Arbeitsrechtliche Konsequenzen für deutsche Banken?: Brexit-Pla­nung mit dop­pelten Hüten

Gastbeitrag von Dr. Hans-Peter Löw

21.01.2019

Banken in Europa operieren derzeit vor allem aus London heraus. Für die Zusammenarbeit mit EU-Ländern brauchen sie jedoch eine Lösung, denn ohne Erlaubnis können sie hier nicht arbeiten. Woran zu denken ist, erklärt Hans-Peter Löw.

Das Britische Unterhaus hat am vergangenen Dienstag mit einer Zweidrittelmehrheit den zwischen der Regierung des Vereinigten Königreiches und der EU ausgehandelten Austrittsvertag abgelehnt. Als Folge wird ein Brexit ohne Abkommen (Hard Brexit) zum 29. März 2019 immer wahrscheinlicher. Damit stellt sich unter anderem die Frage, welche auf welche Konsequenzen sich die Frankfurter Bankenwelt in arbeitsrechtlicher Hinsicht einstellen muss.

In den vergangenen 18 Monaten haben viele Banken umfangreiche Vorbereitungsarbeiten getroffen. Die Notwendigkeit ergab sich daraus, dass Institute für Dienstleistungen wie Einlagen- und Kreditgeschäft eine rechtlich selbstständige Einheit in einem EU-Staat benötigen. Dann können sie mit Hilfe des EU-Passes in allen anderen EU-Staaten Geschäfte betreiben. Viele Banken haben dies bisher aus London heraus getan. Der nunmehr für Ende März erwartete Brexit zwingt diese Institute, neue Gesellschaften innerhalb der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten der EU zu gründen.

Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) haben inzwischen mehr als 45 Finanzinstitute, die bisher vor allem vom Finanzstandort London aus agieren, die Absicht, sich in Deutschland mit einer eigenen Gesellschaft niederzulassen. Dabei haben viele internationale Banken unterschätzt, welche Auswirkungen dieses Vorgehen auf die tägliche Steuerung des Geschäftes hat. So ist der Leiter der Niederlassung einer UK-Gesellschaft den Weisungen aus London unterworfen. Bei einem Sitz in Deutschland mit der Rechtsform einer deutschen Aktiengesellschaft (AG) hingegen sieht das anders aus: Der Vorstand leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortung, so schreibt es § 76 Aktiengesetz (AktG) ausdrücklich vor. Selbst der Aufsichtsrat, der für die Bestellung der Vorstandsmitglieder verantwortlich ist, kann nicht ins Tagesgeschäft hinein regieren. Außerdem achtet die Bankenaufsicht auch sehr genau darauf, dass der Vorstand einer deutschen Bank ausschließlich im Interesse der deutschen Gesellschaft handelt und nicht von außen gesteuert wird.

Spezialisten-Funktionen aus London heraus

Üblicherweise vereinbart die UK-Bank mit der deutschen Tochtergesellschaft, dass das in der bisherigen Niederlassung, Zweigstelle o.ä. (im englischen Branch) in Frankfurt gebündelte Geschäft in die neue Gesellschaft eingebracht wird. Aus Personalsicht führt dies zu einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit der Folge, dass alle Mitarbeiter mit ihren Rechten und Pflichten kraft Gesetzes in die neue Gesellschaft wechseln.

In aller Regel braucht aber die deutsche Gesellschaft, die Bankgeschäfte betreibt, wesentlich mehr Spezialisten für bankregulatorische Aufgaben als dies bei einer Branch der Fall ist. Das gilt etwa für Geldwäsche- und Compliancebeauftragte sowie Mitarbeiter im Risikocontrolling. Die meisten Banken beabsichtigen dabei, jedenfalls für eine Übergangsphase, diese Spezialisten-Funktionen durch Experten aus London wahrnehmen zu lassen. Das sollen sie üblicherweise neben ihren bisherigen Aufgaben für die UK-Bank übernehmen. In der Bankenwelt spricht man hier von double hats, d.h., ein Mitarbeiter hat zwei Hüte auf, nämlich für die UK-Bank und gleichzeitig für die deutsche Tochter

Die deutsche Bankenaufsicht hat von Anfang an deutlich gemacht, dass sie dem double hatting nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, aber bestimmte Mindestanforderungen dabei erfüllt sein müssen. Ein „fly-in-fly-out“ für wenige Tage im Monat wird üblicherweise nicht für ausreichend erachtet. Es ist nicht in jedem Falle erforderlich, dass bestimmte bankregulatorische Funktionen mit einer Vollzeitkraft erfüllt werden müssen. Wie viel Zeitaufwand angemessen ist, kann jedoch nur im Einzelfall in Abstimmung mit der BaFin entschieden werden.

