Die Brauerei Beck ist mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Erweiterung der Gewerbesteuer in Karlsruhe gescheitert. Das verwirrende Gesetzgebungsverfahren, das dieser zugrunde liegt, und die Entscheidung erläutert Stefan Diemer.
Mit seiner Entscheidung vom Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde der Bremer Brauerei Beck zurückgewiesen, die in der Sache gegen eine gewerbesteuerliche Neuregelung des Gesetzgebers aus dem Jahr 2002 gerichtet war. Danach unterliegen ab dem Erhebungszeitraum 2002, in Abweichung von dem bisherigen Grundsatz, dass nur der laufende Betrieb besteuert werden soll, insbesondere Gewinne von Kapitalgesellschaften aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft der Gewerbesteuer. Die Karlsruher Richter verneinten die Verfassungswidrigkeit der Einführung dieser Gewerbesteuerpflicht (Urt. v. 10.04.2018, Az. 1 BvR 1236/11).
Die Brauerei hatte die Verfassungsbeschwerde vorrangig mit einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Ungleichbehandlung gegenüber natürlichen Personen) und mit einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot begründet. Während die meisten Prozessinteressierten bereits davon ausgingen, dass das BVerfG einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz verneinen würde, erwarteten sie die höchstrichterlichen Ausführungen zum Rückwirkungsverbot hingegen mit Spannung. Grund dafür ist, dass der gewerbesteuerlichen Neuregelung aus dem Jahr 2002 eine kuriose Gesetzgebungsgeschichte zugrunde liegt:
Bereits im August 2001, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG), wurde dem Bundesrat ein Entwurf zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes zugeleitet, in dem die Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft vorgesehen war. Im Dezember 2001 wurde das UntStFG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, die von Beck's angegriffene Änderung des Gewerbesteuergesetzes trat am Tag nach der Verkündung in Kraft und war erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden. Unabhängig hiervon wurde in einem weiteren, zeitlich parallelen Gesetzgebungsverfahren ebenfalls eine Neufassung von Teilen des Gewerbesteuergesetzes beschlossen, in der die Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft allerdings nicht vorgesehenen war.
Das kurze Glück der Brauerei
Dieses Gesetz wurde ebenfalls im Dezember 2001, aber erst nach der Verkündung des UntStFG verkündet. Aufgrund dieser zeitlichen Verkündungsabfolge wurde die Regelung im UntStFG, mit der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft der Gewerbesteuer unterworfen werden sollten, "überschrieben".
Diese "überschriebene" gewerbesteuerliche Regelung des UntStFG wurde sodann (leicht modifiziert) in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren nachträglich im Verlaufe des Jahres 2002 in das Gewerbesteuergesetz eingefügt.
Die Brauerei hatte mit den Umstrukturierungen, die die dann zu versteuernden Veräußerungsgewinne auslösten, erst nach der Veröffentlichung des UntStFG-Entwurfs begonnen. Sie hatte sodann das vermeintliche Glück, dass dem Gesetzgeber das oben beschriebene Versehen unterlaufen ist.
BVerfG: kein Vertrauensschutz für Beck's
Nach Auffassung des BVerfG hat jedoch bereits die im Ergebnis nie zur Anwendung gekommene gewerbesteuerliche Regelung des UntStFG ausgereicht, das Vertrauen der Brauerei in den Bestand des zuvor geltenden Gewerbesteuerrechts zu zerstören. Entscheidend sei insoweit, dass der Gesetzgeber "zügig nachgelegt" hat. Die Karlsruher Richter waren daher der Meinung, dass das ursprüngliche Gesetzgebungsverfahren zum UntStFG und das spätere Gesetzgebungsverfahren, mit dem das gesetzgeberische Ziel dann tatsächlich erreicht wurde, als Einheit gesehen werden können.
In einem solchen Fall könne sich der Steuerpflichtige dann nicht auf das zwischenzeitliche Gesetzgebungsversehen berufen, ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot komme damit nicht in Betracht.
Einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz lehnten die Karlsruher Richter unter anderem deswegen ab, weil dem Gesetzgeber, insbesondere bei der Verhinderung von Umgehungsgestaltungen, ein weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen sei. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch das Gebots der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verneinen sie ebenso zutrefend.
Die Entscheidung des BVerfG ist – zumindest aus Beratersicht - zu begrüßen, weil sie die bisherige Verfassungsrechtsprechung zum Steuerrecht konsequent fortbildet und damit für zusätzliche Rechtssicherheit sorgt.
Besonders groß dürfte die Freude allerdings bei der Stadt Bremen sein: Hätte die Brauerei mit ihrer Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt, hätte das den ohnehin schon klammen Stadtstaat Bremen 146 Millionen Euro zuzüglich Nachzahlungszinsen in beträchtlicher Höhe (sechs Prozent p.a.) kosten können.
Dr. Stefan Diemer ist Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland und leitet den Fachbereich Steuern in Deutschland. Er ist spezialisiert auf die Beratung von internationalen Großkonzernen sowie mittelständischen Unternehmen bei sämtlichen steuerrechtlichen Fragen.
BVerfG weist Verfassungsbeschwerde gegen Gewerbesteuer zurück: . In: Legal Tribune Online, 10.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27977 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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