte.

Das Erfüllungshindernis allein in die Risikosphäre des Mieters zu verfrachten dürfte auch deshalb fehlgehen, weil es sich bei den aktuellen Corona-Maßnahmen nicht um ein Hindernis aus dem speziellen Betrieb des Mieters handelt, sondern die Flächen generell nicht mehr zum Beispiel für den (nicht systemrelevanten) Einzelhandel genutzt werden können. Weder andere Mieter noch der Vermieter selbst könnten die Flächen für die Dauer der behördlichen Anordnungen in einer vertragsgemäßen Weise nutzen. Das zeigt, dass die aktuelle Situation, deren Eintritt von den Parteien nicht einmal im Entferntesten bedacht wurde, in den meisten Fällen nicht vollumfänglich der Risikosphäre einer einzelnen Mietvertragspartei zugeordnet werden kann.

Ebenso denkbar: Störung der Geschäftsgrundlage

Aus diesen Gründen ist ebenfalls denkbar, in den behördlichen Anordnungen oder der Coronakrise als solcher eine Störung der Geschäftsgrundlage zu sehen. Die Rechtsprechung hat Störungen der Geschäftsgrundlage in der Vergangenheit zum Beispiel gesehen, wenn Geschäftsmöglichkeiten infolge von Embargos oder kriegsähnlichen Zuständen oder sonstigen Ereignissen weggefallen sind, die nicht vorherzusehen waren.

Es spricht insbesondere bei der jetzigen dynamischen Entwicklung der Krise einiges dafür, die Corona-Maßnahmen und Auswirkungen in diese Kategorie einzuordnen, da sie offensichtlich nicht der Risikosphäre einer Mietvertragspartei zugeordnet werden können. Die Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrundlage reichen von der Anpassung des Vertrages (d.h. insbesondere einer Mietreduzierung) bis zu einer Aufhebung des Mietvertrages, was etwa bei einer länger andauernden Krise in Frage kommen könnte.

In der Praxis sollten sich die Vertragsparteien also zusammensetzen und besprechen, was in ihrer individuellen Konstellation als Kompromiss in Betrach käme. Immerhin haben sehr wahrscheinlich beide Parteien eine Situation wie die aktuelle nicht kommen sehen und dürften an einem nach der Krise weiter andauernden und gesunden Mietverhältnisses Interesse haben. Neben einvernehmlichen Mietreduzierungen für den kommenden Monat wären zum Beispiel auch Stundungsvereinbarungen eine Lösungsmöglichkeit.

Der Autor Marc Alexander Häger, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner, der Autor Marvin Rochner Rechtsanwalt und Junior-Partner bei Oppenhoff & Partner in Köln.

Kanzlei der Autoren

Zitiervorschlag

Geschlossene Geschäfte in der Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40969 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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