Rund 17 Millionen Euro hat das Verkehrsministerium 2018 und 2019 für Rechtsgutachten an Kanzleien gezahlt - und liegt damit mit großem Abstand vor den anderen Ministerien. Eine Liste zeigt, wann die Regierung externe Juristen einschaltet.
Wie viel Geld die Bundesministerien in den vergangenen Jahren dieser Legislaturperiode als Honorar an externe Rechtsanwaltskanzleien gezahlt haben, geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor: insgesamt rund 35 Millionen Euro. Die Antwort liegt LTO vor. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nimmt unter den Zahlern die Spitzenposition ein – und zwar mit großem Abstand.
So flossen im Jahr 2019 aus dem Hause von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) insgesamt 8.350.000 Euro an externe Kanzleien, 2018 waren es mit 8.553.000 Euro sogar noch etwas mehr. Auf Platz zwei - bereits mit deutlichem Abstand - folgt das Verteidigungsministerium, das 2019 immerhin 1.571.000 Euro und 2018 3.119.000 Euro ausgegeben hat. Das Bundesministerium des Innern zahlte im Jahr 2019 insgesamt 2.363.000 Euro und 1.075.000 Euro im Jahr 2018 für externe Rechtsberatung. Die Ausgaben für Anwaltshonorare der anderen Ministerien halten sich im mittleren bis unteren sechsstelligen Bereich.
"Ob angesichts der horrenden Beträge noch von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gesprochen werden kann, ist mehr als fraglich", so der FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae gegenüber LTO. "Allein das Bundesverkehrsministerium hat in den Jahren 2018 und 2019 rund 17 Millionen Euro für Honorare ausgegeben - das entspricht fast neun Prozent der Personalausgaben des BMVI in diesem Zeitraum."
Allerlei Rechtsfragen verteilt auf mehrere Kanzleien
Doch wofür braucht die Bundesregierung externes juristisches Know-How, das sie mit Steuergeldern teuer einkauft? In ihrer Antwort verweist die Regierung auf eine frühere Antwort in einer ähnlichen Frage; sie teilt mit: "Außerhalb dieses Aufgabenbereichs können sich die Bundesministerien externer Dienstleister und Experten bedienen, soweit dies für eine angemessene Aufgabenerfüllung erforderlich ist und dies gemäß den haushaltsrechtlichen Vorgaben wirtschaftlich ist."
Die eingeholten Rechtsgutachten reichen thematisch von der Stilllegung von Braunkohlekraftwerken über elektronische Apothekenrezepte bis hin zum kürzlich auf den Weg gebrachten Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Neben diesen allgemeineren Einschätzungen wurden zahlreiche Gutachten zu Fragen in Einzelfällen vergeben, etwa zur Zulässigkeit einer Exportkontrolle. Diese Gutachten werden in der Antwort allerdings etwas kryptisch aufgelistet, sodass dem Leser der konkrete Anlass verborgen bleibt.
Unter den beauftragten Kanzleien sticht keine durch Erhalt besonders viele Aufträge hervor, vielmehr verteilen sich die Aufträge auf verschiedene Kanzleien. Vertreten sind die bekannten Größen der Szene: Unter anderen Gleiss Lutz, Noerr, Deloitte, Lindenpartners, PWC, Taylor Wessing. Auch beauftragt ein Ministerium nicht stets ein und dieselbe Kanzlei. Die meisten Aufträge übernahm laut der Auflistung die Kanzlei Redeker Sellner Dahs.
Maut-Gutachten für das Verkehrsministerium: 410 Euro Stundensatz
Nicht aufgelistet, weil nicht nachgefragt, hat die Regierung Kosten für Prozessvertretungen. Die genauen Honorare sind als vertraulich eingestuft. Einen Eindruck der Größenordnungen vermittelt aber die Berichterstattung des Spiegel von Anfang des Jahres. Das Magazin berichtete über ein 90 Seiten langes Gutachten, das das Verkehrsministerium bei der Kanzlei Linklaters in Auftrag gegeben hatte.
Die Anwälte der Großkanzlei sollten prüfen, ob es für das Verkehrsministerium zumutbar oder gar verpflichtend gewesen ist, vor dem Abschluss eines kostspieligen Vertrags für die Einführung der Straßenabgabe ein entscheidendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Kostenpunkt: Über 240.000 Euro - bei einem Stundensatz von 410 Euro. Das Ergebnis in Kurzform: Nein. Damit hat sich das BMVI und der Verkehrsminister auch ein Stück Entlastung gekauft.
Auch wenn sich nicht alle Honorare in diesen Dimensionen bewegen, bieten die Ministerien ein lukratives Geschäftsfeld. Aber wie wird entschieden, welche Kanzlei den Zuschlag bekommt?
Ziemlich freihändige Vergabe bis 750.000 Euro
Ausschlaggebend sei die Regelung des § 50 Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), so die Regierung in ihrer Antwort. Damit ist eine besondere Spielart des Vergaberechts gemeint. Für kleinformatige öffentliche Aufträge bis 750.000 Euro Auftragsvolumen gilt danach: "Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist." Das klingt nach viel Spielraum - und der reicht von einem strengen Verfahren der öffentlichen Ausschreibung bis zur "Verhandlungsvergabe", bei der die Behörde drei Bieter zu Angeboten auffordern muss. Das, was früher einmal die "freihändige Vergabe" war.
Die Regierung antwortet zudem: "Auch wenn bei der Vergabe von Rechtsberatungsaufträgen die Regelungen der UVgO gemäß § 50 UVgO keine Anwendung finden, orientieren sich die Vergabestellen regelmäßig gleichwohl an diesen Vorgaben."
Die aktuelle Regierungsantwort wirft zudem noch eine weitere Frage auf. So hatte die Linksfraktion im Bundestag Anfang 2020 auf eine Kleine Anfrage hin eine über 1.000 Seiten lange Auflistung von Aufträgen aus den Ministerien an externe Dritte in der aktuellen Legislaturperiode erhalten. Bei der Durchsicht der Liste stößt man sehr schnell auch auf weitere Rechtsgutachten im Auftrag der Bundesministerien. Nur: Die tauchen in der aktuellen Antwort der Regierung zu den Rechtsgutachten gar nicht auf. Warum, das bleibt offen.
Antwort auf Kleine Anfrage der FDP-Fraktion: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41438 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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