BVerfG zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas: Bremen darf selbst ent­scheiden

von Thomas Traub

14.08.2015

Jedes Land darf - bedingt - selbst entscheiden, ob es die Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkennt. Wie das BVerfG die Kompetenzen des Landes Bremens zugleich stärkt und schwächt, erläutert Thomas Traub.

Das Grundgesetz (GG) sieht für Religionsgemeinschaften eine besondere Rechtsform vor: Sie können Körperschaften des öffentlichen Rechts sein, Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung i.V.m. Art. 140 GG. Die christlichen Kirchen tragen diesen "Ehrentitel" bereits seit seiner Begründung, heute sind auch zahlreiche kleinere Religionsgemeinschaften wie z.B. jüdische Synagogengemeinden, die Heilsarmee, eine Hindu-Gemeinde und eine muslimische Gemeinschaft als Körperschaft ausgestaltet.

Doch die Zeugen Jehovas kämpfen seit Langem um ihre Anerkennung als eine solche Körperschaft. Als erstes Bundesland haben sie sich den Status bereits in Berlin vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erstritten. Im Anschluss daran haben auch viele andere Bundesländer der Religionsgemeinschaft den öffentlich-rechtlichen Status verliehen. Weniger erfolgreich waren die Zeugen Jehovas dagegen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Auch Bremen hatte die Verleihung des besonderen Status bislang abgelehnt.

Vor dem BVerfG hat die Religionsgemeinschaft jetzt einen weiteren Teil-Sieg errungen. Zwar hat Bremen das Recht, selbständig und unabhängig von der Anerkennung durch andere Bundesländer darüber zu entscheiden, ob es der Religionsgemeinschaft diesen Status verleihen möchte, entschieden die Karlsruher Richter. Dabei muss sich das Land jedoch an strenge Vorgaben halten. Darüber hinaus erklärte der Senat eine Vorschrift der Bremer Landesverfassung für nichtig, welche die Entscheidung über die Verleihung des Status dem Landesgesetzgeber zusprach (Beschl. v. 30.06.2015, Az. 2 BvR 1282/11).

Das BVerfG hat mit überzeugenden Argumenten die lang umstrittene Frage entschieden, ob jedes einzelne Bundesland gesondert den Körperschaftsstatus verleihen muss, oder ob hierfür bereits die Anerkennung in einem Bundesland – in diesem Falle also Berlin – ausreicht. Auch im Hinblick auf die Bindungswirkung der Entscheidungen der anderen Länder hat es eine konsequente Differenzierung getroffen, mit der aber offenbar nicht alle Richter einverstanden waren.

Die Körperschaft des öffentlichen Rechts – ein Ehrentitel?

Das grundgesetzliche Privileg einiger Religionsgemeinschaften, den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit einen gewissen hoheitlichen Status zu erhalten, hat historische Gründe. Es entstand als Zugeständnis an die christlichen Kirchen im Zuge der schrittweisen Entflechtung der vormals vereinten Institutionen Staat und Kirche seit dem 19. Jahrhundert bis zur Gründung der Weimarer Republik. Sein Sinn und Wesen ist so komplex, dass er schon von einem berühmten Staatsrechtler der Weimarer Republik als "rätselhafter Ehrentitel" bezeichnet wurde.

Die praktischen Vorteile liegen dagegen auf der Hand: Neben dem im Grundgesetz ausdrücklich verankerten Recht, Steuern zu erheben, ist der Körperschaftsstatus Voraussetzung für eine ganze Reihe von gesetzlichen Sonderregeln, die über die verschiedensten Rechtsgebiete vom Straf- über das Steuer- bis zum Arbeitsrecht verbreitet sind. Daneben tritt der Imagegewinn, da viele Bürger die Bezeichnung als Körperschaft des öffentlichen Rechts als "staatlicher Gütesiegel" wahrnehmen.

Wer darf diesen Status verleihen?

Die inhaltlichen Voraussetzungen für diesen besonderen Status sind ausreichend geklärt: Die Religionsgemeinschaften müssen durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Darüber hinaus verlangt das BVerfG als ungeschriebenes Kriterium die Rechtstreue der Religionsgemeinschaft. Eine darüber hinausgehende besondere Loyalität gegenüber dem Staat ist dagegen nicht erforderlich.

Umstritten ist jedoch zum einen die Frage, ob überhaupt jedes einzelne Bundesland den Körperschaftsstatus verleihen muss, oder die Anerkennung in einem Bundesland ausreichend ist, um bundesweit alle Rechte ausüben zu können, die mit dem Status verbunden sind.

Sollte eine solche sog. "Zweitverleihung" erforderlich sein, stellt sich die zweite Frage, ob die anderen Bundesländer an die Prüfung durch das erste Land gebunden sind oder die Voraussetzungen immer wieder neu und eigenständig geprüft werden dürfen.

Zitiervorschlag

Thomas Traub, BVerfG zum Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16617 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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