Arbeitserlaubnisse für Mitarbeiter aus Großbritannien

Ein weiterer Gesichtspunkt, der von den beteiligten Banken beachtet werden muss, ist die Behandlung von Interessenkonflikten. In der Wahrnehmung von Aufgaben für zwei rechtlich getrennte Banken ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu der Kollision von Interessen kommen kann. In diesem Fall muss vertraglich im Vorhinein geregelt sein, welche Interessen Vorrang haben. Aus den Policies der Banken sollte sich ergeben, wie verfahrensmäßig damit umzugehen ist.

Der sich jetzt abzeichnende Hard Brexit hat kurzfristig einen weiteren bisher gänzlich unbeachteten Aspekt in die Diskussion gebracht. Ohne eine Übergangsregelung stellt sich für Einpendler aus London mit britischem Pass die Frage nach der Notwendigkeit einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer ist die Situation übersichtlich. Sie benötigen keine Arbeitserlaubnis. Die Aufenthaltserlaubnis in Form eines Geschäftsvisums erfordert zwar die Durchführung des entsprechenden bürokratischen Verfahrens, ist aber inhaltlich unproblematisch. Auf Basis eines solchen Geschäftsvisums können die Manager sich an 90 von 180 Tagen berechtigt in Deutschland aufhalten. Für Arbeitnehmer hingegen ist auch ein Arbeitserlaubnisverfahren durchzuführen. Das schließt grundsätzlich die Vorrangprüfung mit ein. Es ist zu untersuchen, ob Arbeitnehmer aus der EU ebenfalls für diese Position in Frage kommen. Inwieweit die Bluecard-Regelung Erleichterungen bringt, kann nur im Einzelfall beantwortet werden. Es ist zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber Übergangsregelungen dazu schafft.

Kündigungsschutz für Spitzenverdiener gelockert

Für das Steuer- und Sozialversicherungsrecht hat die Bundesregierung bereits entsprechende Übergangsregelungen beschlossen, die sich aktuell im parlamentarischen Zustimmungsverfahren befinden. In diesem Rahmen wurde auch der gelockerte Kündigungsschutz für Risikoträger beschlossen. Mitarbeiter dieser Kategorie, deren jährlicher Verdienst oberhalb des dreifachen der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, das ist aktuell ein Grenzwert von 234.000 Euro, soll der Arbeitgeber nach Vorstellung der Bundesregierung ohne Angabe von Gründen los werden können, wenn auch nur gegen Zahlung einer Abfindung. Die Höhe einer solchen Abfindung würde vom Arbeitsgericht im Rahmen gesetzlicher Grenzen festgesetzt.

Diese Lockerung des Kündigungsschutzes für Banker mit Spitzenverdiensten hatte die Bundesregierung bereits kurz nach der Austrittserklärung des Vereinigten Königreichs in Aussicht gestellt. Dahinter stand der Gedanke, im Konkurrenzkampf mit anderen Finanzplätzen innerhalb der EU einen vermeintlichen Standortnachteil, als den viele den strikten Kündigungsschutz ansehen, zu relativieren.

Inwiefern diese Neuregelung sich allerdings merklich positiv auf den Frankfurter Standort auswirkt, bleibt abzuwarten – ein zugegebenermaßen unbefriedigender Zustand in Habachtstellung, in den der Brexit die Wirtschaft bereits viel zu lange versetzt.

Der Autor Dr. Hans-Peter Löw ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Allen & Overy. Vom Frankfurter Büro aus berät er insbesondere Banken im Arbeitsrecht.

Zitiervorschlag

Arbeitsrechtliche Konsequenzen für deutsche Banken?: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33333 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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