Bruch des Beichtgeheimnisses: Wenn Sex und Int­rigen nicht im Beicht­stuhl bleiben

Norbert Diel

13.04.2011

Köln ermittelt, Tatort soll Essen sein: Ein Kaplan soll geplaudert haben. Über sexuelle Vorlieben, seinen ehemaligen Vorgesetzen und homosexuelle Kontaktbörsen. Die Kenntnisse von diesen Gerüchten soll er aus dem Beichtstuhl haben. Norbert Diel über kirchenrechtliche Konsequenzen des Verrats von Geheimnissen zwischen Mensch und Gott.

Im Bistum Essen werden schwerwiegende Vorwürfe gegen einen Kaplan erhoben: Er soll einen Beichtenden gezielt nach sexuellen Vorlieben seines ehemaligen Vorgesetzten, des inzwischen versetzten Pfarrers der Gemeinde, ausgehorcht und diese Informationen nachher genutzt haben, um den Geistlichen, aber auch andere Personen direkt damit zu konfrontieren.

Der Fall steht im Zusammenhang mit einem anderen Vorwurf, nämlich dem Knüpfen homosexueller Kontakte, auch unter Nutzung einer einschlägigen Internetkontaktbörse.

Ins Rollen gebracht wurde der Fall durch den Beichtenden (Poenitenten) selbst, der sich verraten fühlt. Auch mit der Art und Weise, wie das Bistum Essen den Fall behandelte, war er unzufrieden. Er wandte sich an Rom. Der Vatikan reagierte sofort. Die Glaubenskongregation zog den Fall an sich und beauftragte das Erzbistum Köln mit der Eröffnung des kirchenrechtlichen Verfahrens.

Die Kölner haben nun zu prüfen, was dran ist an den erhobenen Vorwürfen. Aus kirchlicher Sicht wären sie gravierend: Erwiesen sie sich als zutreffend, hätte ein Priester der römischen Amtskirche das Beichtgeheimnis verletzt.

Wer beichtet, offenbart sich direkt Gott

In der Beichte gilt alles, was der Poenitent dem Geistlichen anvertraut, als direkt gegenüber Gott offenbart. Dieser intime Bereich zwischen Gott und dem Menschen ist absolut vertraulich. Die Beichte ist eines der sieben Sakramente, sie gehört zum Innersten und Heiligsten der Kirche.

Durch eine gültige Beichte erlangt der Sünder Vergebung der gebeichteten Sünden. So stehen die Beichte und vor allem das Beichtgeheimnis unter dem besonderen Schutz der Kirche. Dieser Schutz findet seinen Niederschlag im Gesetzbuch der Kirche, dem Codex Iuris Canonici von 1983 (CIC), der das Beichtgeheimnis in Canon 983 CIC regelt.

Die Verletzung des Beichtgeheimnisses wird von der Kiche mit den Mitteln des Kirchenstrafrechts sanktioniert. So ist es einem Geistlichen nach Canon 983 CIC streng verboten, über die Sünden des Büßers in irgendeiner Form zu sprechen, ihn in sonst einer Form zu verraten oder die Kenntnis seiner Sünden bei der Leitung einer Gemeinde oder anderen kirchlichen Einrichtung zu verwenden.

Das Kirchenrecht differenziert in Canon 983 § 1 CIC in zwei Arten des Siegelbruchs, wie die Verletzung des Beichtgeheimnisses auch genannt wird: der direkte und der indirekte Siegelbruch. Der direkte Bruch des Beichtgeheimnisses besteht darin, dass der Geistliche Name und Inhalt der Beichte einem Dritten mitteilt. Beim indirekten Bruch des Beichtgeheimnisses zitiert der Geistliche so aus der Beichte, dass eine dritte Person mit entsprechenden Kenntnissen Rückschlüsse auf den Betroffenen ziehen kann.

Daneben kennt Canon 983 § 2 CIC auch den Siegelbruch weiterer Personen, wie etwa einem hinzugezogenen Dolmetscher und sonstiger Dritter, die zufällig oder willentlich vom Inhalt der Beichte erfahren haben.

Die Rechtsfolgen: Exkommunikation

Prinzipiell sind die Rechtsfolgen des Siegelbruchs klar definiert, das Kirchenstrafrecht hält scharfe Waffen bereit. Der direkte Bruch des Beichtgeheimnisses führt nach Canon 1388 § 1 CIC zur Exkommunikation des Täters. Allerdings ist die Exkommunikation eine Beugestrafe. Sie wird also nur solange verhängt, bis der Sünder sein Fehlverhalten beendet oder wiedergutgemacht hat.

