Am Donnerstag werden mehrere Stellen von Bundesrichtern neu besetzt. Das Wahlverfahren ist immer wieder Gegenstand von Kritik: Es sei zu wenig transparent und zu stark von parteipolitischen Interessen beeinflusst. Der Einfluss der Exekutive beschränke zunehmend die Unabhängigkeit der Justiz. Ein Überblick über die Grundlagen für den Weg in die wichtigsten juristischen Ämter.
Das Superwahljahr 2011 ist voll im Gange. Mit Spannung werden die nächsten Urnengängen für die Landtage in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erwartet. Eine weitere und nicht minder politische Wahl findet daneben allerdings eine eher geringere Beachtung, nämlich die der neuen Bundesrichter am 17. März.
Dabei ist das Ergebnis dieser Wahl nicht nur für Juristenkreise interessant. Vielmehr geht die Entscheidung, wer die Judikatur der obersten Gerichte künftig mitprägen wird, potentiell jeden einzelnen Bürger an. Neu besetzt werden vier Stellen beim Bundesgerichtshof (BGH), fünf Stellen beim Bundesverwaltungsgericht, drei Stellen beim Bundesfinanzhof und je drei Stellen beim Bundesarbeits- und Bundessozialgericht.
Für die Auswahl der Berufsrichter an den Bundesgerichten bildet der Bund zunächst auf Grundlage von Art. 95 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und des Richterwahlgesetzes nicht-ständige Richterwahlausschüsse. Das gilt allerdings nicht für die Richter am Bundesverfassungsgericht; für sie sieht die Verfassung ein eigenständiges Wahlverfahren vor (Art. 94 GG).
Kandidatenkür: Nur Vorschläge, keine Bewerbungen
Jeder Richterwahlausschuss besteht aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern , die vom Bundestag gewählt werden. Mitglieder dieses Gremiums oder aber der sachlich zuständige Bundesminister können nun Kandidaten für die höchsten Richterämter vorschlagen. So ist etwa Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zuständig für den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und den Bundesfinanzhof. Eine Bewerbung als Bundesrichter ist nicht möglich.
Im Anschluss werden die Kandidaten genau unter die Lupe genommen: Zunächst erhält der Präsidialrat desjenigen Gerichts, an dem der Richter eingesetzt werden soll, Gelegenheit zu einer schriftlich begründeten Stellungnahme zu der persönlichen und fachlichen Eignung des Betreffenden. Kriterien dafür sind neben den Examensnoten die dienstlichen Beurteilungen und Spezialwissen. Der künftige Bundesrichter muss zudem ein hohes Maß an Argumentationsvermögen, Urteilsfähigkeit und Kollegialität mitbringen sowie Erfahrungen an einem Rechtsmittelgericht.
Der Richterwahlausschuss erhält mittels Vorlage durch den zuständigen Bundesminister Einsicht in die Personalakte des Kandidaten. Im Übrigen muss allen Mitgliedern des Richterwahlausschusses zeitnah vor der Wahlsitzung eine aktuelle Beurteilung und Dokumentation des Bewerbers sowie eine umfassende Dokumentation seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung zur Verfügung gestellt werden. Anhand der Unterlagen prüft der Wahlausschuss nun, ob der für ein Richteramt vorgeschlagene Kandidat die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für dieses Amt erfüllt.
Der Bundesrichterwahlausschuss entscheidet in geheimer Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das Wahlverfahren endet nach Zustimmung durch den zuständigen Bundesminister und einem entsprechenden Antrag mit der Ernennung des Gewählten durch den Bundespräsidenten. Die Ernennung zum Bundesrichter erfolgt in der Regel auf Lebenszeit. Die Urkunde ist gemäß Art. 60 Abs. 1 GG, Art. 58 GG durch den Bundeskanzler oder den zuständigen Bundesminister gegenzuzeichnen.
Wahlvorschriften "rechtlich fragwürdig" und "eines Rechtsstaates unwürdig"
Insbesondere die Beteiligung von Organen der Exekutive am Wahlverfahren lässt immer wieder kritische Stimmen laut werden, nach denen die Besetzung neuer Stellen von Bundesrichtern offenkundig nicht frei von parteipolitischen Interessen sei. Der Deutsche Juristentag fordert seit knapp 60 Jahren fast schon regelmäßig, dass in einem transparenten Verfahren allein die persönliche und fachliche Eignung der Kandidaten das ausschlaggebende Kriterium sein müsse. Auch der Deutsche Richterbund hat mit ähnlichen Argumenten eine nachhaltige Reform der Bundesrichterwahl seit Jahren auf der Agenda: Die Vorschriften zur Bundesrichterwahl seien "rechtlich fragwürdig, jedenfalls aber eines Rechtsstaates unwürdig".
Damit die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt bleibt und ihre sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip und der Gerichtsorganisation nach dem Grundgesetz ergebende Rolle im Staatswesen verwirklicht werden kann, müsse die Exekutive gerade bei dem Verfahren für die Besetzung der Stellen von Bundesrichtern außen vor bleiben. Von gerichtlicher Seite haben die Reformbefürworter bereits Rückenwind bekommen: 2001 entschied das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, dass die Ernennung von Wolfgang Neskovic zum Richter am BGH unter Verstoß gegen die Verfassung erfolgt war (Beschl. v. 15.10.2001, Az. 3 M 34/01).
Zumindest eine Tendenz fällt aber trotz all dieser Vorwürfe positiv auf: Der Anteil von Frauen ist bei der Besetzung der höchsten juristischen Ämter in den vergangenen Jahren im Schnitt merklich gestiegen. Ganz um eine weitere Diskussion, diesmal bezüglich einer Quote bei Spitzenrichterämtern, wird die Justiz in Deutschland gleichwohl nicht herumkommen - wie etwa die Kritik von Seiten der Grünen an der Wahl im Jahr 2009 zeigt.
Bundesrichterwahl: . In: Legal Tribune Online, 17.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2790 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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