Von milliardenschweren Rüstungsexporten erfährt der Bundestag zumeist nur nachträglich, wenn die Deals längst unter Dach und Fach sind. Drei Grünen-Abgeordnete versuchen nun, vor dem BVerfG mehr Kontrollrechte für das Parlament zu erstreiten. Die Bundesregierung wehrt sich dagegen, plant gleichzeitig aber mehr Transparenz.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) muss grundsätzlich klären, wie detailliert die Regierung den Bundestag über Rüstungsexporte informieren muss (Az. 2 BvW 5/11). "Im Kern geht es um die Frage, wie weit in Bezug auf Waffenexporte der parlamentarische Informationsanspruch reicht, und welchen Grenzen er unterliegt", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zu Beginn der Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe. Das Gericht verhandelte bis zum frühen Nachmittag, ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet.
Das Organstreitverfahren haben die Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Claudia Roth und Katja Keul angestrengt. Sie werfen der Regierung vor, die Parlamentarier auf ihre Anfragen im Juli 2011 hin nicht ausreichend über den laut Medienberichten geplanten Export von rund 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien informiert zu haben.
Maizière: Eine Frage des Zeitpunkts
Nach Art. 26 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit einer Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in den Verkehr gebracht werden. Besonders sensible Entscheidungen über Rüstungsexporte trifft der Bundessicherheitsrat, ein Kabinettsausschuss unter dem Vorsitz von Angela Merkel, dessen Sitzungen geheim stattfinden.
Nach bisheriger Praxis legt die Bundesregierung jährlich einen Rüstungsexportbericht vor, der - nach Empfängerländern und Typen von Rüstungsgütern aufgeschlüsselte - statistische Informationen über erteilte Exportgenehmigungen enthält. Entscheidungen über Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben sind nicht Teil des Berichts.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, die Regierung sei sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament bewusst. Die öffentliche Diskussion über Rüstungsexporte sei jedoch eine Frage des Zeitpunkts. "Ich sage ganz klar: Es ist im Interesse einer verantwortlichen Außen- und Sicherheitspolitik erforderlich, solche Informationen mindestens bis zu einer politischen abschließenden positiven Entscheidung zurückzuhalten."
Ströbele: Hohes öffentliches Interesse an Kriegswaffenexportpolitik
Anlass der Anfragen waren Zeitungsberichte, wonach die Panzerlieferung grundsätzlich gebilligt worden war. "Wir wollten wissen, ob das stimmt", sagte Ströbele. Die Bundesregierung habe die Fragen nicht beantwortet, sondern auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates verwiesen.
Die Kläger rügen, dass zurzeit die Parlamentarier in der Regel erst viele Monate nach dem Vollzug solcher Geschäfte informiert werden. Dies verstoße gegen ihre Rechte als Abgeordnete. Es bestehe ein hohes öffentliches Informationsinteresse an der Kriegswaffenexportpolitik, gerade auch vor dem Hintergrund des "arabischen Frühlings".
Wegen des weiten exekutiven Spielraums bei der Genehmigung von Kriegswaffenexporten, des Fehlens gerichtlicher Kontrolle und der Korruptionsanfälligkeit im Bereich der Waffenexporte sei die Kontrolle der Regierung durch das Parlament besonders wichtig. Die Abgeordneten folgen daraus eine gesteigerte Auskunftspflicht der Bundesregierung. Den konkreten Panzer-Deal sehen die Abgeordneten skeptisch, weil der autoritär herrschenden Regierung in Riad massive Menschenrechtsverletzungen angelastet werden.
Die Bundesregierung weist dagegen darauf hin, dass die Entscheidung über Genehmigungen für Kriegswaffenexporte nach dem Grundgesetz ausdrücklich ihr allein zugewiesen sei. Sie beruft sich auf ihren "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung", welcher dem Zugriff des Parlaments entzogen sei. Ein verfrühtes Publikwerden könne das Zustandekommen der geplanten Geschäfte gefährden. Geheimhaltungsgründe ergäben sich auch aus außenpolitischen Gründen und den Geschäftsgeheimnissen der Exporteure.
Bundesregierung plant mehr Transparenz
Dennoch verständigten sich Union und SPD in der vergangenen Woche darauf, die Information des Bundestags über Rüstungsexporte zu verbessern. Nach dem Eckpunktepapier soll der Bundessicherheitsrat, dem neben der Bundeskanzlerin sieben Minister angehören, wie bisher über Rüstungsexporte entscheiden. Allerdings soll es neben dem Bericht zu den Rüstungsexporten des Vorjahres einen weiteren Zwischenbericht zum ersten Halbjahr geben.
Zudem sollen abschließende Genehmigungen von Exporten einzeln innerhalb von zwei Wochen an das Parlament gemeldet werden. Es soll eine schriftliche Mitteilung an den Wirtschaftsausschuss geben. Die Namen der exportierenden Unternehmen sollen aber weiterhin weder in dieser Unterrichtung noch im Exportbericht genannt werden. Die von der rot-grünen Regierung im Jahr 2000 beschlossenen Rüstungsexportrichtlinien sollen beibehalten werden. Sie sehen unter anderem die Berücksichtigung der Menschenrechtslage im Empfängerland bei Exportentscheidungen vor.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kann sich eine noch frühere Information des Parlaments über die Haltung der Regierung zu Rüstungsexporten vorstellen als bisher geplant. Schon die Entscheidung des Bundessicherheitsrats über Voranfragen der Industrie könnte seiner Ansicht nach veröffentlicht werden. "Spontan würde ich sagen, kann man das machen, weil es nicht den Willensbildungsprozess selbst betrifft", sagte Gabriel am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Nur dieser Willensbildungsprozess der Regierung sollte nicht öffentlich sein, "weil sonst sich kaum noch einer traut, sich klar zu positionieren".
dpa/cko/LTO-Redaktion
BVerfG zu Transparenz bei Rüstungsexporten: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11710 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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