Die Exkommunikation bedeutet entgegen einer allgemein verbreiteten Ansicht nicht den Ausschluss des Täters aus der Kirche, sondern (nur) den Verlust der Kirchengemeinschaft und damit gewisser Rechte innerhalb der Kirche. Der Exkommunizierte darf keine Sakramente empfangen oder spenden und er darf auch kein kirchliches Amt oder kirchliche Dienste und Aufgaben innerhalb der Amtskirche ausüben.

Die Exkommunikation ist aber auch eine so genannte Tatstrafe. Dies bedeutet, dass sie schon im Zeitpunkt der bewussten Begehung der strafbaren Handlung durch den Täter diesem gegenüber als bereits verhängt gilt. Es ist also nicht erforderlich, dass sie durch einen Bischof oder den Papst danach noch einmal gesondert verhängt oder verkündet wird.

Wer als Geistlicher das Beichtgeheimnis bricht, wird durch Rom exkommuniziert

Die Tatstrafe der Exkommunikation weist aber im Zusammenhang mit der Verletzung des Beichtgeheimnisses noch eine weitere Besonderheit auf. Und zwar für den Fall, dass die strafbare Handlung nicht durch einen "normalen" Gläubigen, sondern durch einen Geistlichen begangen wird: Wenn ein Geistlicher das Beichtgeheimnis direkt verletzt hat, wird die Exkommunikation in einem gesonderten kirchlichen Gerichtsverfahren explizit festgestellt, das mit Urteil durch den Bischof (oder den Papst) endet.

Konkret bedeutet das, dass der solchermaßen verurteilte Geistliche als Exkommunizierter keinen Gottesdienst mehr halten, keine Sakramente spenden oder empfangen und seine Ämter und seine Leitungsgewalt nicht mehr ausüben darf.

Hat der Geistliche hingegen "nur" einen indirekten Siegelbruch begangen, so führt dies nicht automatisch zur Exkommunikation, sondern vielmehr zur Verhängung einer so genannten "gerechten Strafe", also einer Strafe entsprechend der Schwere der Tat. Eine solche kann im Wege des  Dekretverfahrens, also eines regulären kirchlichen Verwaltungsverfahrens verhängt werden. Auch der Bischof kann nämlich einen Kirchenverwaltungsakt erlassen.

Keine Strafbarkeit nach weltlichem Recht

Die Zuständigkeit für die Durchführung des kirchengerichtlichen Strafverfahrens wegen direkten Siegelbruchs obliegt der Kongregation für die Glaubenslehre in Rom. Sobald also ein Bischof erfährt, dass ein Geistlicher aus seinem Bistum einen direkten Siegelbruch begangen hat, muss er dies nach Rom melden. Rom entscheidet dann, wie das Verfahren geführt wird. Im vorliegenden Fall hat Rom beispielsweise das Erzbistum Köln mit der Durchführung des Verfahrens beauftragt. Die Kölner werden zunächst also den Sachverhalt aufklären und dann muss man weitersehen.

Kommen wir nun zur weltlichen Seite des Falles: Der Bruch des Beichtgeheimnisses ist nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs (StGB) nicht strafbar. Im einschlägigen Straftatbestand der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) wurden Geistliche expressis verbis ausgenommen.

Der Grund für diese Ausnahme liegt darin, dass es staatskirchenrechtlichen Grundsätzen widerspräche, wenn der Staat eine Angelegenheit aus dem Bereich der innerkirchlichen Selbstverwaltung, zu der das Beichtgeheimnis zweifelsfrei gehört, mit seinen Wertungen und rechtlichen Sanktionen überlagern könnte. Der Staat respektiert also insoweit die Art und Weise, wie die Kirche mit dem Bruch des Beichtgeheimnisses umgeht und übernimmt deren Wertungen. Schützt die Kirche das Beichtgeheimnis, kann der Staat Geistliche folglich nicht zwingen, dieses Geheimnis zu brechen. Insoweit ist es folgerichtig, in § 53 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht für Geistliche vorzusehen.

Für den Kaplan im Bistum Essen ist also derzeit nur eines sicher: Von Seiten des Staates hat er nichts zu erwarten. Wie die Kirche urteilen wird, bleibt spannend.

Der Autor Norbert Diel ist Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. und Rechtsanwalt in Köln. Zuvor war er viele Jahre lang Assistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kirchenrecht der Universität zu Köln.

 

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Zitiervorschlag

Norbert Diel, Bruch des Beichtgeheimnisses: . In: Legal Tribune Online, 13.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3011 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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