Zuletzt ging die Tendenz eher dahin, das Verbot von Schleichwerbung zu lockern. Einer weiteren Liberalisierung stellt sich das BVerwG aber nun für fremdproduzierte TV-Sendungen entgegen, erklären Robert Heine und Martin Bastius.
Nesquik-Dosen in der Lindenstraße, Nikon-Kameras auf dem Traumschiff oder L’tur-Reisen im Marienhof: Im Laufe der deutschen Fernsehgeschichte ist dem interessierten Zuschauer schon so manches Produkt verdeckt schmackhaft gemacht worden. Die Rechtslage dazu ist klar. Schleichwerbung ist verboten, während gekennzeichnetes Product Placement heute in Grenzen erlaubt ist. Was ist aber, wenn heimische Sender ausländische Produktionen ausstrahlen? Müssen sie zur Not auf die Ausstrahlung verzichten, wenn werbende Inhalte ungekennzeichnet im Programm auftauchen?
Ja, das müssen sie, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jetzt entschieden. Schleichwerbung ist auch dann verboten, wenn ein Sender auf den Inhalt einer ausgestrahlten Sendung keinen Einfluss nehmen konnte, weil er sie fertig eingekauft hat (Urt. v. 21.06.2016, Az. 6 C 9.15).
Mit diesem Urteil vom Mittwoch erschwert das BVerwG den TV-Sendern die Vermarktung von Fremdproduktionen im deutschen Fernsehen und erteilt weiteren Liberalisierungstendenzen der TV-Werbewelt einen Dämpfer.
Bayerische Landesmedienanstalt beanstandet US-Poker-Sendung
Dem Verfahren lag eine Klage des Fernsehsenders Sport1 zugrunde. Dieser hatte eine Poker-Sendung aus den USA eingekauft und mit deutschsprachiger Tonspur dem heimischen Publikum gezeigt. Die Zuschauer bekamen nicht nur Tipps und Tricks amerikanischer Poker-Profis zu sehen, sondern häufig auch das Logo der Poker-Seite f.net. Bei f.net handelt es sich um eine kostenlose Unterhaltungsseite, auf der Poker-Begeisterte ihre Fähigkeiten trainieren können.
Nach einem Sponsorenhinweis im Vorspann der Sendung war das Logo von f.net auf einer Leinwand zwischen zwei Kommentatoren, auf Spielchips, Dekorationstafeln im Studio und in Animationen zu sehen. Das Logo zierte auch die sog. Bauchbinden, im TV-Jargon die Einblendungen am unteren Bildrand zu den auftretenden Personen. Zusätzlich bewarb ein Einzelspot, der die Sendung unterbrach, die Seite ebenso wie derselbe Spot in einem Werbeblock. Die Sendung endete mit der Aufforderung an die Zuschauer, die Seite selbst auszuprobieren.
Das ging der für die Aufsicht über den privaten Rundfunk zuständigen Bayerischen Landesmedienanstalt zu weit: Nachdem die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) an der Sendung Anstoß genommen hatte, stellten die Aufseher über die privaten Rundfunkangebote in einem Beanstandungsbescheid fest, die Sendung beinhalte verbotene Schleichwerbung.
Schleichwerbung ist verboten – mit Ausnahmen
Das Verbot von Schleichwerbung ist in § 7 Abs. 7 S. 1 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) und zusätzlich für das Fernsehen in Ziffer 4 der Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für Werbung im Fernsehen (WerbeRL) geregelt. Über § 58 Abs. 3 RStV gilt es – weitestgehend unbeachtet – u.a. auch für professionelle YouTube-Kanäle.
Was konkret unter Schleichwerbung fällt, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV. Der Begriff stimmt mit dem der EU-Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste (AVMD) überein. Danach ist Schleichwerbung knapp gefasst eine Produktpräsentation mit Werbeabsicht des Senders. Aus der fehlenden Kennzeichnung werbender Inhalte ergibt sich, so die zweite Voraussetzung, dass sie zur Irreführung der Zuschauer geeignet ist.
Das ursprünglich umfassende Verbot hat mit der AVMD-Richtlinie eine wichtige Einschränkung erfahren. Seitdem ist offenes Product Placement vom Schleichwerbeverbot zu trennen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es erlaubt, Produkte zu platzieren. Dazu muss in jedem Fall vor der Sendung darauf hingewiesen werden und die Platzierung muss während der Sendung als solche gekennzeichnet sein.
Diese Liberalisierung für Product Placements trug vor allem dem Finanzierungsinteresse von Privatsendern Rechnung. Anders als der gebührenfinanzierte öffentliche Rundfunk sind sie auf Werbeeinnahmen angewiesen. Entsprechend ist es ihnen gestattet, Produkte offen und gegen Geld in ihren Sendungen zu platzieren. Doch auch im öffentlichen Rundfunk ist Product Placement möglich, hier aber entsprechend der unterschiedlichen Finanzierungsstruktur nur kostenlos oder in Fremdproduktionen.
2/2: Kein Einfluss auf Werbung in Fremdproduktion?
