ALG-II-Empfänger mit Haus oder Wohnung: Welche laufenden Kosten die Jobcenter für solch selbstgenutztes Wohneigentum tragen müssen, hat das BSG nun konkretisiert. Martin Kellner zu einem Urteil, in dem es um grundsätzliche Fragen geht.
Welche Kosten hat der Staat für Unterkunft und Wohnung von Leistungsempfängern zu tragen? Und was gilt dabei für (noch zu finanzierendes) Eigentum im Gegensatz zu Mietverhältnissen? Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Donnerstag entscheidende Fragen geklärt und an seiner restriktiven Linie festgehalten (Urt. v. 12.12.2019, Az. B 14 AS 26/18 R). Doch eins nach dem anderen.
Grundsatz: Der Staat sorgt für ein Dach über dem Kopf
Die Leistungen an Hartz-IV-Empfänger setzen sich aus dem pauschalen Regelbedarf und den Kosten für Unterkunft und Heizung zusammen. Die Unterkunftskosten werden nach § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) II im Grundsatz nur insoweit übernommen, als sie angemessen sind. Dabei trägt das Jobcenter auch die laufenden Kosten für eine selbstgenutzte Immobilie von angemessener Größe. Eine solche Immobilie gehört zum Schonvermögen, das heißt, es wird von Hartz-IV-Empfängern nicht erwartet, dass sie die Immobilie zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit verwerten.
Dass das Gesetz Wohneigentum als privilegiertes Vermögen bewertet, liegt nicht – wie man annehmen könnte – daran, dass es einen Bestandsschutz für Leistungsberechtigten geben sollte. Der Grund ist ein anderer: Es geht um den Schutz der Wohnung zur Erfüllung eines Grundbedürfnisses des Hilfebedürftigen und seiner Familie, also salopp gesagt: um ein Dach über dem Kopf. Das ergibt sich aus der Pflicht des Staates, für das verfassungsrechtlich verbürgte Existenzminimums zu sorgen.
Der Fall: Hartz-IV-Empfängerin verlangt Übernahme von Tilgungszinsen für Wohneigentum
In dem Verfahren, das das BSG nun zu entscheiden hatte, klagte eine Frau gegenüber dem Jobcenter Leistungen ein, mit denen sie Zahlungen auf Zinsforderungen ihrer Bank bestreiten wollte. Die Frau wohnte gemeinsam mit ihren zwei Kindern in einem 1950 erbauten und von ihr in der Nachwendezeit erworbenen Eigenheim auf einem fast 300 Quadratmeter großen Grundstück im Südwesten des Landes Sachsen-Anhalt.
Weil die Frau den Kredit nicht mehr bedienen konnte, kündigte die Bank bereits im Jahr 1996 wegen Säumnis die Darlehensverträge zur Hausfinanzierung. Die Frau schloss daraufhin mit der Bank eine Zahlungsvereinbarung, nach der sie monatlich 435 Euro leistete, die zunächst auf die Kosten, dann die Hauptforderung und schließlich die aufgelaufenen Zinsen angerechnet wurden. Die Bank sah im Gegenzug von Vollstreckungsmaßnahmen ab.
Ende 2008 war die Hauptforderung mit der monatlichen Rate beglichen, die Frau zahlte daraufhin nur noch auf die Zinsen ab. In dem Klageverfahren begehrte die Frau, die monatliche Zahlung der 435 Euro als Bedarf für die Unterkunft anzuerkennen. Dann nämlich hätte das Jobcenter diese zahlen müssen.
Hartz IV: Eigentümer und Mieter sind gleich zu behandeln
Das BSG hatte schon früher entschieden, dass aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) Eigentümer und Mieter bei der Berechnung der zu leistenden Kosten für die Unterkunft im Wesentlichen nach gleichen Grundsätzen zu behandeln sind (BSG, Urt. v. 15.04.2008, Az. B 14/7b AS 34/06 R).
Es gilt die Faustregel, dass die Jobcenter die notwendigen Ausgaben als Unterkunftskosten für selbstgenutzte Hausgrundstücke, Eigenheime oder Eigentumswohnungen zu tragen haben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen wären. Hierzu zählen insbesondere die üblichen kalten Betriebskosten und andere notwendige Aufwendungen zum Betrieb des Haus- und Grundbesitzes.
