Das BVerwG erleichtert einen kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des globalen Klimaschutzes. Das ist wichtig für den Faktor Wärme in der Energiewende, kommentiert Felix Ekardt.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat am Donnerstag ein Urteil zu der Frage gefällt, unter welchen Voraussetzungen eine Kommune den Anschluss- und Benutzungszwang an eine Fernwärmeversorgung zum Zwecke des globalen Klimaschutzes nach § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) anordnen darf (Urt. v. 08.09.2016, Az. 10 CN 1.15). Es hat entschieden, dass die Gemeinde- und Stadträte vor Erlass einer solchen Satzung nicht immer ein aufwändiges Gutachten über die klimatischen Auswirkungen der Maßnahme einholen müssen. Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Halberstadt und einer lokalen Wohnungsbaugenossenschaft zugrunde.
Hintergrund ist, dass die Fernwärmeversorgung für die Gemeinden nur mit einer gewissen Anzahl an Abnehmern wirtschaftlich machbar ist. Gleichzeitig ist Fernwärme wegen ihrer Effizienzvorteile oftmals in der Ökobilanz verglichen mit separaten Feuerungsanlagen in allen Häusern günstiger. Dies erlangt vor dem Hintergrund des neuen völkerrechtlichen Pariser Klima-Abkommens vom Dezember 2015 hohe Bedeutung, ist dort doch in Art. 2 Abs. 1 normiert, dass die globale Erwärmung deutlich begrenzt werden soll.
Und zwar so deutlich, dass letztlich ein kurzfristiger Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bei Strom, Wärme, Treibstoff, Dünger und Kunststoffen nötig ist. Die Fernwärmeversorgung beruht überwiegend noch auf fossilen, aber effizienter genutzten Energieträgern, ist also zumindest ein vorsichtiger Schritt in die richtige Richtung.
OVG: ausführliches Klimagutachten als Voraussetzung
Der konkrete Fall vor dem BVerwG stellte sich wie folgt dar. Eine ostdeutsche Stadt beschloss im September 2012 eine Satzung, mit der für einen Teil des Stadtgebiets zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung angeordnet wurde. Eine Wohnungsbaugesellschaft stellte dagegen einen Normenkontrollantrag vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) und bestritt, dass mit dem Anschluss der Grundstücke an die Fernwärmeversorgung im konkreten Fall Vorteile für den Klimaschutz verbunden seien.
Das OVG hat die Satzung in wesentlichen Teilen für unwirksam erklärt, weil ein dringendes öffentliches Bedürfnis im Sinne des § 8 Nr. 2 Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO) nicht hinreichend festgestellt sei. Die Stadt habe es vor dieser Anordnung unterlassen, den dafür erforderlichen gutachtlichen Vergleich der zu erwartenden Treibhausgasemissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung durchzuführen.
Fachlicher Hintergrund dafür ist, dass die Fernwärme zwar tendenziell die für den Klimaschutz bessere Lösung darstellt, gleichzeitig aber die Bilanz nicht in jedem Fall entscheidend besser ist. Endgültigen Aufschluss könnte insoweit tatsächlich erst eine Detailbetrachtung im Einzelfall erbringen.
BVerwG: Keine Verschärfung durch Landesrecht erlaubt
Das BVerwG hat der Revision der Stadt dennoch stattgegeben und festgestellt, dass § 16 EEWärmeG als bundesrechtliche Erweiterung für die Ermächtigung für die Kommunen, einen Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen, zwar in einem bestimmten Umfang Raum lässt für eine ergänzende Anwendung von Landesrecht. Jedoch ermächtigt die Vorschrift die Länder nicht, die Anforderungen in Bezug auf den globalen Klimaschutz zu verschärfen. § 8 Nr. 2 GO könne daher nicht als Grundlage für zusätzliche Erfordernisse herangezogen werden.
Nach dem EEWärmeG kann ein gutachtlicher Vergleich der zu erwartenden Treibhausgasemissionen mit und ohne Anschluss- und Benutzungszwang nicht generell gefordert werden. Wenn die Fernwärmeversorgungseinrichtung in einem bestimmten Mindestmaß mit erneuerbaren Energien, mit Abwärme oder Kraft-Wärme-Koppelung betrieben wird, also so wie in Anlage VIII des Gesetzes geregelt, so spricht eine generelle Vermutung dafür, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Wohngebieten dem Klima- und Ressourcenschutz dient. Das überzeugt im Grundsatz: Denn zumindest wird dann fossile Energie effizienter als bisher eingesetzt.
Erfüllt die Fernwärmeversorgungseinrichtung die genannten Anforderungen nicht, bedürfe es allerdings in der Regel einer konkreten Vergleichsberechnung in Bezug auf die gesamtklimatischen Auswirkungen, so das BVerwG. Da das OVG noch nicht geprüft hat, ob die Fernwärmeeinrichtung der Stadt Halberstadt den Anforderungen der Anlage VIII des EEWärmeG entspricht, hat das BVerwG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Insgesamt haben die Leipziger Richter damit den Bereich der Fernwärme in nachvollziehbarer Weise gestärkt. Das sollte freilich nicht davon ablenken, dass das Pariser Klimaabkommen weitergehende Schritte in Deutschland und der EU (und darüber hinaus) einfordert, um den globalen Klimawandel auf ein noch einigermaßen erträgliches Niveau zu begrenzen.
Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin und ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock.
Felix Ekardt, BVerwG zu Anschluss- und Benutzungszwang: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20531 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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