Die Stadt Büdingen in Hessen änderte ihre Satzung, um die NPD-Fraktion von Zuwendungen auszuschließen. Der VGH attestierte bereits die Verfassungswidrigkeit der Aktion mit dem Verweis auf Art. 3 GG. Am Mittwoch entscheidet das BVerwG.
Büdingen liegt in einem feuchten, sumpfigen Tal, heißt es auf Wikipedia. Von den rund 22.000 Einwohnern der kleinen Stadt im Regierungsbezirk Darmstadt gehören rund 70 Prozent einer christlichen Gemeinde an. Politisch ist die viertstärkste Kraft in der Stadt die NPD: Über zehn Prozent konnte die Partei bei der Kommunalwahl 2016 für sich verbuchen. Politisch stärker sind nur noch die Freie Wählergemeinschaft (FWG), die CDU und die SPD, schwächer sind die Wählervereinigung "Pro Vernunft", Bündnis90/Grüne und die FDP.
Mitglieder all dieser Parteien trafen sich am 27. Januar 2017 zur Stadtverordnetenversammlung, es standen 29 Punkte auf der Tagesordnung – so jedenfalls in der Fassung, die online abrufbar ist. Details dessen werden in den inzwischen laufenden Verfahren bestritten.
Unbestritten war dieser Tag im Januar der des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – und der zehnte Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über das NPD-Verbotsverfahren (Urt. v. 17.01.2017, Az. 2 BvB 1/13). In Büdingen ging es seinerzeit in TOP 29 um einen gemeinsamen Antrag der Parteien FWG, Bündnis90/GRÜNE und SPD zur Änderung der Entschädigungssatzung. Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien oder Vereinigungen sollten von finanziellen Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung ausgenommen werden. Anders ausgedrückt: Fast alle sollten weiter Geld bekommen für ihre politische Arbeit, nur nicht die NPD. Der Antrag wurde mehrheitlich mit 24 Ja-Stimmen bei drei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen beschlossen.
Vor dem VGH gescheitert
15 Tage nach der Entscheidung des BVerfG zum NPD-Verbot stellte die rechtsextreme Fraktion einen Normenkontrollantrag. Sie obsiegte damit vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Hessen (Urt. v. 05.04.2017, Az. 8 C 459/17). Denn nach Auffassung des 8. Senats des VGH verstößt der Ausschluss von Fraktionen erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien von Fraktionszuwendungen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG). Für die Ungleichbehandlung gebe es auch keine sachliche Rechtfertigung. Bereits das gewählte Unterscheidungskriterium der erkennbaren Verfassungsfeindlichkeit sei unzulässig, denn nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 (GG) dürfe niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden, so der VGH.
Eine zulässige Durchbrechung dieses Diskriminierungsverbots wegen politischer Anschauungen zu Lasten einer Partei sei erst dann möglich, wenn die erkennbare Verfassungsfeindlichkeit zu einem Verbot der Partei durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beziehungsweise zu einem behördlichen Verbot der Vereinigung geführt habe. An dieser Rechtslage habe sich auch durch das Urteil des BVerfG vom 17. Januar 2017 nichts geändert.
Über den Ausschluss entscheidet das BVerfG
Für Professor Ferdinand Gärditz war diese Entscheidung absehbar: "Das BVerfG hatte zwar die verfassungsfeindlichen Ziele der NPD festgestellt, mangels realer Chancen der Zielverwirklichung aber ein Parteiverbot abgelehnt und betont, dass die Verfassung Rechtsfolgen unterhalb eines Verbots nicht kennt", sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. Ein missverstandenes Obiter Dictum vom Präsidenten des BVerfG, Andreas Voßkuhle, aus der NPD-Urteilsverkündung bezüglich der Möglichkeit einer Verfassungsänderung, um den Ausschluss von der Parteienfinanzierung künftig den Weg zu ebnen, habe zu Schlagzeilen in der Presse geführt, die den Inhalt des Urteils nicht getroffen hätten. Das Urteil selbst, im Ausdruck immerhin gut 300 Seiten, habe vermutlich kaum einer in der Stadtverwaltung von Büdingen gelesen, erklärt sich Gärditz die Initiative.
Der Bundesgesetzgeber wurde jedoch, angeregt durch das BVerfG, im Juni 2017 tätig, und fügte einen Abs. 3 in Art. 21 GG ein, über den ein Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Finanzierung möglich ist. Allerdings wurde der Ausschluss in Absatz 4 wie das Verbot beim BVerfG monopolisiert: Über […] den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das BVerfG.
Grundgesetz und Hessische Gemeindeordnung
Zwei Professoren, die für den Bund auch das NPD- Verbotsverfahren betrieben haben, sind beauftragt, in Bezug auf die NPD einen entsprechenden Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung zu stellen. Noch ist das nicht passiert, der Antrag befindet sich noch in der Vorbereitung, teilte einer der Professoren auf LTO-Anfrage mit.
"Die Formulierung im Grundgesetz bedeutet aber zweifellos, dass eine einseitige Entziehung der Parteienfinanzierung durch die Verwaltung rechtswidrig ist", sagt Gärditz. Und was für Parteien gelte, müsse auch für Fraktionen gelten, die ihre Legitimation zwar aus der Freiheit des Mandats der Mitglieder ableiten, aber Teil der Parteiarbeit sind. Raum für ergänzende Regelungen gebe es damit schlichtweg nicht. "Das ist im Gesetzgebungsverfahren thematisiert worden und es wurde bewusst am Monopol des BVerfG festgehalten, über diese Frage zu entscheiden ", so der Staatsrechtler.
Die Stadt, vertreten durch den Hessischen Städte- und Gemeindebund, der für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung stand, argumentiert hingegen mit § 36a der Hessischen Gemeindeordnung (HGO). Danach ist die Frage der Zuwendungen an Fraktionen eine "Kann"-Vorschrift. Es steht also im Ermessen der Kommune, ob derartige Zuwendungen erteilt würden. Beim VGH konnte sich die Stadt mit dieser Argumentation jedenfalls nicht durchsetzen, sie war es auch, die Revision einlegte.
Nun entscheidet das BVerwG. In Hinblick auf die hessische Landtagswahl im Oktober können die Politiker jedenfalls sagen, sie hätten alles versucht gegen die rechte Partei. Es habe zwei Rechtsauffassungen gegeben und das Gericht sei der eigenen leider nicht gefolgt – oder auch doch, je nachdem, wie die Leipziger Richter am Mittwoch entscheiden. Das wäre allerdings eine Überraschung: Sich sehenden Auges gegen den Rechtsstaat zu stellen, ist bereits bei der Vermietung der Stadthalle Wetzlar an die NPD nach hinten losgegangen.
Tanja Podolski, Stadt Büdingen streicht der NDP-Fraktion die Finanzierung: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29399 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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