BMWK-Eckpunktepapier für den Rüstungsexport: Kri­te­rien gut, Kon­trolle unzu­rei­chend

Gastbeitrag von Dr. Sebastian Roßner

24.10.2022

Das Bundeswirtschaftsministerium hat Eckpunkte für ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz vorgelegt. Die Eckpunkte haben viele gute Ansätze, findet Sebastian Roßner - ein wesentliches, altbekanntes Problem löse es aber nicht.

Das Recht der Rüstungsexporte lässt sich nach sieben W-Fragen strukturieren: Was darf unter welchen Bedingungen wohin ausgeführt werden, wer entscheidet über eine Ausfuhr, wer weiß davon, wer kontrolliert die Entscheidungen und wer haftet für die Folgen möglicher Fehler?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat nun "Eckpunkte für ein Rüstungsexportkontrollgesetz" vorgelegt, die auf die zweite, die dritte, die fünfte sowie die siebte dieser W-Fragen neue Antworten formulieren. Das BMWK macht damit einen Schritt, die entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertragsvertrag zu erfüllen. Die Ampel nämlich will den Genehmigungsprozess reformieren - ein altbekanntes Problem bleibt dabei aber ungelöst.

"Kriegswaffen" und "sonstige Rüstungsgüter" - der Unterschied

Gegenstand des in den "Eckpunkten" skizzierten Gesetzes ist der Export von Rüstungsgütern. Mit diesem Begriff sind zunächst Kriegswaffen im Sinne von Art. 26 Abs. 2 Grundgesetz (GG) gemeint, die primär dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) Regelungen unterfallen und die in der als Anhang zu jenem Gesetz veröffentlichten Kriegswaffenliste (KL) aufgeführt werden. Weiterhin gehören dazu sonstige Rüstungsgüter, die – ohne Kriegswaffen zu sein – in Teil I der Ausfuhrliste aufgezählt sind, welche den Anhang 1 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bildet, die wiederum zur Ausführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) ergangen ist.

Der Bereich der der Rüstungsgüter wird bisher also in zwei verschiedenen Gesetzen geregelt, die jeweils unterschiedlichen Prinzipien folgen: Während Art. 26 Abs. 2 GG die Produktion und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen von Verfassungs wegen grundsätzlich verbietet und lediglich die Möglichkeit einer Erlaubnis durch die Bundesregierung vorsieht, finden Herstellung und Handel mit sonstigen Rüstungsgütern, die nur unter das AWG fallen, im Schutzbereich der Grundrechte statt. Damit ist ein Verbot, mit solchen Gütern zu handeln, begründungsbedürftig. Diese Kluft zwischen Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern soll das zukünftige Rüstungsexportkontrollgesetz teilweise überbrücken, indem es einen Satz gemeinsamer Normen für den Export aller Rüstungsgüter schafft.

Regeln für Exportbedingungen bisher unzureichend

Dem bereits bisher eher unübersichtlichen Recht der Rüstungsexporte noch eine weitere Norm hinzuzufügen, ist in diesem Fall wohl eine gute Idee.

Denn auf die eingangs erwähnte zweite Grundfrage des Rüstungsexportrechts, unter welchen Bedingungen nämlich Rüstungsgüter exportiert werden dürfen, geben die geltenden Gesetze nur eine unbefriedigende Antwort. Vor allem fehlt es bisher an einem Satz von sinnvollen und kohärenten inhaltlichen Kriterien, wann Rüstungsexporte gestattet werden können, die auch vor deutschen Gerichten justiziabel sind.

Die jetzt vorgelegten Eckpunkte sehen vor, die acht Ausfuhrkriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU (2008/944/GASP), die bisher lediglich auf völkerrechtlicher Ebene verbindlich waren, als Tatbestände in das zukünftige Rüstungsexportkontrollgesetz aufzunehmen. Damit würde das neue Gesetz einer seit langem in der Politik wie auch von Nichtregierungsorganisationen erhobenen Forderung nachkommen.

Die Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU haben den Vorteil, dass sie den Genehmigungsbehörden bereits bekannt sind und auf einem europäischen Konsens beruhen. Sie sollten deshalb nicht im Wege stehen, falls es in der Zukunft zu einer weiteren Europäisierung des Rüstungsexportrechts kommen sollte.

