BVerwG zu Hintergrundtreffen mit Journalisten: BND muss Aus­kunft über ver­trau­liche Gespräche geben

von Dr. Markus Sehl

18.09.2019

Der Geheimdienst BND muss einem Journalisten Auskunft über Hintergrundgespräche geben, die er mit anderen Journalisten führt. Das hat das BVerwG entschieden. Es urteilte damit zu einer unregulierten Praxis der Pressearbeit.

Journalisten können aus ihrem verfassungsrechtlichen Presseauskunftsrecht vom Bundesnachrichtendienst (BND) verlangen, ihnen bestimmte Informationen über vertrauliche Hintergrundgespräche zu erteilen, die Vertreter des Auslandsgeheimdienstes mit anderen ausgewählten Journalisten führen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig mit einem am Mittwoch verkündeten Urteil entschieden (Urt. v. 18.09.2019, Az. 6 A 7.18).

Das BVerwG hatte sich mit einer ständigen Praxis in der Kommunikation zwischen Behörden und Journalisten zu beschäftigen. Staatliche Stellen laden einen ausgesuchten Kreis von Journalisten ein, diese erhalten Hintergrundinformationen, die sie für Ihre Arbeit zwar verwenden können, nicht aber direkt darüber schreiben dürfen. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand. Ausgewählte Journalisten können sich über exklusive Informationen freuen, die Behörde kann zumindest mitsteuern, wen sie wie informiert. Sie gibt vertrauliche Informationen in einen halb-öffentlichen Kreis. Das schafft Vertrauen und besseres Verständnis, sagen die Verteidiger der Praxis. Es schafft vor allem Abhängigkeiten, sagen die Kritiker.

Wer wird wann und wo zu Hintergrundgesprächen eingeladen?

Geklagt hatte der Jurist und Journalist Jost Müller-Neuhof vom Berliner Tagesspiegel. Er gehört dem Kreis der vom BND für Hintergrundgespräche berücksichtigten Journalisten nicht an. Im Frühjahr 2017 bat er den BND um die Erteilung von Auskünften zu der Anzahl, den Themen, dem personellen Rahmen sowie den Zeiten und Orten der im Vorjahr und im laufenden Jahr organisierten Hintergrundgespräche.

Anlass für Müller-Neuhof war die Berichterstattung anderer Medien über Aussagen des damaligen BND-Präsidenten Bruno Kahl im Nachgang zu dem Putschversuch 2016 in der Türkei. Der Journalist fragte sich, woher die anderen Journalisten ihre Erkenntnisse hatten. Der BND lehnte die Erteilung der verlangten Auskünfte zu den Hintergrundgesprächen ab.

Müller-Neuhof wandte sich an das BVerwG, das für Klagen gegen den BND in erster und letzter Instanz zuständig ist, und stellte zusätzlich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nachdem der Eilantrag in Bezug auf Fragen zum Militärputsch in der Türkei teilweise Erfolg gehabt hatte und der BND in der mündlichen Verhandlung die Fragen des Klägers nach der Anzahl, den Zeiten und den Orten der Hintergrundgespräche beantwortet hat, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für teilweise erledigt. Nach eigenen Angaben bat der BND jeweils rund 30 Pressevertreter zu den Gesprächen hinzu.

Offen geblieben war allerdings, ob der BND auch mitteilen muss, wer an den Hintergrundgesprächen teilgenommen hat. Und ob er die Themen der Hintergrundrunden mitteilen muss.

Journalistischer Informationsanspruch vs. journalistischer Persönlichkeitsrechtsschutz

Die Leipziger Richter haben nun zunächst einmal zu den Interessen des BND selbst an einer Auskunftsverweigerung entschieden, dass schutzwürdige öffentliche Interessen nicht hinreichend dargelegt wurden. Die Auskunftserteilung schaffe oder erhöhe nicht in beachtlicher Weise die Gefahr von Rückschlüssen auf die Arbeitsfelder und die Arbeitsweise des BND, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Dass der BND Hintergrundgespräche mit Journalisten auch unter Beteiligung seines Präsidenten durchführe, sei allgemein bekannt. Dadurch, dass dem Kläger mitgeteilt werde, welche Medien bzw. Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen der Präsident des BND teilgenommen hat, würden keine für eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BND relevanten zusätzlichen Informationen verbreitet.

