Schlechte Nachrichten für Studienwillige in Baden-Württemberg: Das BVerwG hat eine Verordnung bestätigt, nach der die bei einer Studienplatzklage aufgefundenen zusätzlichen Studienplätze nach Kriterien vergeben werden, die kaum jemand komplett erfüllen kann. Die Studienplatzkläger werden zum Teil rechtlos gestellt, meint Marian Lamprecht, der auf das BVerfG hofft.
Zunächst sah es gut aus für den Studienbewerber, der bis in die letzte Instanz ging mit seinem Anliegen, einen Studienplatz für das Numerus-clausus-Fach Medizin zu erhalten. Im Eilverfahren hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die baden-württembergische Regelung zur Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Kapazität zunächst außer Kraft gesetzt. In der Hauptsache war der Studienwillige nun aber nicht erfolgreich.
Bei der früheren Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (heute: Stiftung für Hochschulzulassung) hatte er sich erfolglos um einen Studienplatz im zentralen Vergabeverfahren beworben. Danach wollte er von den baden-württembergischen Universitäten unmittelbar zum Studium zugelassen werden.
Solche Studienplatzklagen können durchaus Erfolg versprechend sein, in jedem Jahr werden sie tausendfach eingereicht. Die Hochschulen müssen die Anzahl ihrer Studienplätze jedes Semester neu berechnen. Das für Studienplatzklagen zuständige Verwaltungsgericht stellt dann fest, ob mehr Studienplätze vorhanden sind als vergeben wurden, die so genannten aufgedeckten Studienplätze. Dann weist es die Uni an, die freien Plätze zu verteilen. Häufig geschieht das im Losverfahren.
Baden-Württemberg: Bewerbung nur für zwei Hochschulen möglich
Der Bewerber in Baden-Württemberg aber gab sich mit der Studienplatzklage nicht zufrieden: Er griff mit einem Normenkontrollantrag die Landesregelung für die Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen an.
Bis auf die Universität Ulm hat jede Hochschule des Landes Baden-Württemberg die Auswahlkriterien so gestaltet, dass nur Bewerber in die engere Wahl kommen, welche die jeweilige Hochschule bei ihrer Bewerbung auf Platz 1 oder 2 angegeben haben. Es bedarf keiner tiefgreifenden Mathematikkenntnisse, um zu erkennen, dass man die Bedingungen nur für maximal zwei Hochschulen erfüllen kann.
Die Vorschrift führt dazu, dass ein im Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung nicht berücksichtigter Studienwilliger die Kapazität der Hochschulen in Baden-Württemberg nicht insgesamt auf so genannte "versteckte Studienplätze" in Anspruch nehmen kann. Er ist vielmehr beschränkt auf vereinzelte Universitäten, weil er die von der Hochschule aufgestellten Kriterien erfüllen muss, diese also als seine „Top Two“ angegeben haben muss.
Diese Beschränkung wollte der Bewerber nicht hinnehmen. Und während der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim seine Klage noch abwies, war er vor dem BVerwG zunächst erfolgreich. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzten die Leipziger Richter die baden-württembergische Regelung vorläufig außer Kraft.
BVerwG: Kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit
Nun aber hat der 6. Senat im Hauptsacheverfahren anders entschieden: Das BVerwG sehen es als zulässig an, dass die bei einer Studienplatzklage aufgedeckten zusätzlichen Studienplätze vorrangig an die Bewerber zu vergeben sind, die sich vorab bei der jeweiligen Hochschule in Baden-Württemberg im Auswahlverfahren der Hochschulen beworben haben (Urt. v. 23.03.2011, Az. 6 CN 3.10).
Die Bundesrichter haben dazu die landesrechtliche Norm so ausgelegt, dass sie nach Auffassung des Gerichts nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Die aufgedeckten Studienplätze sollen nach den Ranglisten der Auswahlverfahren der Hochschulen an die Bewerber verteilt werden, die Klage erhoben haben. Wenn dann noch weitere Studienplätze vorhanden sein sollten, werden diese an die weiteren Aspiranten vergeben, die nicht geklagt haben.
Bei dieser Auslegung verstießen die Vorschriften nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz enthaltenen Gewährleistungen der Berufsfreiheit und der freien Wahl der Ausbildungsstätte. Studienplätze würden danach innerhalb und außerhalb der festgesetzten Kapazität nach möglichst gleichen Kriterien vergeben, so die Leipziger Richter. Dabei erschwerten die baden-württembergischen Regelung en auch die Führung von Studienplatzprozessen nicht so sehr, dass die Gefahr bestünde, dass eine gerichtliche Kapazitätsüberprüfung und damit auch die vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten nicht mehr möglich wäre.
Es bleibt abzuwarten, ob der Rechtsstreit bis zum Bundesverfassungsgericht geht. Das höchste deutsche Gericht hat bisher in zahlreichen Entscheidungen die Rechte der Studienplätzkläger gestärkt. Es besteht also Hoffnung, dass auch für die baden-württembergische Regelung noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde.
Für angehende Studierende ist es gerade in NC-Studiengängen sinnvoll, bereits vor der Bewerbung bei der Stiftung für Hochschulzulassung (ZVS) einen spezialisierten Anwalt zu kontaktieren, welcher bei der erfolgsorientierten Auswahl der Hochschulen sowohl im Vergabeverfahren als auch für die Studienplatzklage behilflich sein kann – wenn sie denn erforderlich werden sollte.
Der Autor Marian Lamprecht ist Rechtsanwalt bei Korte Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht, das Schul- und Hochschulrecht ist einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte.
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BVerwG zur Studienplatzklage in Ba-Wü: . In: Legal Tribune Online, 23.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2858 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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