An wen Deutschland künftig exportieren dürfen soll

Die dritte Grundfrage des Rechts der Rüstungsausfuhren, welches die zulässigen Empfänger von Rüstungsexporten sind, beantworten die Eckpunkte etwas differenzierter, als dies bisher geltendes Recht ist. So soll die Bundesregierung "allgemeine Maßgaben zum grundsätzlichen Umgang mit Ausfuhranträgen für bestimmte Drittländer [Staaten, die weder EU- noch NATO-Mitglieder sind] aufstellen" können. Diese "allgemeinen Maßgaben" können eine "grundsätzliche[n] Genehmigungsfähigkeit" oder eine "grundsätzliche Ablehnungsvermutung" beinhalten. Rechtstechnisch wird es sich dabei wohl um regierungs- oder verwaltungsinternes Binnenrecht handeln, das durch Kabinettsbeschluss geschaffen wird; eine Möglichkeit, die auch bisher schon besteht.

Auf den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine gehen die Eckpunkte indirekt ein und bekräftigen, dass Deutschland sich die Möglichkeit vorbehält, Länder durch Rüstungsexporte zu unterstützen, die als Opfer von völkerrechtswidriger Aggression mit Krieg bedroht sind oder sich in einem Krieg befinden. Darin liegt eine Abkehr von dem noch kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine durch die Regierung formulierten, allerdings bereits zuvor manches Mal missachteten Grundsatz, nach dem Deutschland keine Waffen in Krisengebiete liefere.

Damit einmal gelieferte Rüstungsgüter auch an ihrem Bestimmungsort bleiben, sollen die Endverbleibs- oder Post-Shipment-Kontrollen ausgeweitet und im neuen Gesetz für alle Kriegs- und sonstigen Schusswaffen verankert werden. Ergibt sich bei solchen Kontrollen durch deutsche Stellen vor Ort, dass Rüstungsgüter nicht an ihrem Bestimmungsort verblieben sind, soll ein "abgestuftes Sanktionskonzept" greifen.

Reelle Chance, für Fehler bei Rüstungsexport entschädigt zu werden

Die Eckpunkte machen einen Schritt auf neues Terrain, indem sie auf die siebte Frage, wer für die Folgen von Fehlern bei Rüstungsexporten haftet, zum ersten Mal eine Antwort versuchen, die auch den Opfern von Rüstungsexporten eine realistische Chance auf Genugtuung gibt. Denn verletzen ein Unternehmen oder seine verantwortlichen Mitarbeiter in qualifizierter Weise Pflichten aus Rüstungsexportvorschriften, so soll zukünftig das Unternehmen Schäden ersetzen, die Menschen an Leib und Leben durch den Einsatz der rechtswidrig exportierten Rüstungsgüter erleiden. Solche Ansprüche sollen vor deutschen Gerichten einklagbar sein und die Opfer sich bei der Durchsetzung ihres Anspruchs von anerkannten Verbänden prozessstandschaftlich vertreten lassen können. Wegen der Beschränkung auf Schäden an Leib oder Leben werden allerdings etwa jene Geschädigten, deren wirtschaftliche Lebensgrundlage zerstört wird, weiter leer ausgehen.

Das hauptsächliche Manko eines zukünftigen Rüstungsexportkontrollgesetzes nach Maßgabe der Eckpunkte wird bei der Antwort auf die sechste Grundfrage liegen, die die Kontrolle von Rüstungsexportentscheidungen betrifft. Eine solche Kontrolle kann prinzipiell gerichtlich wie auch politisch erfolgen.

Leider haben sich die Ampelkoalitionäre – jedenfalls bis jetzt – nicht darauf einigen können, in Zukunft eine wirksame gerichtliche Kontrolle von Ausfuhrgenehmigungen zu ermöglichen, indem ein Verbandsklagerecht gegen Ausfuhrgenehmigungen eingeführt wird, wie es die grüne Bundestagsfraktion verschiedentlich gefordert hatte. Hintergrund ist, dass gegen eine erteilte Ausfuhrgenehmigung kaum geklagt werden kann, da es regelmäßig unmöglich ist, dass ein subjektives Recht des Exporteurs oder einer anderen Person verletzt ist, es also an der Klagebefugnis fehlt.

