Nach 1995 und 2006 hat das BVerfG am Mittwoch das geltende Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht zum dritten Mal für verfassungswidrig erklärt, weil die Begünstigungen für Betriebsvermögen unverhältnismäßig sind. Warum zumindest kleine und mittlere Familienunternehmen trotzdem auch in Zukunft mit schonender Behandlung rechnen können, erläutert Alexander Knauss.
Neben der Einkommensteuer bewegt kaum eine andere Steuer die Gemüter so sehr wie die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Mit ihrer tatsächlichen Bedeutung für den Fiskus lässt sich dies kaum begründen, lag doch das Erbschaftsteueraufkommen 2013 mit ca. 4,63 Mrd. Euro bei gerade einmal 0,74 Prozent des Gesamtsteueraufkommens und damit auf Platz 17 aller Steuerarten sogar noch hinter der Stromsteuer. Anders sieht das natürlich aus, wenn man die Haushaltssituation der Bundesländer betrachtet. An deren Steueraufkommen hat die Erbschaftsteuer nämlich einen Anteil von immerhin 29,44 Prozent.
Aus Sicht der Unternehmer ist die Erbschaftsteuer hingegen ein unbotmäßiger Griff des Staates nach ihrem aus bereits versteuerten Einkommen geschaffenen Vermögen. Sie entziehe Unternehmen dringend benötigte Liquidität und gefährde damit Arbeitsplätze.
Wiederum andere fordern schon lange eine stärkere Besteuerung von Erbschaften unter Hinweis darauf, dass den reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens gehört. Sie kritisieren, dass ein Großteil der Erbschaftsteuer nicht von dieser Bevölkerungsgruppe, sondern überwiegend von all denen gezahlt wird, die nach geltendem Erbschaftsteuerrecht kaum begünstigt sind, also neben den Geschwistern vor allem Unverheiratete und andere Nicht-Verwandte.
So prallen in der Erbschaftsteuer-Diskussion letztlich moralische und weltanschauliche Standpunkte aufeinander, die in der Frage kumulieren, wie weit einerseits der unserer Wirtschaftsordnung immanente Leistungsanreiz gehen muss, der Unternehmer beflügelt, für sich und ihre Nachkommen etwas aufzubauen, und wie weit andererseits ein in der sozialen Marktwirtschaft notwendiger Ausgleich zu erfolgen hat, der sich an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Erwerbers orientiert und eine zu große Vermögenskonzentration verhindert.
Erbschaftsteuer als "Dummensteuer"
Diesem Anspruch auf Ausgleich unter den Weltanschauungen wird die Erbschaftsteuer bislang sicherlich nicht gerecht. Sie gilt vielmehr sogar als sogenannte "Dummensteuer", die nur zahlen muss, wer nicht mit fachkundiger Beratung – zulässige – Gestaltungen wählt, welche die Steuerlast deutlich reduzieren oder sogar zur völligen Erbschaftsteuerfreiheit führen.
Ausgerechnet die Erbschaftsteuerreform zum 1. Januar 2009, die eine Reaktion auf eine damalige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 07. 11. 2006, Az. 1 BvL 10/02) war, schuf hier erhebliche Spielräume, zu denen sich der Gesetzgeber offenbar aufgrund der Äußerung des Bundesverfassungsgerichts hatte verleiten lassen, er dürfe bei Vorliegen entsprechender Gemeinwohlgründe bestimmte Vermögensarten "auch sehr weitgehend" privilegieren. Wurde vor 2009 für Betriebsvermögen lediglich ein Freibetrag von 225.000 Euro und ein Bewertungsabschlag von 35 Prozent auf das übrigen Vermögen gewährt, ermöglichte die Neuregelung eine Befreiung um 85 Prozent bis hin zu 100 Prozent, sofern bestimmte Spielregeln (Behaltensfristen, Lohnsummenregelung etc.) eingehalten werden.
Die Neuregelung ermöglichte allerdings auch zahlreiche Gestaltungen (z.B. die sogenannte "Cash-GmbH"), die nach Meinung des Bundesfinanzhofs (BFH) "Folgen einer verfehlten Gesetzestechnik" darstellten. Denn die Freistellung von der Erbschaftsteuer werde so zur Regel, die Besteuerung hingegen zur Ausnahme. Wegen dieses Befundes legte der BFH dem Bundesverfassungsgericht erneut die Frage vor, ob nicht § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in der im Jahr 2009 geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig seien, weil die dort vorgesehenen Steuervergünstigungen nicht durch ausreichende Sach- und Gemeinwohlgründe gerechtfertigt seien und einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufwiesen.
Zwar ging es in dem vom BFH zu entscheidenden Fall gar nicht um die Begünstigung von Betriebsvermögen. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Miterbe des 2009 verstorbenen Erblassers, als Angehöriger der Steuerklasse II stand ihm aber nur ein niedriger Freibetrag zu, sodass der darüber hinausgehende Erwerb dem 2009 geltenden Steuersatz von 30 Prozent unterworfen wurde. Gleichwohl hielt es der BFH für problematisch, dass ein Erbe von Privatvermögen wie der Kläger 30 Prozent Steuer zahlen müsse, wohingegen der Erwerb des gleichen Vermögens bei entsprechender Gestaltung unter Ausnutzung der Vergünstigungen für Betriebsvermögen hätte steuerfrei bleiben können.
Alexander Knauss, BVerfG kippt Erbschaftsteuer: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14140 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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