Bundestagswahl: Auch elf Kleine wollen mitmachen

von Dr. Sebastian Roßner

16.07.2013

In Karlsruhe herrscht Termindruck. Bis zum 25. Juli muss das BVerfG entscheiden, ob elf kleine Parteien an der Wahl teilnehmen dürfen, obwohl der Bundeswahlausschuss sie nicht zugelassen hat. Es ist eine Premiere für das Verfahren nach § 18 Abs. 4a BWahlG, das Deutschland, auch auf Druck der OSZE, eingeführt hat. Eine erhebliche Rechtsschutzlücke wurde damit geschlossen, meint Sebastian Roßner.

Dieses Mal haben es die Satiriker um Martin Sonneborn mit ihrer PARTEI gleich im ersten Anlauf auf die Wahlzettel geschafft. Einige Kollegen unter den Kleinparteien jedoch nicht. Elf davon – darunter die Grauen Panther und die Freien Wähler Deutschland – wehren sich nun gegen ihre Nichtzulassung. Dabei stehen ihnen zumindest bessere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung als der PARTEI noch vor vier Jahren, nämlich das neue Verfahren nach § 18 Abs. 4a Bundeswahlgesetz (BWahlG).

Danach kann eine Partei vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen ihre Nichtzulassung durch den Bundeswahlausschuss vorgehen. Bis zu dessen Entscheidung ist sie wie eine zur Wahl zugelassene Partei zu behandeln, § 19 Abs. 4a BWahlG. Karlsruhe ist verpflichtet, rasch zu kontrollieren, ob der Bundeswahlausschuss rechtsfehlerfrei entschieden hat.

Bundeswahlausschuss entscheidet, wer mitmachen darf

Den Anstoß für die Einführung des neuen Verfahrens gab tatsächlich der Ausschluss von der PARTEI von der Bundestagswahl 2009. Der Vereinigung des Titanic-erprobten Satirikers Martin Sonneborn, zugleich auch Vorsitzender von der PARTEI, verging kurzzeitig der Humor als der Bundeswahlausschuss die Zulassung zur Bundestagswahl verweigerte. Begründung: Der Partei fehle der ernsthafte Wille, an der politischen Willensbildung des Volkes und an einer hinreichend festen Parteistruktur mitzuwirken.

Der Bundeswahlausschuss muss vor der Bundestagswahl prüfen, ob Parteien, die nicht mit mindestens fünf Abgeordneten im Bundestag oder in einem Landtag vertreten sind, ob sie ihre Beteiligung an der Wahl ordnungsgemäß angezeigt haben und sie als Partei im Sinne von § 2 Abs. 1 Parteiengesetz anzuerkennen sind.

Kleine Parteien scheitern dabei immer wieder an den Formalia: Es fehlt die Unterschrift des Vorsitzenden und zwei weiterer Vorstandsmitglieder unter der Beteiligungsanzeige oder Satzung und Programm werden nicht eingereicht. Vor allem aber die inhaltliche Prüfung der Parteieigenschaft ist eine nicht zu unterschätzende Hürde.

Mysteriöses Fax verhinderte Zulassung der PARTEI

Zweck des Zulassungsverfahrens ist es, die Bundestagswahl vor Bewerbern zu schützen, die eine wirksame politische Vertretung des Volkes nicht leisten könnten. Um an einer Bundestagswahl teilzunehmen zu können, muss eine Vereinigung daher dauerhaft an der politischen Willensbildung teilnehmen und an der parlamentarischen Vertretung des Volkes mitwirken wollen. Aus Umfang und Festigkeit der Parteiorganisation, der Zahl der Mitglieder und dem Auftreten in der Öffentlichkeit liest der Wahlausschuss heraus, wie ernsthaft dieses Ziel verfolgt wird.

Bei der Nichtzulassung der PARTEI stützte sich der Bundeswahlausschuss 2009 auf verschiedene Indizien. Neben lückenhaften Angaben zur Öffentlichkeitsarbeit der Partei und der gescheiterten Teilnahme an der Europawahl 2005, war ein Fax wesentlich, in dem die PARTEI erklärt haben soll, nur einen Landesverband zu haben.

Vertreter der Satirepartei bestritten, dass sie das Schreiben selbst verfasst hatten und wollten das Fax in Augenschein nehmen. Der Ausschuss verweigerte dies jedoch, obwohl die PARTEI damals vortrug, über erheblich mehr Landesverbände zu verfügen und dies auch belegen konnte. Wer will, kann sich die beiden Sitzungen des Bundeswahlausschusses vom Juli und August 2009 bei Youtube anschauen und staunen.

Altes Wahlprüfungsverfahren ungeeignet

Wirklich zum Skandal auswachsen konnte sich diese wahlrechtliche Realsatire aber nur, weil es gegen die Nichtzulassung einer Partei damals keinen effektiven Rechtsschutz gab. Auf einen als unzulässig abgewiesenen Eilantrag von der PARTEI hin bekräftigte Karlsruhe im Anschluss an seine ältere Rechtsprechung, dass es nur die Rechtsbehelfe aus Art. 41 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit § 49 BWahlG gebe, sofern wahlrechtliche Vorschriften des Bundes streitentscheidend sind (Beschl. v. 24.08.2009, Az. 2 BvQ 50/09).

Danach kam für Die PARTEI nur das Wahlprüfungsverfahren nach Art. 41 GG in Betracht, um ihre Nichtzulassung zur Bundestagswahl 2009 zu rügen. Die Crux dabei: Das Wahlprüfungsverfahren kann erst nach der Wahl angestrengt werden und zieht sich. Vor allem ist es inhaltlich ungeeignet, zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassenen Bewerbern noch zu helfen. Denn das einzige Mittel hierzu wäre die Wahl zu wiederholen. Dazu müsste sich entweder der Bundestag im Wahlprüfungsverfahren selbst auflösen oder das BVerfG dies im Beschwerdeverfahren tun.

Den ersten Fall kann man getrost ausschließen, der zweite ist ebenfalls außerordentlich unwahrscheinlich. Das bestätigte sich auch im Fall der Satirepartei. Der Bundestag wies den Wahlprüfungsantrag im Herbst 2010 ab, das BVerfG verwarf ein halbes Jahr später die Wahlprüfungsbeschwerde als unzulässig (Beschl. v. 12.04.2011, Az. 2 BvC 12/10).

Reform des Wahlrechts nach Rüge durch OSZE

Die Geschichte hatte ein peinliches Nachspiel: Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) monierte in ihrem Bericht zur Bundestagswahl 2009, dass es dem Wahlzulassungsverfahren in Deutschland an Objektivität fehle und es keinen wirksamen Rechtsschutz gebe.

Immerhin löste der einer Demokratie unwürdige Vorfall ein Umdenken beim Gesetzgeber aus, der 2012 einiges reformierte. Zunächst änderte sich die Zusammensetzung des Bundeswahlausschusses: Neben dem Bundeswahlleiter und acht von ihm berufenen Beisitzern gehören diesem jetzt zusätzlich zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts an, § 9 Abs. 2 S. 1 BWahlG.

Noch wichtiger als diese Infusion juristischen Sachverstandes ist aber das neue Prüfungsverfahren vor dem BVerfG, mit dessen Einführung eine erhebliche Lücke im Rechtsschutz geschlossen wurde.

Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Zitiervorschlag

Sebastian Roßner, Bundestagswahl: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9137 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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