Ähnlich wie etwa im Umweltrecht (§ 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) könnte das Instrument der Verbandsklage hier Abhilfe schaffen. Bestimmte anerkannte Verbände hätten damit die Möglichkeit, Klage gegen Rüstungsexportgenehmigungen zu erheben, ohne eine mögliche Betroffenheit in eigenen Rechten vorzutragen. Damit könnten nicht nur rechtswidrige Genehmigungen kassiert werden, sondern zugleich würde sich überhaupt eine gefestigte Rechtsprechung zum Rüstungsexportrecht entwickeln können: Zwar kann ein Unternehmen, dessen Rüstungsexportantrag negativ beschieden wurde, gegen die Ablehnung Klage erheben. Von dieser Möglichkeit machen die auf Diskretion bedachten Rüstungsexporteure jedoch nur äußerst selten Gebrauch, so dass nur sehr wenig Rechtsprechung zum Recht der Rüstungsexporte existiert.

Politische Kontrolle durch den Bundestag wird Anforderungen nicht gerecht

Die politische Kontrolle von Rüstungsexportentscheidungen durch den Bundestag vermag hier keinen Ausgleich zu schaffen. Zwar sollen die zuständigen Ausschüsse des Parlaments in Zukunft schriftlich durch die Bundesregierung informiert werden, sobald wichtige Exportgenehmigungen erteilt wurden. Auch soll die Bundesregierung verpflichtet werden, den Ausschüssen auf Anfrage die Gründe zu erläutern, die für die erteilte Genehmigung sprachen. Aber das Parlament und seine Ausschüsse können sich auch weiterhin nur im Nachhinein mit bereits erteilten Genehmigungen befassen - und zudem wird dies vermutlich nur selten geschehen. Denn um die Bundesregierung zu einer Debatte in den Ausschuss zu zitieren, bedarf es eines entsprechenden Beschlusses. In den Ausschüssen wie im Plenum haben aber die Regierungsfraktionen die Mehrheit und werden der Opposition nur selten die Gelegenheit geben, Regierungsvertreter im Ausschuss in die Mangel zu nehmen.

Einen echten Zielkonflikt offenbaren die Eckpunkte, sofern wenn es um die europäische Rüstungskooperation geht. Einerseits soll diese Kooperation vertieft werden, was angesichts steigender Kosten für große Rüstungsvorhaben immer mehr zu einer Notwendigkeit werden wird. Andererseits stellt sich bei Rüstungsgütern, die einer europäischen Kooperation entstammen, das Problem, wie mit der Frage von Exporten, vor allem in Drittländer, umgegangen wird. Die Eckpunkte unternehmen einen tapferen Versuch, diesen Widerspruch zu überbrücken. Es soll nämlich ein besonderer Entscheidungsmechanismus unter den Kooperationspartnern etabliert werden, nach dem dann eine Mehrheit über eventuelle Ausfuhren beschließt, wobei die Stimmanteile nach dem Umfang gewichtet sein sollen, in dem die einzelnen Partner am Projekt beteiligt sind. Ob die anderen Kooperationspartner sich auf eine solche Regelung einlassen oder eher darauf beharren, eigene Rüstungsexportentscheidungen zu treffen, ist zumindest fraglich

Insgesamt ergeben die Eckpunkte ein Bild mit viel Licht, aber auch viel Schatten. Genehmigungstatbestände für Rüstungsexporte ins deutsche Recht zu integrieren, die den Ansprüchen an eine wertegeleitete Außenpolitik gerecht werden, ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Aber die Kontrolle der Rüstungsexporte wird im skizzierten Rüstungsexportkontrollgesetz allzu sehr vernachlässigt. Die Erfahrung lehrt, dass Dopingverbote wenig fruchten, wenn es keine strengen Kontrollen gibt. Ähnlich ist es auch im Rüstungsexportrecht: Rechtsvorschriften brauchen eine wirksame und unabhängige Überwachung ihrer Einhaltung, die im Recht der Rüstungsexporte kaum ohne ein Verbandsklagerecht zu erreichen ist, das die Gerichte ins Spiel bringt. In dieser Hinsicht muss man wohl auf Nachbesserung hoffen, wenn das Eckpunktepapier ins Gesetzgebungsverfahren mündet.

Der Autor Dr. Sebastian Roßner arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR Rechtsanwälte in Köln. Einer seiner Schwerpunkte ist das Staats- und Verfassungsrecht.

Zitiervorschlag

BMWK-Eckpunktepapier für den Rüstungsexport: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49969 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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