Online-Durchsuchung, V-Leute, Datenübermittlung. Wenn das BVerfG am Dienstag sein Urteil zum bayerischen Verfassungsschutzgesetz verkündet, wird es damit wegweisende Vorgaben treffen.
Am Dienstag wird der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sein Urteil zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1619/17 verkünden – so steht es in der Ankündigung. Entscheiden werden die Richterinnen und Richter aber indirekt auch über die rechtlichen Grundlagen für den Verfassungsschutz in allen Ländern und im Bund.
Bereits in der mündlichen Verhandlung im Dezember 2021 hatte sich angekündigt, dass das Karlsruher Gericht wohl eine Grundsatzentscheidung zu wichtigen Befugnissen des Inlandsnachrichtendienstes treffen wird.
2016 hatte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) das Verfassungsschutzgesetz des Freistaats grundlegend überarbeiten lassen. Damals verwies Herrmann zur Begründung vor allem auf eine Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus. Das neue Gesetz führte eine ganze Reihe von Überwachungsbefugnissen ein und machte die bayerische Version zum damals eingriffsschärfsten Verfassungsschutzgesetz: Zugriff für den Geheimdienst auf Daten aus der Vorratsdatenspeicherung (die in Deutschland derzeit auf Eis liegt), Online-Durchsuchung wie Wohnraumüberwachung und geringere Hürden beim V-Leute-Einsatz.
Beschlossen wurde das Gesetz 2016 allein mit CSU-Stimmen im Landtag. Gegen das Gesetz gab es Widerstand von SPD und Grünen im Landtag und sogar Herrmann betonte damals, dass das Gesetz "in der Tat bis an die Grenzen dessen geht, was vom Rechtsstaat erlaubt ist". Dies sei aber zum Schutze der Freiheit und Sicherheit notwendig.
Gesetz in voller Breite angegriffen
Die Verfassungsbeschwerden stammen von drei Mitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die im bayerischen Verfassungsschutzbericht als "linksextremistisch beeinflusste Organisation" regelmäßig erwähnt wurde, in der neuesten Auflabe des Berichts aber nicht mehr auftaucht. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) koordiniert das Verfahren und hat die Beschwerdeführer gewinnen können, gegen zahlreiche durch das Gesetz eingeräumte Einzelbefugnisse des Verfassungsschutzes vorzugehen. Sie sehen einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme das Fernmeldegeheimnis sowie in die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Während der vorgesehene Zugriff des Verfassungsschutzes auf die Vorratsdaten ein bayerisches Original ist, sehen die übrigen Befugnisse in anderen Bundesländern mittleweile durchaus ähnlich aus. Im Vergleich zum Gesetz für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das erst 2020 reformiert wurde, gibt es einige Abweichungen nur im Detail.
Richterin Gabriele Britz, die im Ersten Senat für das Verfahren als Berichterstatterin zuständig ist, hatte in der Verhandlung im Dezember gesagt, bisher seien nachrichtendienstliche Befugnisse noch nie in einer solchen Breite angegriffen worden.
Und nach allem, was sich aus der mündlichen Verhandlung hören ließ, wird das BVerfG seiner Linie im Sicherheitsrecht treu bleiben: Auch tiefgreifende Befugnisse können gerechtfertigt sein, sie müssen aber mit entsprechend strengen Voraussetzungen und Kontrolle flankiert werden. Wie kleinteilig die verfassungsgerichtliche Überprüfung gerade bei technischen Überwachungsbefugnissen ausfallen kann, hat die Entscheidung zur BND-Auslandsüberwachung im Jahr 2020 gezeigt. Da wird es nicht ausreichen, dass eingangs im bayerischen Verfassungsschutzgesetz der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit einer eigenen Vorschrift ausdrücklich erwähnt wird.
BVerfG prüft Gesetz aus Bayern: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48243 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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