Sport1 hatte die beanstandete Sendung nicht als Product Placement gekennzeichnet –vermutlich, weil ihm nach dem Lizenzvertrag mit der Produktionsfirma jegliche Bearbeitung der Sendung untersagt war.
Gegen die Einordnung als Schleichwerbung führte der Sender ins Feld, es handele sich um zulässige sogenannte aufgedrängte Werbung. Dabei geht es um Reklame, die unvermeidbar ist – sei sie aus Gründen der Dramaturgie in einem fiktiven Geschehen notwendig oder Bestandteil eines tatsächlichen Geschehens, das wiedergegeben wird. Darunter fallen beispielsweise Sponsorenlogos bei der Übertragung von Sportwettkämpfen.
Im Übrigen argumentierte der Sender, er habe nicht mit der für Schleichwerbung per Gesetz erforderlichen Werbeabsicht gehandelt. Eine solche könne ihm nicht einfach unterstellt werden. Er habe gemäß dem Lizenzvertrag mit dem US-Produktionsunternehmen die eingekaufte Sendung nicht bearbeiten dürfen. Letztlich hätte er auf die Werbebotschaften nur durch eine gänzliche Absage der Ausstrahlung verzichten können.
Dieser faktische Zwang verletze ihn schließlich auch in seinem Grundrecht der Rundfunkfreiheit. Die Darstellung des Logos der Poker-Seite füge sich dabei aus programmlichen Gründen in seinen verfassungsrechtlichen Programmauftrag ein.
Werbung zu intensiv für Verbraucher
Von dieser Argumentation zeigte sich das BVerwG unbeeindruckt. Von der für Schleichwerbung erforderlichen Werbeabsicht geht der Senat aus. Darauf könne, so die Leipziger Richter, bei einem Rundfunkveranstalter dann geschlossen werden, wenn programmlich-redaktionelle Erfordernisse die Darstellung nicht rechtfertigten.
Für die Frage, ob eine Darstellung gerechtfertigt ist, stellte das Gericht die verfassungsrechtlich geschützte redaktionelle Freiheit des Senders dem Schutzzweck des Verbots gegenüber. Geschützt werden soll der Zuschauer vor "Irreführung über die Bedeutung" der Sendung. Letztlich argumentierte das Gericht, die Werbung sei zu intensiv, um unter Verbraucherschutzgesichtspunkten noch gerechtfertigt zu sein. Dagegen hatte die Vorinstanz die Werbeabsicht schon aus der objektiven Werbewirkung der Darstellung gefolgert.
Mit dieser Gesamtbetrachtung hat das BVerwG die Möglichkeit verpasst, sich zu der Frage zu positionieren, wann eine Werbedarstellung "gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt". Das Gesetz schließt bereits aus einer solchen Gegenleistung auf die für Schleichwerbung erforderliche Werbeabsicht (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 S. 2 RStV). So hatte die Landesmedienzentrale in der Vorinstanz argumentiert, die wirtschaftlichen Vorteile des Senders im Rahmen der Verträge mit der US-Produktionsfirma stellten eine "ähnliche Gegenleistung" dar.
Die neue Werbefeindlichkeit des BVerwG
Das BVerwG hat mit dieser Entscheidung seine zuletzt werbefreundliche Linie verlassen. Im Urteil vom 23. Juli 2014 (Az. 6 C 31.13) hatte das Gericht Liveschaltungen von einem Fußballspiel in das Hasseröder-"Männercamp" gebilligt, während die Aufsichtsbehörde noch von einer nach § 7 Abs. 7 S. 2 Nr. 3 RStV unzulässigen zu starken Herausstellung von Hasseröder-Bier ausgegangen war. Anders jedoch die Richter: Unzulässig wäre das Product Placement nur, wenn der Werbezweck dominiere.
Die nun ergangene Entscheidung spricht eine andere Sprache. Auch trägt sie dem Verbraucherschutz nur auf dem ersten Blick Rechnung. Das BVerwG übersieht, dass Werbung nicht nur eine Gefahr für unmündige Verbraucher sein kann. Es ist Werbung, die den Privatsendern und damit letztlich den Verbrauchern ein vielfältiges Programm ermöglicht. Letzteres gefährdet die nun ergangene Entscheidung zusätzlich. Sie erschwert es Fernsehsendern, dem heimischen Publikum ausländische TV-Produktionen zu zeigen. Das betrifft allerdings weniger die beliebten US-Serien, sondern eher Show-Formate wie etwa American Idol, in denen Product Placement wesentlich präsenter ist als in Deutschland. Wollte ein Sender solche Formate in Deutschland zeigen, müsste er genauer hinschauen – und Platzierungen entsprechend kennzeichnen.
Die Autoren Dr. Robert Heine, LL.M. (Chicago) und Martin Bastius sind bei Raue LLP in Berlin tätig und u.a. auf Urheber- und Medienrecht spezialisiert.
BVerwG beanstandet US-Pokersendung wegen Schleichwerbung: Schlechte Karten für US-Shows im deutschen Fernsehen . In: Legal Tribune Online, 23.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19773/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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