Das BVerwG stellt klar: Subsidiär Schutzberechtige stehen beim Familiennachzug nicht schlechter da als Ausländern mit bloßem Abschiebeverbot. Die dürften ihre Angehörigen nämlich auch nicht nachholen.
Es ist ein Fall, wie es ihn im Bezug auf Syrer seit einigen Jahren zu Tausenden gibt: Eine Frau aus Eritrea hat nur den subsidiären Schutz bekommen und möchte die Anerkennung als Flüchtling oder den Ausspruch eines Abschiebeverbots. Doch in dem Verfahren, das das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Donnerstag zu entscheiden hatte (Az. 1 C 29.17), steckt noch mehr. Zum einen ist es die erste Sprungrevision nach § 78 Abs. 6 Asylgesetz (AsylG), die das Gericht in Leipzig nach der Einführung des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 zu entscheiden hatte. Zudem geht es in dem Fall um eine Frage, die für Praktiker von immenser Bedeutung ist: Ob auch bei der Erteilung des subsidiären Schutzes gem. § 4 Abs. 1 AsylG ein nationales Abschiebeverbot festgestellt werden muss. Das wird bisher nämlich nicht gemacht.
Warum das so bedeutsam ist? Von dem Schutzstatus des Ausländers hängen die Regelungen für den Familiennachzug ab. Die Antragsteller gingen bei der Klageerhebung zu Recht davon aus, dass subsidiär Schutzberechtigte – bei denen der Familiennachzug bis Ende Juli ausgesetzt ist - ihre Familien nicht nachholen dürfen. Sie argumentierten deswegen, subsidiär Schutzberechtigte seien damit schlechter gestellt als Menschen mit bloßen Abschiebeverbot aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Solche Menschen sind gar nicht als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt, dürfen aber gleichwohl nicht abgeschoben werden, etwa, weil die Situation im Heimatland dies nicht zulässt.
Das BVerwG stellte nun klar: Die Aussetzung des Familiennachzugs gilt für alle.
Unmenschlich vermutlich, aber das reicht nicht
Der Entscheidung liegt schon fast ein klassischer Fall zugrunde: In dem auch als Nordkorea Afrikas bezeichnetem Land mit Militärdiktatur werden Männer und Frauen zum Wehrdienst eingezogen, nach Angaben von Pro Asyl für unbestimmte Zeit. Der Ehemann der Klägerin war aus dem Wehrdienst in den Sudan geflohen, sie folgte, nachdem sie in der Folge seine Flucht Bedrohungen ausgesetzt war. Sie schaffte es bis nach Deutschland und bekam auf ihren Asylantrag hin subsidiären Schutz zugesprochen. Sie selbst hatte vor ihrer Flucht weder Wehr- bzw. Nationaldienst geleistet und sich auch nicht politisch betätigt.
Die 28. Kammer am Verwaltungsgericht (VG) Berlin beließ es dabei und versagte der Frau und ihrem Sohn auch nach § 31 Abs.3 S. 2 AsylG die Feststellung von Abschiebungsverboten (Urt. v. 01.09.2017, Az. 28 K 166.17 A). Mit ihrer Klage begehrten die zwei im Kern die Verpflichtung der beklagten Ausländerbehörde zur Feststellung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise nationaler Abschiebungsverbote in Bezug auf Eritrea.
Das VG lehnte dies ebenso ab wie nun das BVerwG: Zwar drohe der Frau im Falle ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Folterverbotes nach Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), so schon das VG. Diese erfolge jedoch nicht gerade "wegen" eines Verfolgungsgrundes i.S.d. § 3 Abs. 1 EMRK i.V.m. § 3b AsylG, wie es für die Anerkennung als Flüchtling mit umfassendem Schutz erforderlich wäre.
Diese Feststellungen zur Verfolgungslage und –motivation habe das VG für das BVerwG bindend ohne Verstoß gegen Bundesrecht bewertet, so nun die Richter in Leipzig. Es sei unter Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der eritreische Staat sämtlichen Deserteuren und Verweigerern des Nationaldienstes sowie deren Familienangehörigen ohne weitere Anhaltspunkte eine gegnerische politische Überzeugung zuschreibe und sie deswegen zu bestrafen suche.
Erst Recht kein Familiennachzug bei Abschiebeverboten
Für ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 des AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK fehle schon das Rechtsschutzinteresse, entschied das BVerwG weiter. Der Ausspruch dessen würde ihr keinen weiteren Vorteil verschaffen, denn die zusätzliche Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes eröffnete insbesondere ihrem Ehemann nicht die Möglichkeit eines Familiennachzuges.
Es klingt stark nach einem Erst-Recht-Schluss, wenn das BVerwG betont, § 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG sperre im Ergebnis auch den Familiennachzug zu Menschen, bei denen aus humanitären Gründen ein Abschiebeverbot besteht, § 60 Abs. 5 iVm § 25 Abs. 3 AufenthG.
Als Randnotiz zur seltenen Sprungrevision: Dies war die erste Sprungrevision nach § 78 Abs. 6 AsylG. Kürzlich hatte BVerwG zwar ein Verfahren nach einer Sprungrevision abgeschlossen (Urt. v. 25.01.2018, Az. 1 C 7.17). Diese betraf ein nach § 11 Abs. 7 AufenthG in einem Asylbescheid angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbot. Die Sprungrevision hatte das VG Berlin indes nach § 134 VwGO - also dem "normalen" Prozessrecht - zugelassen.
Tanja Podolski, Erste Sprungrevision nach § 78 Abs. 6 AsylG zum BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28207 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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