Es sei weiterhin nicht ersichtlich, dass eine solche Gefährdung durch die Benennung der allgemeinen Themen der Runden, also nicht der konkreten Inhalte, eintreten könnte. Den BND treffe insoweit in Anbetracht des Umstands, dass er die Themen auf Grund eigenen Entschlusses und ohne hierzu verpflichtet zu sein, mit Journalisten - wenn auch unter vorausgesetzter Vertraulichkeit - erörtert hat, eine gesteigerte Darlegungslast. Dieser sei er nicht nachgekommen. Ins Gewicht soll also fallen, dass die Behörde sich proaktiv entschieden hat, Erkenntnisse mit einem eingeschränkten Kreis von Journalisten zu teilen.

Und auch in der Abwägung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der teilnehmenden Journalisten, überwiege das Informationsinteresse der Presse. Der klagende Journalist, so die Mitteilung des Gerichts, nehme das Informationsinteresse mit seinen Recherchen wahr, die Transparenz im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Nachrichtendiensten und der Presse herstellen sollen. Demgegenüber betreffe das schutzwürdige Interesse der Journalisten allein die Ausübung ihres auf Öffentlichkeit angelegten Berufs. Zudem gehe es bei den Hintergrundgesprächen um eine besondere Form der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BND.

Klagender Journalist: "Urteil dient der Öffentlichkeit"

"Das Urteil stärkt den Auskunftsanspruch von Journalistinnen und Journalisten und damit die Pressefreiheit", sagte Müller-Neuhof gegenüber LTO. "Es dient der Öffentlichkeit, weil vieles von dem, was die Regierung nur im Hintergrund erklärt, in den Vordergrund gehört."

Der BND erklärte nach der Urteilsverkündung, er nehme die Entscheidung "mit Respekt zur Kenntnis". Ob der Geheimdienst auch in Zukunft noch zu Hintergrundgesprächen einladen wird, ließ er offen.

Die Klage beim BVerwG ist aber nur ein Verfahren, das Müller-Neuhof derzeit führt. Er stellt auch mit weiteren Klagen die vertrauliche Zusammenarbeit von Behörden und Journalisten auf den Prüfstand. 2016 war Müller-Neuhof mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin zunächst erfolgreich, Bundeskanzlerin Angela Merkel sollte preisgeben, mit welchen Journalisten sie sich zu Hintergrundgesprächen getroffen habe. Der Spiegel schrieb bereits vom "Ende der Vertraulichkeit". Auf die Beschwerde des Bundeskanzleramts gegen die Eilentscheidung ändert das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Entscheidung ab. Eine Klärung müsse im Hauptsacheverfahren erfolgen.

Das OVG begründete seine Entscheidung damit, die Arbeitsabläufe im Bundeskanzleramt bei der Planung, Durchführung und Dokumentation von Gesprächen mit Medienvertretern müssten erst näher geklärt werden. Zurzeit sei offen, ob die Auskünfte erteilt werden könnten. Der Antragsteller könne sie aber nicht im Eilverfahren verlangen, sondern sei auf das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht zu verweisen. "Auch das Bundeskanzleramt sollte jetzt Transparenz schaffen, die bisher verweigert wird.", so Müller-Neuhof. Das VG könnte im nächsten Jahr in der Hauptsache entscheiden.

Die vom BVerwG heute entschiedenen Fragen betreffen einen weithin unregulierten Bereich der Pressearbeit zwischen Behörden und Journalisten. Beim Bundestag lagern derzeit Entwürfe von den Grünen und der FDP zu einem neuen Presseauskunftsgesetz auf Bundesebene – die sehen vor, dass es keine Bevorzugung einzelner Journalisten geben soll.

Zitiervorschlag

BVerwG zu Hintergrundtreffen mit Journalisten: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37705 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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