Motorräder werden nur saisonal genutzt. Eine Fahrtenbuchauflage für einen dementsprechend längeren Zeitraum auszusprechen, ist zulässig, so das BVerwG am Donnerstag. Adolf Rebler erläutert die Entscheidung und Grundsätzliches zum Fahrtenbuch
Etwas zu schnell unterwegs war ein Biker in Niedersachsen: statt der erlaubten 70 km/h hatte er 97 auf dem Tacho, als er geblitzt wurde. Die Verkehrsüberwachung schickte dem Fahrzeughalter einen Anhörbogen mit einem Heckfoto des Motorrads. Er wisse nicht, wer gefahren sei, erklärte der Mann – er selbst jedenfalls nicht.
Wie in solchen Fällen nicht unüblich, legte die Verkehrsbehörde ihm auf, ein Fahrtenbuch zu führen. Dies nicht etwa für die nächsten zwölf, sondern für 15 Monate. Nur so, meinte sie, könne bei einem saisonal genutzten Fahrzeug die gleiche Präventionswirkung erreicht werden wie bei einem ganzjährig genutzten Pkw. Dieser Einschätzung hat sich nun auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) angeschlossen (Urt. v. 28.05.2015, Az. 3 C 13.14).
Gewichtiger Verkehrsverstoß + unbekannter Fahrer = Fahrtenbuchauflage
Nach § 31a Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
Bei § 31a handelt es sich – wie bei allen Bestimmungen der StVZO – um eine (sicherheitsrechtliche) Maßnahme zur Gefahrenabwehr, nicht um eine (repressive) Maßnahme der Strafverfolgung. Ihr Sinn ist es, bereits im Vorfeld ungeeignete Kraftfahrer zu erfassen und sie zu identifizieren, um (weiteren) Verkehrsverstößen vorzubeugen (BVerwG NJW 1964, 1384). Bei künftigen Verkehrsordnungswidrigkeiten soll die Fahrtenbuchauflage die Identifizierung des Fahrzeugführers sicherstellen – und zwar rechtzeitig, innerhalb der zumeist kurzen Verjährungsfristen.
Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches trägt in der Regel auch dazu bei, dass Verstöße in Zukunft ganz unterbleiben. Ein Fahrzeugführer, der damit rechnen muss, dass er wegen des Fahrtenbuch zur Verantwortung gezogen werden wird, wird dementsprechend vorsichtig fahren.
Voraussetzung: Verkehrsverstoß von "einigem Gewicht"
Eine Fahrtenbuchauflage ist schon bei einem einzigen Verkehrsverstoß möglich (BVerwG NZV 2000, 386), allerdings nur dann, wenn diesem einiges Gewicht zukommt. Liegt nur ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß vor, der sich weder verkehrsgefährdend ausgewirkt hat noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, ist die Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt.
Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt aber nicht davon ab, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist (BVerwG NZV 2000, 368; DAR 1995, 458). Streng genommen ist die Vorgabe, dass für eine Fahrtenbuch-Auferlegung ein "gewichtiger" Verkehrsverstoß vorliegen muss, Teil der Ermessenausübung.
Bei der Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist eine Orientierung an der Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) möglich. Ein Verkehrsverstoß "von einigem Gewicht" kann auch zu bejahen sein, wenn er nur mit einem Punkt i. S. d. Anlage zur FeV bewertet wird (BVerwG NZV 2000, 386). Auf die Erfüllung weiterer Kriterien, etwa das der (konkreten) "Gefährlichkeit des Verstoßes", wird man dann im Regelfall verzichten können (OVG Münster NJW 1999, 3279). Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, setzt nicht den Nachweis einer konkreten Gefahr voraus.
Unmöglichkeit der Feststellung des "Sünders"
Eine Fahrtenbuchauflage ist nur zulässig, wenn es der Behörde "unmöglich" war, den Verkehrssünder zu fassen. Zu den Pflichten der Behörde gehört es grundsätzlich auch, dass sie den Fahrzeughalter unverzüglich anhört. Das hat innerhalb von zwei Wochen zu geschehen und ist notwendig, damit der Halter die Frage, wer zur Tatzeit Fahrer des Fahrzeugs war, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (BayVGH Beschl. v. 08.01.2007, Az. 11 CS 07.1287).
Etwas anderes gilt, wenn zur Identifizierung des Täters ein geeignetes, ausreichend scharfes Foto vorliegt (VG München Beschl. v. 03.07.2007 Az. M 23 S 07.2264 – Juris). Das ist aber bei einem Motorrad natürlich regelmäßig nicht der Fall.
Ob der Fahrzeughalter vergeblich versucht hat, zu den Ermittlungen beizutragen und ob ihn ein Verschulden an der Erfolglosigkeit der Ermittlungen trifft, spielt keine Rolle. Denn die Fahrtenbuchauflage ist keine Sanktion für ein Verschulden des Fahrzughalters (VG Hamburg Urt. v. 17.12.97 Az. 17 VG 2298/97 – Juris).
Zeitliche Begrenzung der Auflage
Aus § 31a lässt sich nicht das zwingende Gebot ableiten, die Maßnahme zeitlich zu begrenzen. Die Anordnung der Maßnahme ist ein Dauer-Verwaltungsakt; grundsätzlich muss die Behörde aber prüfen, ob nicht ein bestimmter Zeitraum ausreicht. Bei erstmaligem Verstoß, der aber einen beachtlichen Mangel an Verkehrsdisziplin zeigt, wird i.d.R. ein Jahr angemessen sein (VGH Mannheim DAR 1991, 433).
Die Festlegung der Dauer, für die das Fahrtenbuch zu führen ist, liegt im Ermessen der Behörde. Bei einem erstmaligen und eher leichten Verstoß sind sechs Monate in der Regel angemessen, bei gröberen Verstößen ist auch ein Jahr, bei Straftaten ohne Weiteres auch zwei oder sogar drei Jahre möglich. Im Falle von nur saisonal genutzten Fahrzeugen kann die Frist zudem, wie das BVerwG am Donnerstag entschieden hat, entsprechend verlängert werden. Immerhin wird der Halter eines nur saisonal genutzten Motorrads durch die Fahrtenbuchanordnung während der Zeit ohnehin nicht belastet, in der er sein Fahrzeug außer Betrieb genommen hat.
Der Autor Dr. Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat der Regierung der Oberpfalz in Regensburg. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen insbesondere zum Verkehrsrecht.
Adolf Rebler, BVerwG zu Fahrtenbuchauflage: . In: Legal Tribune Online, 29.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15693 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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