BSG zur künstlichen Befruchtung: Kein Zuschuss der Krankenkasse für unverheiratete Paare

von Sebastian Kauschke

19.11.2014

2/2: Hoffnungsschimmer für Ledige aus Baden-Württemberg

Helge Neuwerk von der BKK reagierte enttäuscht auf die Entscheidung. "Wir finden, dass das an den Lebenswirklichkeiten vorbei geht", sagte er. "Wir hoffen jetzt auf den Gesetzgeber, dass er die Initiative ergreift und das Thema noch einmal neu aufrollt." Zumal in Baden-Württemberg die zuständige Aufsichtsbehörde der regionalen BKK Scheufelen gestattet hat, auch den Kinderwunsch von nichtehelichen Partnerschaften zu fördern.

Allerdings bleibt dies nur ein kleiner Hoffnungsschimmer für unverheiratete Paare. Insgesamt unterliegen nämlich alle Betriebskrankenkassen, die bundesweit vertreten sind und damit 70 Prozent von ihnen, der Aufsicht des Bundesversicherungsamtes, dessen Ablehnung das BAG gerade bestätigt hat.

Zwar besteht nun endgültig Klarheit darüber, dass diese Krankenkassen selbst den Zuschuss nicht auf unverheiratete Paare ausdehnen dürfen. Es bleibt aber die Hoffnung auf eine Initiative des Gesetzgebers.

Das Gesetz muss den Lebensverhältnissen angepasst werden

Nichteheliche Lebenspartnerschaften sind in der heutigen Zeit gesellschaftlich voll akzeptiert. Ein unerfüllter Kinderwunsch hat sowohl auf verheiratete als auch auf nicht verheiratete Paare dieselben negativen Auswirkungen. Auch im Hinblick auf den demographischen Wandel, mit dem die Bundesrepublik zu kämpfen hat, erscheint es fragwürdig, nur verheiratete Paare finanziell in ihrem Kinderwunsch zu unterstützen.

Wie wichtig diese Unterstützung beim Kinderwunsch ist, zeigen aber die Daten der Krankenkassen. Wie N 24  berichtet, werden jährlich durchschnittlich 75.000 Kinder nach einer künstlichen Befruchtung geboren. Die Kosten beliefen sich je nach Methode auf zwischen 1.800 Euro und 5.000 Euro. Bei einer Erfolgsquote zwischen 15 und 20 Prozent könnten sich enorme Kosten ergeben.

Die bisher bei der Krankenkasse eingegangenen Anträge unverheirateter Paare auf künstliche Befruchtung müssen nun abgelehnt werden. Können sie es sich nicht leisten, die Behandlung selber zu bezahlen, müssen sie damit auf Kinder verzichten.

Die Notwendigkeit einer Neuregelung hatte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels  bereits nach dem vorinstanzlichen Urteil durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Juni dieses Jahres erkannt und sich für einen Kassenzuschuss bei einer Kinderwunsch-Behandlung auch für unverheiratete Paare ausgesprochen. Allerdings scheint diesbezüglich keine Einigkeit mit dem Koalitionspartner zu bestehen. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hob die Bedeutung einer gefestigten Beziehung hervor, die bei Eheleuten gegeben und bei unverheirateten Paaren nur schwer zu überprüfen sei.

Die Chancen auf eine Neuregelung sind demnach unklar. Schließlich hatte schon 2007 das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber Handlungsspielraum gelassen. Dieser sei zwar verfassungsrechtlich nicht verpflichtet nichteheliche Partnerschaften in ihrem Kinderwunsch zu unterstützen. Die Richter unterstrichen jedoch gleichzeitig die Berechtigung zu einer solchen Änderung.

Ob der Gesetzgeber sich dieser Thematik nun annehmen und mit einer Neuregelung den gesellschaftlichen Umständen entgegenkommen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.

Der Autor Sebastian Kauschke ist wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht von Prof. Dr. Oliver Ricken an der Universität Bielefeld. Er hat sich im Rahmen der Forschungsstelle Recht der Gesundheitswirtschaft bereits in Form einer Urteilsbesprechung mit dem vorinstanzlichen Urteil des LSG Berlin-Brandenburg beschäftigt.

Zitiervorschlag

BSG zur künstlichen Befruchtung: . In: Legal Tribune Online, 19.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13862 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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