In Deutschland dürfen sich Kunden in einer Apotheke auch künftig nicht selbst bedienen. Das entschied das BVerwG am Donnerstag und wies damit Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Verbots zurück. Warum sie das Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" für aktueller denn je halten, kommentieren Florian Wittmann und Hendrik Lauster.
Traubenzucker und Blasenpflaster dürfen weiterhin zur Selbstbedienung in Apotheken ausliegen, apothekenpflichtige Medikamente gibt es dagegen nur am Tresen auf individuellen Wunsch und nach pharmazeutischer Beratung. Damit scheiterte ein Apotheker in letzter Instanz, der sich gegen ein behördliches Verbot gewehrt hatte, als apothekenpflichtig gekennzeichnete Arzneimittel in der Selbstbedienung zum Verkauf anzubieten (§ 17 Abs. 3 Apothekenbetriebsordnung).
Das Selbstbedienungsverbot berücksichtigt, dass Arzneimitteln Waren sind, deren Erwerb häufig mit Risiken behaftet ist. Es besteht daher ein wesentlich höherer Beratungsbedarf. Dementsprechend bietet das pharmazeutische Personal, ganz im Sinne des gesetzgeberischen Leitbildes des "Apothekers in seiner Apotheke", individuelle Information und Beratung – und zwar bevor der Kunde sich für ein bestimmtes Medikament entscheidet.
Selbstbedienungsverbot zwingt Kunden zu Beratung
Der Kläger hielt dieses Leitbild jedoch für überholt und spätestens durch den Versandhandel von Arzneimitteln für nachhaltig erschüttert. Fachkundiges Personal, das individuelle informiere und berate, gebe es dort nicht mehr. Die persönliche Begegnung mit dem Apotheker entfalle gänzlich. Das zeige, dass zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung eine unmittelbare Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln durch fachkundige Personen nicht mehr erforderlich sei. Das Selbstbedienungsverbot beschränke ihn ungerechtfertigt in seiner Berufsfreiheit und sei daher verfassungswidrig.
Diesen Ausführungen folgten die Gerichte nicht. In letzter Instanz wies nun das BVerwG die Revision des Apothekers zurück, wobei es sich dabei im Wesentlichen der Argumentation der unteren Verwaltungsgerichte anschloss. Hinreichende Gründe des Gemeinwohls rechtfertigten das Selbstbedienungsverbot, denn es fördere das Zustandekommen eines Beratungsgesprächs und verhindere damit eine unkontrollierte Arzneimittelabgabe. Das Selbstbedienungsverbot zwinge den Kunden nämlich, sich zunächst an die Mitarbeiter der Apotheke zu wenden. So werde das Risiko minimiert, ein ungeeignetes Medikament einzunehmen oder ein an sich geeignetes Präparat fehlerhaft anzuwenden (Urt. v. 18.10.2012, Az. 3 C 25.11).
Eine Selbstbedienung führe dagegen zu faktischen Beratungshindernissen. Nach einer einmal getroffenen Kaufentscheidung seien Kunden für eine nachträgliche Beratung nur noch wenig empfänglich. Der Bezahlvorgang an der Kasse sei nicht der richtige Moment für eine Beratung.
Information im Internet birgt Gefahr falscher Selbstmedikation
Medikamente sind keine gewöhnlichen Waren. Deshalb muss das Geschäft einer Apotheke beispielsweise von öffentlichen Betriebsräumen und Ladenstraßen getrennt werden. Apotheker und ihr Personal müssen bestimmte persönliche und fachliche Qualifikationen erfüllen. Diese dem Berufsbild des Apothekers immanenten Grundsätze ziehen sich durch das Arzneimittelrecht und sollen einer angemessenen Medikamentenversorgung dienen.
Auch der im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung eingeführte Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln unterliegt der Kontrolle durch einen Apotheker, so dass Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit gewährleistet bleiben.
Zusätzlich bergen Internetseiten wie netdoktor.de oder frag-einen.com/arzt nicht zu unterschätzende Gefahren wie die falsche Selbstmedikation bis hin zum Arzneimittelmissbrauch. Das gesetzliche Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" scheint daher aktueller und wichtiger denn je.
Die Autoren Rechtsanwalt Florian Wittmann und Hendrik Lauster sind Wissenschaftliche Mitarbeiter der Forschungsstelle für Pharmarecht an der Philipps-Universität Marburg.
BVerwG zum Selbstbedienungsverbot: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7347 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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