Kreditzinsen oder Miete: der Staat zahlt beides in angemessener Höhe
Bei der Frage, welche laufenden Kosten das Jobcenter bei kreditfinanzierten Immobilien zu übernehmen hat, muss man differenzieren. Im Grundsatz sind von den Jobcentern nicht die Tilgungsraten, sehr wohl aber die Zinsleistungen zu tragen. Da die steuerfinanzierten SGB-II-Leistungen dem Leistungsempfänger kein Vermögen bescheren sollen, fallen die Darlehenstilgungen nicht in den Bereich der Jobcenter.
Die Übernahme der Zinsen erklärt sich hingegeben damit, dass der leistungsberechtigte Darlehensnehmer seine Zinsen in gleicher Weise für die Überlassung des Kapitals "in Geld" schuldet, so wie der Mieter die Miete für die Überlassung des Wohnraums zu zahlen hat. Die Leistungen des Jobcenters sind bei Eigentümern genauso "nach oben" zu begrenzen wie bei Mietern, also auf die angemessenen Kosten einer Mietwohnung.
Liegen die tatsächlichen Aufwendungen hierüber, werden insoweit keine Zuschüsse erbracht. Es kommen dann aber zinslose Darlehen durch das Jobcenter in Betracht.
Sonderfall: Manchmal zahlt das Jobcenter auch Tilgungsraten
Das Verbot, Leistungsempfängern durch Vermögensbildung quasi auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern, kann manchmal aber in Konflikt mit dem Schutzzweck der Erhaltung des Wohnraums geraten. Zum Beispiel, wenn ein Leistungsberechtigter ohne die – gegebenenfalls anteilige – Übernahme von Tilgungsraten gezwungen wäre, die Eigentumswohnung oder das Eigenheim aufzugeben. In solchen Fällen hat der Staat naturgemäß kein Interesse daran, dass Hilfebedürftige ihr Eigentum verlieren.
In eng begrenzten Ausnahmefällen hält das BSG deshalb eine zuschussweise Übernahme der gesamten Finanzierungskosten für möglich – allerdings begrenzt bis zur Höhe der Kosten einer angemessenen Mietwohnung, die der Staat ja sonst ebenfalls zu tragen hätte.
Das BSG legt dafür aber strenge Maßstäbe an: So muss etwa die Immobilie vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit erworben worden, die Finanzierung bereits weitgehend abgeschlossen und nur noch eine Restschuld abzutragen sein. Hier kommt es sehr auf die Umstände des Einzelfalls an, einschließlich des Alters und der Lebensverhältnisse des Leistungsbeziehers (BSG, Urt. v. 16.02.2012 - B 4 AS 14/11 R).
BSG lehnt Übernahme der Zinsen im Rahmen der Unterkunftskosten nun ab
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Kasseler Richter in ihrer jüngsten Entscheidung an ihrer restriktiven Linie festhalten. Sie wiederholen, dass bei Darlehen zur Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum zwar die laufend fällig werdenden Zinsen, grundsätzlich aber nicht die Tilgungsraten als Aufwendungen für die Unterkunft anzuerkennen seien.
Die monatliche Zahlung der klagenden Frau von jeweils 435 Euro an die Bank sei entsprechend nicht als Bedarf anzuerkennen, weil ihr nicht eine aktuell auftretende Zahlungsverpflichtung zugrunde liege, sondern es sich um eine Zahlung zur Tilgung früher entstandener Schulden handele. Wenn der Staat für das Grundbedürfnis Wohnen aufkommen solle, müsse es sich um aktuell auftretende Aufwendungen handeln – nicht aber um die Befriedigung von Schulden aufgrund früherer Verpflichtungen.
Das Besondere an "alten" Schulden
Dass diese Schulden auf Zinsforderungen beruhen, ändert somit an dem Ergebnis nichts, weil es nicht um aktuell angefallenen Zinsen ging. Keine Rolle spielte es danach für das Gericht, dass die klagende Frau mit der Bank die Zahlungsvereinbarung traf, um Vollstreckungsmaßnahmen seitens der Bank abzuwenden, was ja genaugenommen auch im Interesse des Staates liegt.
Das BSG blieb allerdings restriktiv und verwies auf die Regelungen zur Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft in § 22 Abs. 8 SGB II. Danach übernehmen Jobcenter auch Schulden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Solche Leistungen werden aber in aller Regel nur als Darlehen und nicht als Zuschuss erbracht – im Endeffekt zahlt der Staat in solchen Fällen damit auch nicht das Haus oder die Wohnung ab, sondern verschafft den Hilfebedürftigen nur eine Atempause.
Der Autor Dr. Martin Kellner, LL.M. (Vanderbilt) ist Richter am Sozialgericht Freiburg.
BSG zur Kostenübernahme bei Hartz IV: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39241 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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